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Bundespräsident Dr. Heinz Fischer |
erstellt am |
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Guten Abend meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 26. Oktober ist seit vielen Jahren der österreichische Nationalfeiertag. Der Sinn unseres Nationalfeiertages liegt vor allem darin, an historische Ereignisse in der jüngeren Geschichte unseres Landes zu erinnern, nämlich an die Erlangung unserer vollen Freiheit und Unabhängigkeit, an den Abzug aller ausländischen Besatzungssoldaten und an die Beschlussfassung über die österreichische Neutralität vor nunmehr 52 Jahren. Der Nationalfeiertag ist aber auch ein Tag, an dem wir unsere Verbundenheit mit Österreich besonders zum Ausdruck bringen, unsere Verbundenheit mit allen Menschen, die in diesem Land leben und arbeiten und an dem wir rot-weiß-rote-Gemeinsamkeiten in den Vordergrund rücken. Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Wenn ich heute die Lebensbedingungen rund um den Erdball betrachte, dann komme ich in aller Bescheidenheit zu der Überzeugung, dass wir uns glücklich schätzen können in Österreich zu leben. Das heißt nicht, dass wir in einer perfekten Gesellschaft leben. Keineswegs. Auch bei uns gibt es ungelöste Probleme, Armut, Ungerechtigkeiten in der Verteilung von Lebenschancen, etc. Aber den realen Vergleich mit anderen Ländern und Regionen haben wir nicht zu scheuen. Und weil Österreich heute zu den reichsten Ländern Europas zählt, haben wir auch eine besondere Verantwortung für sozial Schwache, für Menschen, die Hilfe brauchen, für Flüchtlinge, für Nachbarn in Not etc. Dieser Verantwortung dürfen wir uns nicht entziehen. Manche unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger machen sich in diesen Tagen Sorgen, ob die Mitgliedschaft in der Europäischen Union unsere österreichische Identität aushöhlen, unsere Wirtschaftskraft schwächen oder unsere Demokratie schädigen könnte. Diese Fragen kann ich mit guten Argumenten verneinen. Dabei habe ich durchaus Verständnis für Kritik an manchen Entwicklungen in der EU. Aber das Besondere und historisch Einzigartige ist ja, dass dieser europäische Integrationsprozess vollkommen friedlich verläuft und dabei die Identität der einzelnen Mitgliedsstaaten nicht verloren geht: Die Franzosen bleiben Franzosen, die Engländer bleiben Engländer, die Schweden bleiben Schweden und die Österreicher bleiben Österreicher. Auch die Demokratie bleibt das Grundmodell der politischen Systeme in Österreich und in Europa. Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen: Noch nie in der Geschichte Europas hat es zwischen Irland und Bulgarien, zwischen Finnland und Portugal, zwischen Westen und Osten soviel Demokratie gegeben wie heute. Nicht zuletzt bin ich überzeugt, dass unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Union auch einen wichtigen Beitrag zu unserer Sicherheit leistet. Österreich ist heute vor allem von Nachbarstaaten umgeben, die ebenfalls der EU angehören und mit denen wir in Frieden leben. Sie haben von uns nichts zu fürchten und wir haben von ihnen nichts zu fürchten. Dennoch gibt es in der Welt von heute keine Inseln der Seligen. Wir dürfen Konfliktherde und Gefahrenpotentiale nicht aus den Augen verlieren. Es gibt leider de facto Krieg im Irak, ungelöste Probleme im Nahen Osten, Spannungen auch in vielen anderen Regionen der Welt und nicht zuletzt das schreckliche Phänomen des Terrorismus. Wir nehmen das ganz und gar nicht auf die leichte Schulter und versuchen - gemeinsam mit anderen Staaten - Beiträge zu leisten um Konflikte zu entschärfen, um die eigentlichen Wurzeln für Konflikte zu beseitigen und nach besten Kräften zu verhindern, dass terroristische Aktivitäten in Österreich zu einer konkreten Bedrohung werden. Auch da ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten der EU - unter Wahrung unserer Grund- und Freiheitsrechte - wichtig und wertvoll. Meine Damen und Herren! Der Europäische Reformvertrag, über den in der vergangenen Woche in Lissabon zwischen allen 27 EU-Staaten Einvernehmen erzielt werden konnte - was ganz und gar nicht leicht war -, wird die Strukturen der Europäischen Union in vielen Punkten weiter verbessern. Er wird wichtige Anliegen Österreichs erfüllen. Und das Verfassungsgesetz über die österreichische Neutralität bleibt durch diesen EU-Vertrag unberührt, was mir ein besonderes Anliegen ist. Auch in Zukunft wird uns niemand zwingen können uns an Kriegen zu beteiligen. Ein Inkrafttreten des Reformvertrages im Jahr 2009 wird Vorteile für Österreich und Vorteile für Europa bringen. Und ein Scheitern dieses Vertrages würde Österreich schaden und Europa schaden. Davon bin ich fest überzeugt. Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ich möchte diese Ausführungen an unserem Nationalfeiertag nicht abschließen ohne zu sagen, dass ich zuversichtlich für die Zukunft unseres Landes bin. Und ich bedanke mich bei Ihnen allen für die Leistungen, die Sie tagtäglich für Österreich erbringen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Quelle: Präsidentschaftskanzlei, Hofburg Lesen Sie hier weitere Beiträge über den 26. Oktober 2007 |
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