Neue Studien des Landesarchivs beleuchten NS-Justiz und Konzentrationslager in Oberösterreich
Linz (lk) - "Oberösterreich blendet dunkle Kapitel seiner Landesgeschichte nicht aus, sondern
arbeitet sie konsequent auf!" Das betont Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer anlässlich der Präsentation
der beiden neuesten Bände der Forschungsreihe "Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
des OÖ. Landesarchivs am 16.10. im Oberlandesgericht Linz. "Mit den beiden Arbeiten 'Justiz in Oberdonau'
und 'Konzentrationslager in Oberösterreich 1938-1945' wird in unserem Bundesland ein neues Kapitel in der
Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit geöffnet", so der Landeshauptmann.
Zeitgeschichtliches Großprojekt
Nach einem Beschluss des Oö. Landtages wurde das Oberösterreichische Landesarchiv vor rund fünf
Jahren von Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer mit der Planung, Organisation und Durchführung eines zeitgeschichtlichen
Großprojektes beauftragt. Unter dem Titel "Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
wird - erstmals im deutschen Sprachraum - das Leben in der NS-Zeit auf der Ebene eines Bundeslandes mit breiter
Themenstreuung und Forschungstiefe wissenschaftlich bearbeitet und dargestellt. "Damit soll bis 2008 ein
Großteil der bestehenden Forschungslücken geschlossen werden und eine neue Qualität der Auseinandersetzung
Oberösterreichs mit der Zeit des Nationalsozialismus erreicht werden", erklärt Archivdirektor Gerhart
Marckhgott.
Justiz In Oberdonau
Winfried Garscha und Franz Scharf haben im Rahmen dieses Projektes die Rolle der NS-Justiz in unserem Bundesland
untersucht. Der Gerichtsalltag in Oberösterreich war in der NS-Zeit von der gleichzeitigen Anwendung deutschen
und österreichischen Rechtes geprägt. Die Grundlage bildete sowohl im Straf- als auch im Zivilrecht die
Ideologie der Volksgemeinschaft, die politische und "rassische" Gegner ausschloss. Vor diesem Hintergrund
werden neunzig Fallbeispiele aus dem Bereich der Strafjustiz vorgestellt - in erster Linie Vermögensdelikte,
Verstöße gegen kriegswirtschaftliche Regulierungsbestimmungen und die Arbeitsdisziplin, aber auch Fälle
des verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen. Dabei werden auch die dem Gau Oberdonau angeschlossenen südböhmischen
Gerichtsbezirke berücksichtigt.
Auch grundsätzliche Aspekte nationalsozialistischer Justiz werden im Buch von Garscha und Scharf behandelt.
So wird etwa gezeigt, wie die Konstruktion von Tätertypen wie dem "Volksschädling" oder dem
"jugendlichen Gewaltverbrecher" aus Bagatelldelikten todeswürdige Verbrechen machte.
Das KZ-System Mauthausen
Die bekannten Zeitgeschichtsforscher Florian Freund und Bertrand Perz haben sich in ihrer Arbeit dem Thema
"Konzentrationslager in Oberösterreich 1938 - 1945" gewidmet. Von allen österreichischen Bundesländern
war Oberösterreich am engsten mit dem nationalsozialistischen Konzentrationslagersystem verbunden. Im Reichsgau
Oberdonau entstanden die größten Lager auf österreichischem Gebiet - Mauthausen und unweit davon
Gusen - die bis Kriegsmitte vor allem als Tötungslager fungierten. Einschließlich Linz III, Ebensee
und Gunskirchen befanden sich fünf der sechs Lager mit mehr als 5.000 Häftlingen in Oberdonau. Ab 1941
wurden hier insgesamt 15 Außenlager des KZ Mauthausen errichtet. Die neue Studie gibt nicht nur einen Überblick
über die Geschichte der Konzentrationslager Mauthausen und Gusen, sondern stellt auch die weiteren auf dem
Gebiet des heutigen Oberösterreich gelegenen Außenlager dar: Lager für Zwecke der SS, Lager für
staatsnahe Grundstoff- und Rüstungsfirmen, Lager für den Kraftwerksbau an der Enns, Lager für unterirdische
Rüstungsfirmen oder zum Bau von Luftschutzstollen, und schließlich auch Lager für die Richtung
Westen getriebenen ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.
Die beiden Bücher "Justiz in Oberdonau" und "Konzentrationslager in Oberösterreich 1938-1945"
sind ab sofort im Buchhandel oder direkt beim OÖ. Landesarchiv (Tel. (+43 732) 77 20-146 01 bzw. EMail: landesarchiv@ooe.gv.at)
- zum Preis von 35 bzw. 25 Euro erhältlich. |