Bundespräsident Fischer: Soziales Engagement als Grundhaltung
Wien (epd Ö) - Für die Verdienste um die Republik Österreich ist heute der
evangelisch-lutherische Bischof und Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Mag.
Herwig Sturm, ausgezeichnet worden. Bundespräsident Dr. Heinz Fischer verlieh dem Bischof das Große
Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern im Rahmen eines Festakts am 10.10. in der Hofburg.
Fischer würdigte Sturms soziales, karitatives und gesellschaftspolitisches Engagement, "das nicht nur
für die Kirche, sondern für das ganze Land von großer Bedeutung und Nutzen ist", so der Bundespräsident.
Konkret nannte Fischer etwa Sturms Engagement für die Notfallseelsorge, die er initiiert hatte, oder die Polizei-
und Gefangenenseelsorge als Bereiche, in denen der Staat mit der Evangelischen Kirche zusammenarbeite. Sturm habe
die Donaukirchenkonsultationen ins Leben gerufen, wodurch viele Nachbarschaftskirchen theologisch, wissenschaftlich
und administrativ unterstützt wurden. Fischer erinnerte auch an Sturms Engagement für eine energie- und
umweltbewusste Baupolitik in den Kirchen, an die Arbeit für den Prozess "Wirtschaft im Dienst des Lebens"
und an den Österreich-Konvent. In der Gesellschaft, so Fischer, sei eine Kirche nicht an ihrer Größe
zu messen, sondern darin, "welchen Beitrag sie zur politischen Entwicklung des Landes leistet". So betrachtet
stelle sich die Evangelische Kirche "als große Kirche" dar, sagte Fischer in seiner Laudatio. Bei
Sturm sei das soziale Engagement, wie etwa die Sensibilität für Flüchtlinge, nicht nur in Einzelfällen,
die mediale Aufmerksamkeit finden, zu bemerken, sondern zur "Grundhaltung" geworden.
Bischof Sturm dankte in seiner Rede den Repräsentanten der Evangelischen Kirchen ebenso wie den Organen der
Republik Österreich. Die Auszeichnung verstehe er als Vorsitzender des Evangelischen Oberkirchenrates A.u.H.B.
in erster Linie als Würdigung der Evangelischen Kirche in Österreich. Ausdrücklich dankte der Bischof
für die "wirklich großartige Ökumene". Die gute Zusammenarbeit sei sichtbar geworden
u.a. im Ökumenischen Sozialwort, im Beitrag der Expertengruppe zum Verfassungskonvent und zu Themen der EU,
auf dem gemeinsamen Weg zur Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung und zuletzt in der europaweit
einzigartigen Kirchlichen Pädagogischen Hochschule.
Sturm zu den Abschiebungen: "Gemeinsam Wege suchen"
An Bundespräsident Fischer richtete Sturm seinen Dank "für die Wahrnehmung unserer Kirche und ihrer
Aktivitäten, für die Einbeziehung unserer Kirche in Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung, für
den transparenten und regelmäßigen Dialog zwischen der Kirche und staatlichen Einrichtungen". Die
Evangelische Kirche sei Gesprächspartner in Fragen der Flüchtlinge und Migranten, der Asylwerber und
ihrer Integration, der Rechte von Minderheiten oder der Religionsfreiheit in ihrer Konsequenz auch für Moslems.
"Das interreligiöse Gespräch ist Aufgabe des Tages und der Zukunft", sagte Sturm vor den zahlreichen
Gästen aus Kirche, Diakonie und Ökumene. In der Frage der Abschiebungen appellierte der Bischof an die
Verantwortlichen, "gemeinsam Wege zu suchen". Es sei klar, dass "die Menschen in eine viel schlechtere
Situation kommen", wenn die Abschiebungen erfolgten.
"Wir prüfen unsere Standpunkte vor unserem Gewissen und dem Wort Gottes, aber dann stehen wir zu unserer
Meinung, im Dialog mit allen, die ebenfalls berührt sind und in Verantwortung stehen um die Fragen der Gesellschaft,
um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung", sagte der Bischof, der im Festakt besonders auch
seiner Familie dankte. Das Weggehen von Lienz, wo Sturm seine Tätigkeit als Pfarrer begann, nach Klagenfurt,
dann Villach, wo Sturm als Kärntner Superintendent wirkte, und dann als Bischof nach Wien habe "vielfache
Trennung und viel Mühe" bedeutet.
Mag. Herwig Sturm wurde am 15. August 1942 in Lilienfeld/NÖ geboren. Nach Beendigung seiner Schulzeit in Salzburg
und des Studiums in Wien, Heidelberg und Zürich war Sturm als Vikar in Zell am See und Lienz tätig. In
Lienz übernahm er auch seine erste Pfarrstelle, die er 13 Jahre innehatte, bevor er im Jahr 1980 als Pfarrer
nach Klagenfurt wechselte. 1988 wurde Herwig Sturm zum Superintendenten der Diözese Kärnten/Osttirol
gewählt.
Am 2. Oktober 1995 wählte ihn die Synode zum Bischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich.
Der Amtsantritt erfolgte am 1. Jänner 1996. Sturm ist auch Vorsitzender des Ökumenischen Rates der Kirchen
in Österreich. Zu seinem Nachfolger im Bischofsamt wurde am 1. Juni 2007 Oberkirchenrat Hon.-Prof. Dr. Michael
Bünker gewählt, der das Leitungsamt am 1. Jänner 2008 antreten wird. Sturm ist verheiratet und hat
drei Kinder. |