Gusenbauer:
Barroso stellt Aussetzung des Verfahrens in Aussicht
Laut Verfassungsdienst gleichbedeutend mit Beendigung des Verfahrens - Problem kann einer
endgültigen Lösung zugeführt werden
Wien (sk) - Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hat am Abend des 16.10. ein Schreiben von EU-Kommissionspräsident
Barroso erhalten, in dem Barroso in Aussicht nimmt, in den kommenden Wochen der Kommission einen Entscheidungsentwurf
vorzulegen, der das Verfahren gegen Österreich in der Frage der Uni-Quotenregelung für eine Frist von
fünf Jahren aussetzen wird. Das teilte Gusenbauer am Mittwoch in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenministerin
Plassnik im Vorfeld des informellen EU-Gipfels in Lissabon mit. In diesen fünf Jahren bestehe die Zeit, die
betreffenden Daten zusammenzutragen und entweder nach oder vor Ablauf dieser Frist dann eine endgültige Entscheidung
treffen zu können.
Er habe dieses Schreiben auch gleich dem Verfassungsdienst zur Prüfung übergeben, informierte der Bundeskanzler.
Dieser komme zur Auffassung, dass die Suspendierung des Verfahrens unmittelbar dieselben Effekte auslöst wie
eine Beendigung des Verfahrens. "Es ist wesentlich, dass in diesem Schreiben Barrosos zum ersten Mal die österreichische
Argumentation zur Kenntnis genommen wird", hielt Gusenbauer fest. So schreibe Barroso, dass in Österreich
beim Zugang zu Lehrveranstaltungen der Hochschulen "eine gewisse Unausgewogenheit bestehen könnte, die
dazu führen könnte, dass Österreich seinen Verpflichtungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit
nicht mehr nachkommen kann". Das sei auch das zentrale Argument, das Österreich vorgebracht habe und
das nun erstmals vom Kommissionspräsidenten zur Kenntnis genommen wird.
Die Suspendierungsphase von fünf Jahren habe auch noch den Vorteil, dass bei einem Vorabentscheidungsverfahren
vor dem EuGH die Kommission Österreich unterstützen würde, weil die Kommission selbst das von Österreich
vorgebrachte Argument, es drohe eine Störung der öffentlichen Gesundheitsversorgung, akzeptiert. "Dies
ist insofern ein wesentlicher Vorzug, weil wir damit zumindest für fünf Jahre Rechtssicherheit haben."
Zum zweiten sei damit klar: Sollte es eine neue EU-Kommission geben - was ab 2010 auch der Fall sein wird -, dann
wird sich diese über die fünfjährige Suspendierungsphase nicht hinwegsetzen können. "das
heißt, diese fünf Jahre gibt es auf jeden Fall, und in diesen fünf Jahren haben wir Zeit, ausreichend
die Fakten zu dokumentieren, und damit kann es zu einer endgültigen Lösungen kommen."
"Es ist wichtig, dass der Präsident der EU-Kommission unser Problem erkannt, gesehen und damit bestätigt
hat", betonte Gusenbauer. Zum zweiten wurde hier ein Schritt gesetzt, der dieses Problem einer endgültigen
Lösung zuführen kann. Er habe auch vor, bei der EU-Ratstagung über dieses Problem zu berichten,
erklärte der Kanzler. Er wolle darauf hinweisen, dass dieses Problem in Österreich besteht und dass der
Kommissionspräsident hier einen Schritt gesetzt hat. Es wäre auch vernünftig, dass dieser Schritt
von Barroso bei der Tagung bestätigt wird, sodass auch auf der Ebene des europäischen Rates offiziell
festgehalten wird, wie ein Ausweg aus dieser Situation möglich erscheint. Gusenbauer unterstrich zudem auch,
dass es nie eine Veto-Drohung von Österreich gegeben habe. "Ich halte das auch für keine richtige
Politik", machte der Kanzler klar.
Er habe bereits beim Rat im Juni diese Frage angesprochen, weil sie natürlich eine ganz wesentliche Frage
für Österreich darstellt, so Gusenbauer. "Unsere Befürchtungen gehen in die Richtung, dass
wenn wir diese Regelung nicht beibehalten können, wir einen immer größeren Anteil von Studenten
in Österreich haben, die hier Medizin studieren und danach nicht in Österreich als Ärzte arbeiten,
sondern in der Bundsrepublik Deutschland, und dass dadurch früher oder später ein ganz massiver Ärztemangel
entstehen könnte."
Die Zukunft, über die hier gesprochen werde, sei gar nicht so weit entfernt: Wenn man sich die Geburtsdaten
der Ärzte ansehe, sei mit einer größeren Pensionierungswelle ab dem Jahr 2015 zu rechnen. "Das
heißt, schon ab dem Jahr 2014/2015 könnte in Österreich ein Ärztemangel drohen, wenn wir nicht
imstande sind, die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte auszubilden, die wir für die Aufrechterhaltung
des Gesundheitssystems brauchen", machte der Bundeskanzler deutlich. |
Plassnik: "Brauchen eine dauerhafte Lösung zum Uni-Zugang"
Außenministerin bei EU-Ratstagung der EU-Außenminister
Luxemburg (bmeia) - "Ich werde heute in Absprache mit dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler und
dem Wissenschaftsminister neuerlich die Frage des Hochschulzugangs in Österreich ansprechen und mit Nachdruck
um Verständnis für unser Anliegen werben", erklärte Außenministerin Ursula Plassnik am
17.10. im Vorfeld der Tagung der Regierungskonferenz auf Außenministerebene, in der die Verhandlungen zum
EU-Reformvertrag vorangetrieben werden sollen.
"Wir arbeiten seit zwei Jahren mit Hochdruck und in intensiven Gesprächen mit der Europäischen Kommission
an einer Lösung. Die Zeit für eine Einigung ist gekommen. Wir wollen und brauchen eine dauerhafte Lösung
- und zwar jetzt", stellte Plassnik klar.
Die Ministerin verwies darauf, dass die Organisation des Hochschulwesens und der Zugang zu Hochschulen in die nationale
Kompetenz und nicht in die EU-Kompetenz fallen. "Wir brauchen Klarheit und Rechtssicherheit an dieser Schnittstelle
zwischen europäischer und nationaler Zuständigkeit."
Plassnik zeigte sich am Beginn der Intensivphase der Verhandlungen zuversichtlich, dass die EU beim kommenden Gipfel
eine Einigung zum EU-Reformvertrag erzielen werde. "Heute werden wir versuchen, möglichst viele der letzten
Hürden aus dem Weg zu räumen. Wir wollen Ende dieser Woche einen unterschriftsreifen EU-Vertrag. Wir
werden konsequent Kurs halten. Unser gemeinsames Ziel ist und bleibt, eine zukunftsfeste Betriebsanleitung für
die Europäische Union bis zu den Europawahlen 2009 unter Dach und Fach zu haben", unterstrich die Ministerin. |
Grünewald: Gusenbauer hat wohl den Mund zu voll genommen
Viele Köche verderben den Brei
Wien (grüne) - "Bundeskanzler Gusenbauer hat, wie es scheint, in der Causa Uni-Zugang wohl
wieder einmal den Mund zu voll genommen als er von einer Lösung noch vor dem kommenden EU-Rat geträumt
hat", kommentiert Kurt Grünewald, Wissenschaftssprecher der Grünen. Die EU-Kommission erklärte
heute, dass es erst in einigen Wochen zu einer Entscheidung kommen werde. Österreichs Regierung hat sich ja
in den letzten Tagen nicht gerade mit Ruhm bekleckert, was die interne Abstimmung ihrer Position betrifft. Angefangen
vom Bundeskanzler über die Außenministerin bis hin zu Wissenschaftsminister Hahn wurden sehr unterschiedliche
Positionen vertreten. "Viele Köche verderben bekanntlich den Brei, auslöffeln müssen diesen
aber Österreichs Studierende", kritisiert Grünewald. |
Darmann: "Gusenbauers Agieren bringt Uni-Quotenregelung in Gefahr"
Es ist aber trotzdem zu hoffen, daß die EU noch zur Einsicht kommt
Wien (bzö) - "Das voreilige öffentliche Vorpreschen von Bundeskanzler Gusenbauer und das von
ihm gesetzte Ultimatum an die EU-Kommission am 12. Oktober (Die Kommission habe bis Donnerstag das Vertragsverletzungsverfahren
gegen Österreich einzustellen, sonst werde er, Gusenbauer, den EU-Gipfel kommende Woche damit befassen) könnte
eine optimale Regelung hinsichtlich der Quoten für das Medizinstudium in Gefahr bringen. Man kann nur hoffen,
daß dadurch nicht das ganze konstruktive Bemühen aller parlamentarischen Wissenschaftssprecher und des
Wissenschaftsministeriums durch diesen unnötigen Schnellschuß des Kanzlers vom letzten Freitag zerstört
wurde", stellte BZÖ-Wissenschaftssprecher Abg. Gernot Darmann zur Entscheidung der EU-Kommission fest.
"Wieder einmal haben sich Gusenbauers vorschnelle Ankündigungen in Luft aufgelöst. Durch diese Sprücheklopferei
könnte Gusenbauer mögliche Verbündete in der EU verschreckt haben. Es ist aber trotzdem zu hoffen,
daß die EU noch zur Einsicht kommt und im Sinne des österreichischen Studiensystems unsere Ärzteausbildung
für die Zukunft sicherstellt", sagte Darmann. |