Bremen (idw) - Statt sich mit Nadel und Faden abzumühen, könnten
Chirurgen in einigen Jahren einfach zu Klebstoff greifen, um Implantate mit lebendem Gewebe zu verbinden. Beim
Innovationswettbewerb zur Förderung der Medizintechnik, den das Bundesministerium für Bildung und Forschung
seit 1999 jährlich ausschreibt, war das Bremer Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte
Materialforschung IFAM mit der Idee eines medizinischen Klebstoffs erfolgreich: Zusammen mit seinen Partnern kann
es nun mit einem Zuschuss von 300 000 Euro für ein Schlüsselexperiment rechnen.
Das Vorhaben klingt verwegen: Ein Klebstoff soll Implantate wie künstliche Herzklappen oder Gefäßprothesen
mit dem körpereigenen Gewebe verschweißen, ganz ohne belastende Naht. Mit einer UV-Lampe bestrahlt,
soll die Verbindung rasch aushärten, so dass schon 30 Sekunden später der Fremdkörper fest im Körper
des Patienten sitzt. IFAM-Chemiker Dr. Klaus Rischka ist überzeugt, dass dieses Szenario bald Wirklichkeit
wird. Bei dem preisgekrönten Projekt will das Konsortium zunächst an einem Zahnimplantat aus Titan die
Tauglichkeit des Klebstoffs demonstrieren. An dem Forschungsvorhaben beteiligt sind außerdem Prof. Dr. Dr.
Robert Sader als Projektkoordinator von den Frankfurter Universitätskliniken, Dr. Hendrik Bargel vom Biotechnikzentrum
der TU Darmstadt, die Staatliche Materialprüfungsanstalt (MPA) sowie Dr. Marco Wieland vom Freiburger Implantate-Hersteller
Straumann.
Zahnimplantate werden bisher ohne Klebstoff im Kieferknochen verankert. Das führt immer wieder dazu, dass
zwischen Zahnfleisch und Metall Hohlräume bleiben, durch die Bakterien eindringen und Entzündungen verursachen
können. Ein Klebstoff, der das Zahnfleisch fest mit dem Implantat verbindet, wäre eine Barriere gegen
die aggressiven Keime. Herkömmliche Produkte eignen sich allerdings nicht dafür, denn sie lösen
sich im feuchten Milieu über kurz oder lang auf. Bestes Beispiel dafür ist die geklebte Tasse, die nach
einigen Reinigungsgängen in der Spülmaschine wieder in Scherben zerfällt. Deshalb haben sich die
Fraunhofer-Experten in der Natur umgeschaut und bei den Miesmuscheln eine patente Lösung gefunden.
Die Meeresbewohner sind den Chemikern einen großen Schritt voraus. Im Laufe der Evolution haben sie einen
Kleber entwickelt, der nicht nur unter Wasser funktioniert, sondern auch besonders fest und dauerhaft kittet. Miesmuscheln
haften an jeder denkbaren Oberfläche, ob an porösem Gestein oder am glatten Schiffsrumpf. Auf Metall
sitzen sie besonders fest und lassen sich selbst von Teflon kaum noch entfernen, auf dem sonst kaum etwas hält.
Für die starke Verbindung sorgt ein Protein. IFAM-Chemiker können die entscheidenden Teile der Substanz
synthetisch herstellen. Sie haben daraus bereits zusammen mit der europäischen Raumfahrtagentur ESA einen
Klebstoff entwickelt, der in der bemannten Raumfahrt für alltägliche Reparaturen eingesetzt werden soll.
Um auch in der Medizin helfen zu können, ist eine weitere Zutat nötig: ein Wachstumsprotein, das sich
ebenfalls synthetisch mit der klassischen Technik der Festphasenpeptidsynthese herstellen lässt. Es soll das
Wachstum fördern, damit sich das körpereigene Gewebe - in diesem Fall das Zahnfleisch - besonders eng
an das Implantat bindet. Als dritte Komponente kommt ein klassisches Polymer als Trägersubstanz hinzu.
In den kommenden zwei Jahren wollen die beteiligten Chemiker, Mediziner und Techniker die Grundlagen für den
praktischen Einsatz schaffen. Es geht darum, einen optimalen Klebstoff herzustellen und dessen Wirksamkeit und
Verträglichkeit an Zellkulturen nachzuweisen. Wenn das gelingt, kann ein Folgeprojekt mit Tierversuchen starten.
Bis der Klebstoff beim Menschen zum Einsatz kommt, können nach Ansicht von Rischka noch fünf bis zehn
Jahre vergehen. |