Wien (wifo) - Die Arbeitslosigkeit hat sich in Österreich seit den frühen
neunziger Jahren zunehmend verfestigt. War die Arbeitslosenquote 1990 noch bei 5,4% gelegen, so erhöhte sie
sich bis 1998 recht kontinuierlich auf 7,2%; dieses Niveau hielt sie bis 2005. Erst der Konjunkturaufschwung im
Jahr 2006 ermöglichte einen Rückgang, der allerdings trotz einer starken Beschäftigungsausweitung
äußerst gering ausfiel. Dies hat damit zu tun, dass in den letzten Jahren immer mehr Arbeitslose zu
Langzeitarbeitslosen wurden und Langzeitarbeitslosigkeit auch bei guter Konjunktur nicht ohne intensive Förderungsmaßnahmen
abgebaut werden kann. Immer mehr Langzeitarbeitslose suchen zudem um Sozialhilfe an, da die Notstandshilfe oft
nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Aus dem Sozialhilfebezug führt aber häufig kein
Weg zurück auf den Arbeitsmarkt. Gerade das wäre aber wichtig, um der Armutsfalle zu entkommen.
Österreich liegt gemessen an den Ausgaben für Sozialschutz im obersten Viertel der EU-Länder und
weist trotzdem ein vergleichsweise hohes Armutsrisiko auf. Traditionelle Versorgungssysteme gewähren demnach
vor dem Hintergrund der Flexibilisierung der Arbeit und der Auflösung traditioneller Familienstrukturen in
Problemlagen keinen ausreichenden Schutz mehr. Eine Reform des "dritten Sozialnetzes", der Sozialhilfe,
ist erforderlich, will man die Verarmung und Ausgrenzung einer zunehmenden Zahl von Langzeitarbeitslosen mit Sozialhilfebezug
verhindern.
Die Sozialhilfe ist vor allem deshalb eine Barriere für den Wiedereintritt ins Erwerbsleben, weil sie als
zinsenloses Darlehen konzipiert ist. Sozialhilfe beziehen vorwiegend benachteiligte Personengruppen, Geringqualifizierte
und Alleinerziehende mit eingeschränkten Erwerbs- und Einkommenschancen; deshalb sind die Möglichkeiten,
die Schuld zurückzuzahlen, gering und zugleich die Wahrscheinlichkeit klein, aus eigener Kraft Arbeit zu finden.
Die große Herausforderung bei der Konzeption der Sozialhilfe ist es, einen Ausgleich zwischen der Sicherung
des Lebensunterhalts einerseits und der Motivation zur Arbeitsaufnahme andererseits zu schaffen. Erwerbsarbeit
muss sich "lohnen", damit Arbeitslose bereit sind, eine Arbeit anzunehmen. In Österreich liegt der
Mindestlohn für einfache Tätigkeiten nicht merklich über dem Richtsatz für die Sozialhilfe.
Damit besteht kein finanzieller Anreiz zu einer Arbeitsaufnahme, und die Arbeitslosigkeit verfestigt sich.
Eine Reform des Systems der Sozialhilfe sollte aktivierende arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für Bezieher
und Bezieherinnen von Sozialhilfe ebenso vorsehen wie Möglichkeiten des Zuverdienstes. Den Betroffenen sollte
das Recht auf ein gewisses Mindestmaß an Vermögen zugestanden werden, etwa eine ortsübliche Unterkunft,
Transportmittel und Pensionsvorsorge, und der Darlehenscharakter der Sozialhilfe sollte wegfallen. Eine solche
Neukonzeption kann zwar kurzfristig Mehrausgaben nach sich ziehen, langfristig wird sie aber nicht nur zur Erhaltung
der Wohlfahrt beitragen, sondern auch zur Erhaltung des Wirtschaftswachstums. |