Freiburg (idw) - Um Ausgangsstoffe für pharmazeutische Wirkstoffe herzustellen, werden in der modernen
Biotechnologie lebende Zellen als kleine Fabriken eingesetzt. Leider liefern die Zellen die gewünschten Stoffe
nicht immer in der geforderten Reinheit: Zellstress ist hierbei die Ursache, dass unerwünschte Nebenprodukte
gebildet werden. Der Forschergruppe um Martin Bertau vom Institut für Technische Chemie der TU Bergakademie
Freiberg gelang zusammen mit Kollegen der TU Dresden nun eine Lösung dieses Problems. Die Zugabe von Coffein
schaltet gezielt stressgeschädigte Zellen aus.
Die Natur als chemische Fabrik nutzen. Dies ist das Ziel der "weißen" Biotechnologie. Anwendung
findet dieser Ansatz unter anderem bei der Herstellung von Vorstufen für Medikamente. Hierbei setzen Chemiker
lebende Mikroorganismen ein, deren Enzyme sie gezielt zur Erzeugung von Vorstufen für Pharmawirkstoffe nutzen.
"Einer dieser Organismen ist die Bäckerhefe. Ihre Enzyme arbeiten wie in einem Großraumbüro
zusammen", erklärt Martin Bertau vom Institut für Technische Chemie der TU Bergakademie Freiberg.
"Die Prozesse sind genau aufeinander abgestimmt, so dass sie sich nicht gegenseitig behindern. Regen wir nun
ein Enzym an, für uns einen Stoff zu erzeugen und damit eine zusätzliche Aufgabe zu übernehmen,
wird der gesamte Ablauf in der Zelle gestört. Dies kann zu so genanntem Zellstress führen. Dadurch erzeugt
die Zelle auch Stoffe, die das Endprodukt verunreinigen."
Wollte man bisher die von der Zelle gebildete chemische Verbindung weiterverarbeiten, mussten die nicht gewünschten
Bestandteile mit hohem Aufwand abgetrennt werden. Denn an Ausgangsstoffe für Medikamente werden hohe Anforderungen
an die Reinheit gestellt. In einem dreijährigen Forschungsprojekt konnten die Wissenschaftler um Martin Bertau
nun zeigen, wie sich die Produktion unerwünschter Stoffe bereits in der Zelle unterbinden läßt.
Die Zugabe von Coffein brachte die Lösung. Es verhindert, dass stark stressgeschädigte Zellen in den
Produktionsprozess eingreifen, indem diese dazu veranlasst werden, den programmierten Zelltod einzuleiten. Ihr
neuartiges Verfahren haben sich die Freiberger Wissenschaftler patentieren lassen. Erste Industriepartner interessieren
sich bereits für dessen Umsetzung.
Diese Ergebnisse sind auch von großer Bedeutung für die Aufnahme von Medikamenten im menschlichen Darm.
Welche Auswirkungen eine einfache Tasse Kaffee auf die dort vorkommenden Mikroorganismen hat, untersucht die Arbeitsgruppe
daran anknüpfend im Rahmen eines europäischen Exzellenznetzwerkes (BioSim). |