Rekordinvestitionen im ersten Halbjahr 2007  

erstellt am
16. 10. 07

Banken spielen eine wachsende Rolle bei Direktinvestitionen
Wien (oenb) - Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz der Oesterreichischen Nationalbank und der UNCTAD wurde der jüngste World Investment Report in Wien präsentiert. Gleichzeitig stellte Dr. Aurel Schubert, Direktor der zuständigen Hauptabteilung Statistik, auch die aktuelle Ausgabe der jährlich erscheinenden Publikation der OeNB zu den Direktinvestitionen vor. Zum Jahreswechsel 2005/2006 hatten österreichische Investoren 55,5 Mrd Euro in strategischen Firmenbeteiligungen veranlagt, während der Wert ausländischer Beteiligungen in Österreich 58,9 Mrd Euro betrug.

Setzt man die Direktinvestitionen in ein Verhältnis zum BIP, ergibt sich ein Wert von 22,6% an aktiven und 24,0% an passiven Direktinvestitionen. Damit liegt Österreich de facto am weltweiten Durchschnitt von 23%. Allerdings muss man bei solchen inter­nationalen Vergleichen sehr vorsichtig sein: Multinationale Konzerne gehen in verstärktem Maße dazu über, Holdinggesellschaften zu errichten, die keine andere Funk­tion haben, als Kapital weiterzuleiten, was in den bevorzugten Sitzländern dieser „Special Purpose Entities“ zu außerordentlich hohen Direktinvestitionen führen kann. In Öster­reich sind solche „Special Purpose Entities“ mit einem Betrag von 60 Mrd Euro 2005 erstmals massiv in Erscheinung getreten. Ihre Einbeziehung in die Statistik würde die Quote auf beiden Seiten um beinahe 25%-Punkte in die Höhe treiben.

Besonders hob Direktor Schubert die dynamische Ertragsentwicklung der Direktinvesti­tionen hervor: Die Gewinne der Auslandstöchter in österreichischem Besitz stiegen 2005 um 22% und erreichten damit 5,2 Mrd Euro (+1 Mrd Euro). Da die Erträge der auslän­disch beeinflussten Unternehmen in Österreich sogar um 2,5 Mrd Euro auf 6,6 Mrd Euro zulegen konnten, ergab sich für das Berichtsjahr ein Nettoabfluss aus Direktinvestitions­erträgen. Für die Zukunft könne man bezüglich der Entwicklung der Auslandserträge weiterhin zuversichtlich sein, meinte Dr. Schubert.

In der Folge ging Direktor Schubert auf die herausragende Rolle des Finanzsektors für Österreichs Direktinvestitionen – vor allem in Mittel- und Osteuropa - ein: Zwar könne man angesichts der Datenlage nicht sagen, dass Banken die andern Investoren nachgezo­gen hätten, sie haben aber rasch auf das „Go East“ ihrer heimischen Kunden reagiert. Heute gibt es eine positive Feed-back-Schleife: „Heimische Bankentöchter profitieren von der Expansion der österreichischen Unternehmen nach Osten, während diese sich auf die von zu Hause gewohnte Zuverlässigkeit ihres Bankpartners verlassen können“, sagte Direktor Schubert. Der Finanzsektor dominierte auch die Direktinvestitionen des ersten Halbjahres 2007, auf die Direktor Schubert zuletzt einging.

Die strategischen Investitionen inländischer Investoren in ausländische Unternehmen, also die aktiven Direktinvestitionen, erreichten in den ersten sechs Monaten 2007 einen Wert von 14,0 Mrd Euro. Damit übertrifft das erste Semester 2007 sämtliche vorange­gangene Kalenderjahre. Davon entfielen 12,6 Mrd Euro auf den Eigenkapitalerwerb und 1,8 Mrd Euro auf reinvestierte Gewinne, während die konzerninternen Forderungen um 0,4 Mrd Euro zurückgingen.

Die vier wichtigsten Investitionsziele waren Kroatien, die Türkei, Russland und Bulgarien mit einem Investitionsvolumen von zusammen 10,7 Mrd Euro; das sind nicht zufällig ge­rade jene Länder, in denen die Bank Austria auf Grund konzerninterner Vereinbarungen ihre Aktivitäten ausweiten konnte. Zusammen mit kleineren neuen Beteiligungen im Bal­tikum, in Südosteuropa sowie in der Tschechischen und der Slowakischen Republik erhöhte die Bank Austria – laut eigenen Angaben – die Bilanzsumme ihres Ostgeschäft von 40 auf 70 Mrd Euro. Auch der übrige Finanzsektor, repräsentiert etwa durch Erste Bank, Raiffeisen, Volksbanken, aber auch durch Versicherungen, hat im abgelaufenen Halbjahr umfangreiche Auslandsinvestitionen getätigt. Die Ausweitung der Direktinves­titionen in Ungarn hat vor allem mit dem Kauf von Anteilen der ungarischen MOL durch die OMV zu tun, deren Anteil die Direktinvestitionsschwelle von 10 Prozent nun bereits deutlich überschritten hat.

Neben einzelnen Milliardeninvestitionen zeigt die Statistik eine große Zahl weniger spektakulärer Auslandsinvestitionen. Diese sind für die Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft aber ebenfalls von großer Bedeutung. So verzeichnete die OeNB im ersten Semester 2007 immerhin 75 Investitionen jenseits der Schwelle von 10 Mio Euro und beinahe 200 Investitionen von mehr als 1 Mio Euro.

Ausländische Unternehmenseigner investierten im ersten Semester 2007 netto 12,0 Mrd Euro in ihre österreichischen Beteiligungen, womit die passiven Direktinvesti­tionen etwas hinter den aktiven zurückblieben. Aber auch hier übertrifft der Halbjahreswert alle vorangegangenen Kalenderjahre. Bemerkenswert ist die Finanzie­rungsstruktur, die ausnahmsweise Kredite als die wichtigste Finanzierungsquelle ausweist (11,2 Mrd Euro). Die vorläufigen Schätzungen für die reinvestierten Gewinne ergeben einen Wertzuwachs von 2,4 Mrd Euro. Zurückgegangen ist das ausländische Eigenkapital angesichts von Desinvestitionen von 15,2 Mrd Euro im Vergleich zu Neuinvestitionen von 13,6 Mrd. Euro.

Das wichtigste Herkunftsland von Direktinvestitionen im ersten Halbjahr 2007 war Italien mit 9,1 Mrd Euro. Dies reflektiert unter anderem die Tatsache, dass die Unicredit im Gegenzug für die Übertragung des gesamten Ostgeschäfts (außer Polen und Ukraine) 55 Mio junge Aktien der Bank Austria erhalten hat. Gegenüber Deutschland verzeichnet die aktuelle Direktinvestitionsstatistik ein Minus von 11,4 Mrd Euro, was vor allem den Rückzug der HypoVereinsbank widerspiegelt. Der Bestand deutscher Direktinvestitionen in Österreich, der sich zum Jahresende 2005 auf 22,5 Mrd Euro belief, dürfte in der Folge erheblich schrumpfen, wenngleich der Rückgang wegen der Bewertung des Be­standes zu Buchpreisen deutlich niedriger ausfallen dürfte. Dem Ausstieg der deutschen Mutter steht auf der anderen Seite eine größere Zahl von Kreditfinanzierungen aus unter­schiedlichen Ländern in ähnlichem Volumen gegenüber, die als „konzerninterne Finanzierung“ zu den Direktinvestitionen zählen. Die zweite große Transaktion, die im Halbjahresergebnis 2007 enthalten ist, ist der Verkauf der BAWAG an den US-Fonds Cerberus. Andere in den Medien kolportierte Großinvestitionen, wie etwa jene des russi­schen Investors Deripaska, haben in der Statistik noch keinen Niederschlag gefunden.

Technische Anmerkung: „Special Purpose Entities (SPEs)“ sind Holdinggesellschaften, die unter ausländischer Kontrolle stehen, im Inland keine oder zumindest keine nennenswerte wirtschaftliche Aktivität entfalten, gleichzeitig aber Eigentümer erheblicher ausländischer Unternehmenswerte sind. Solche Gesellschaften stellen nach den geltenden Definitionen gleichzeitig aktive und passive Direktinvestitionen dar. Aus Sicht vieler Datennutzer führen solche Holdinggesellschaften aber zu „Doppel- und Mehrfachzählungen“ von Direktinvesti­tionen. Als Lösung dieses Dilemmas wird seitens internationaler Organisationen die parallele Publikation von Statistiken vorgeschlagen, die „Special Purpose Entities“ ausschließen. Im Jahr 2005 sind nun auch in Österreich erstmals SPEs in einer Größenordnung aufgetreten, die es notwendig machen, in Zukunft Direktinvestitionen “im weiteren Sinne“ (d. h. ein­schließlich SPEs und Grundstücke) von Direktinvestitionen „im engeren Sinne“, also Beteiligungen von/an Unternehmen, die die zumindest Managementfunktionen wahrnehmen, zu unterscheiden.
 
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