Sozialhilfe, Armut und Arbeitslosigkeit  

erstellt am
11. 10. 07

Wien (wifo) - Die Arbeitslosigkeit hat sich in Österreich seit den frühen neunziger Jahren zunehmend verfestigt. War die Arbeitslosenquote 1990 noch bei 5,4% gelegen, so erhöhte sie sich bis 1998 recht kontinuierlich auf 7,2%; dieses Niveau hielt sie bis 2005. Erst der Konjunkturaufschwung im Jahr 2006 ermöglichte einen Rückgang, der allerdings trotz einer starken Beschäftigungsausweitung äußerst gering ausfiel. Dies hat damit zu tun, dass in den letzten Jahren immer mehr Arbeitslose zu Langzeitarbeitslosen wurden und Langzeitarbeitslosigkeit auch bei guter Konjunktur nicht ohne intensive Förderungsmaßnahmen abgebaut werden kann. Immer mehr Langzeitarbeitslose suchen zudem um Sozialhilfe an, da die Notstandshilfe oft nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Aus dem Sozialhilfebezug führt aber häufig kein Weg zurück auf den Arbeitsmarkt. Gerade das wäre aber wichtig, um der Armutsfalle zu entkommen.

Österreich liegt gemessen an den Ausgaben für Sozialschutz im obersten Viertel der EU-Länder und weist trotzdem ein vergleichsweise hohes Armutsrisiko auf. Traditionelle Versorgungssysteme gewähren demnach vor dem Hintergrund der Flexibilisierung der Arbeit und der Auflösung traditioneller Familienstrukturen in Problemlagen keinen ausreichenden Schutz mehr. Eine Reform des "dritten Sozialnetzes", der Sozialhilfe, ist erforderlich, will man die Verarmung und Ausgrenzung einer zunehmenden Zahl von Langzeitarbeitslosen mit Sozialhilfebezug verhindern.

Die Sozialhilfe ist vor allem deshalb eine Barriere für den Wiedereintritt ins Erwerbsleben, weil sie als zinsenloses Darlehen konzipiert ist. Sozialhilfe beziehen vorwiegend benachteiligte Personengruppen, Geringqualifizierte und Alleinerziehende mit eingeschränkten Erwerbs- und Einkommenschancen; deshalb sind die Möglichkeiten, die Schuld zurückzuzahlen, gering und zugleich die Wahrscheinlichkeit klein, aus eigener Kraft Arbeit zu finden.

Die große Herausforderung bei der Konzeption der Sozialhilfe ist es, einen Ausgleich zwischen der Sicherung des Lebensunterhalts einerseits und der Motivation zur Arbeitsaufnahme andererseits zu schaffen. Erwerbsarbeit muss sich "lohnen", damit Arbeitslose bereit sind, eine Arbeit anzunehmen. In Österreich liegt der Mindestlohn für einfache Tätigkeiten nicht merklich über dem Richtsatz für die Sozialhilfe. Damit besteht kein finanzieller Anreiz zu einer Arbeitsaufnahme, und die Arbeitslosigkeit verfestigt sich.

Eine Reform des Systems der Sozialhilfe sollte aktivierende arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für Bezieher und Bezieherinnen von Sozialhilfe ebenso vorsehen wie Möglichkeiten des Zuverdienstes. Den Betroffenen sollte das Recht auf ein gewisses Mindestmaß an Vermögen zugestanden werden, etwa eine ortsübliche Unterkunft, Transportmittel und Pensionsvorsorge, und der Darlehenscharakter der Sozialhilfe sollte wegfallen. Eine solche Neukonzeption kann zwar kurzfristig Mehrausgaben nach sich ziehen, langfristig wird sie aber nicht nur zur Erhaltung der Wohlfahrt beitragen, sondern auch zur Erhaltung des Wirtschaftswachstums.
 
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