Außenpolitischer Bericht 2006 liegt dem Parlament vor
Wien (pk) - Das erste Halbjahr 2006 stand ganz im Zeichen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft
innerhalb derer man sich vorrangig darum bemühte, mehr Vertrauen, Klarheit und Schwung in das europäische
Projekt zu bringen, so Außenministerin Ursula Plassnik im Vorwort des "Jahrbuchs der Österreichischen
Außenpolitik 2006", das nun dem Hohen Haus vorliegt. Mit der Konferenzveranstaltung "The Sound
of Europe", die im Jänner in Salzburg stattfand, und "Europa fängt zu Hause an" sei es
gelungen, gezielt Impulse in der europäischen Zukunftsdebatte zu setzen.
Die Balkanstaaten – insbesondere jene des Westbalkans – konnten im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft
näher an Europa herangeführt werden. Der Abschluss des Stabilisierungs- und Assoziationsabkommens mit
Albanien und die Aufnahme von Verhandlungen zu einem solchen mit Bosnien und Herzegowina könnten als konkrete
Schritte auf diesem Weg ausgewiesen werden, so Plassnik.
Dem Dialog der Religionen und Kulturen konnte nicht zuletzt mittels Intervention im so genannten Karikaturenstreit
Rechnung getragen werden. Gestützt auf eine europäische Wertebasis und Österreichs gute Kontakte
zur muslimischen Welt wurde eine glaubwürdige Vermittlung erzielt.
Entsprechend der großen Bandbreite der EU-Außenbeziehungen fanden im ersten Halbjahr 2006 zahlreiche
Drittstaatentreffen statt, eine große Zahl hiervon in Österreich. Insgesamt konnten unter österreichischem
Vorsitz 200 solcher Konferenzen verzeichnet werden, als Höhepunkte unter ihnen werden der EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel
im Mai und der EU-USA-Gipfel im Juni ausgewiesen.
Als starker und verlässlicher Partner der Vereinten Nationen bewerbe sich Österreich für einen nichtständigen
Sitz im VN-Sicherheitsrat in den Jahren 2009-2010. Die in Wien angesiedelten Einheiten der VN hätten auch
2006 weiter an Bedeutung gewonnen und seien als wichtiger Anknüpfungspunkt für eine engere Vernetzung
zwischen VN und EU zu betrachten, so die Außenministerin.
Plassnik würdigte des Weiteren den aufopfernden Einsatz von 2.500 ÖsterreicherInnen im Rahmen internationaler
Friedenseinsätze. Österreich ist derzeit mit bis zu 600 SoldatInnen im Kosovo und weiteren 387 auf den
Golanhöhen vertreten.
Die Österreichische Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit sei ein tragender Pfeiler der Außenpolitik,
wobei das Dreijahresprogramm 2006-2008 als strategische Grundlage fungiere.
Plassnik resümierte, dass Österreich in all diesen Arbeitsbereichen 2006 seine Außenpolitik als
Teamarbeit – beruhend auf Verlässlichkeit und Kontinuität – fortgesetzt habe.
Österreich in der Europäischen Union
Die mit 1. Jänner 2006 übernommene Ratspräsidentschaft fiel, nach dem Scheitern der Referenden über
die Ratifizierung des Verfassungsvertrages in Frankreich und den Niederlanden, in eine schwierige Phase der europäischen
Integration. Aus diesem Grund widmete sich Österreich verstärkt Maßnahmen zum Aufbau von Vertrauen
in Europa, unter den Mitgliedsstaaten ebenso wie zwischen der Union und ihren BürgerInnen. Nach intensiven
Vorarbeiten konnte in einem informellen Treffen der AußenministerInnen in Klosterneuburg zudem Verständigung
über das weitere Vorgehen in der Frage des Verfassungsvertrags herbeigeführt werden.
Weiters kam der Europäische Rat bezüglich der EU-Erweiterung überein, dass das Tempo dieser der
Aufnahmefähigkeit der Union Rechnung tragen müsse. Zur Bewertung dieser Fähigkeit soll das von Österreich
unterstützte Instrument der "Impact Studies" herangezogen werden. Die erste Beitrittskonferenz mit
dem Bewerber Kroatien fand unter österreichischer Ratspräsidentschaft statt, der Screening-Prozess für
die Türkei nehme aufgrund der deutlichen Verlangsamung der Reformen im politischen Bereich allerdings nur
langsamen Fortgang.
Als einen der wichtigsten europapolitischen Erfolge unter der österreichischen Ratspräsidentschaft streicht
der Bericht die Erzielung des Kompromisses über die Finanzielle Vorausschau 2007-2013 hervor. Die Verankerung
der neuen Straßengebührenrichtlinie, die u.a. eine Querfinanzierung von Schieneninfrastrukturprojekten
über Mautaufschläge ermöglicht, sei als besonderes österreichisches Anliegen zu bezeichnen.
Klimaschutz, Umwelttechnologien, gentechnisch veränderte Organismen und Nachhaltigkeit standen ebenso auf
der Agenda der österreichischen Ratspräsidentschaft. Beim Treffen im März einigten sich die Staats-
und Regierungschefs zudem auf die Grundzüge einer neuen "Energiepolitik für Europa".
Im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) seien die Suche nach einer Friedenslösung
im Nahen Osten, die Lage im Irak und im Iran, der so genannte Karikaturenstreit und die Fortsetzung des Stabilisierungsprozesses
am Westbalkan als zentrale Themen zu identifizieren, so der Bericht. Für 2007 konnte eine Erhöhung des
GASP-Budgets um 56,6 Millionen Euro auf insgesamt 159,2 Millionen Euro festgelegt werden.
Mit 4. Dezember einigte sich der Rat für Justiz und Inneres auf Schaffung und Mandat einer EU-Grundrechteagentur
mit Sitz in Wien, dessen wichtigste Aufgabe es sei, EU-Institutionen und Mitgliedsstaaten bei der Schaffung und
Umsetzung von EU-Recht zu unterstützen.
Österreich in anderen europäischen Foren
Die österreichische Ratspräsidentschaft setzte sich die weitere Verbesserung der Kooperation zwischen
EU und OSZE zum Ziel. Die österreichische Initiative für eine derartige "Gemeinsame Erklärung"
wurde durch die finnische Präsidentschaft weitergeführt.
2006 feierte Österreich seine 50jährige Mitgliedschaft im Europarat. Ein Ausbau der Zusammenarbeit zwischen
Europarat und EU wird angestrebt.
Im Rahmen des Kapitels Nachbarschaftspolitik informiert der Bericht auch über die erzielten Fortschritte in
der Causa des Kernkraftwerks Temelin, die Österreich anerkenne. Dennoch sei eine Reihe von Fragen bezüglich
der nuklearen Sicherheit noch offen.
Österreichische Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit
Armutsbekämpfung, Friedenssicherung und Umweltschutz seien die wichtigsten Ziele der österreichischen
Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit (OEZA). Das für 2006 gesetzte Barcelona-Ziel von 0,33 % des Bruttonationaleinkommens
wurde mit 0,52 % deutlich übertroffen. "Gute Regierungsführung", "Menschenrechte"
sowie "Friedenssicherung und Konfliktprävention" konnten als neue OEZA-Leitlinien im April verabschiedet
werden.
Österreich beteiligte sich neben Projekten der VN auch an der groß angelegten Hilfe für die Opfer
der Seebebenkatastrophe 2004. Die Gesamtleistungen 2006 für diesbezügliche Maßnahmen betrugen 5,6
Millionen Euro. Im Zusammenhang mit dem Krieg im Libanon beschloss die Bundesregierung Ende Juli eine humanitäre
Soforthilfe in Höhe von 500.000 Euro.
Globale Zusammenarbeit – Die Vereinten Nationen
Österreich stütze seine aktive Mitgestaltung für Frieden und Sicherheit auf umfangreiche Teilnahme
an friedenssichernden Prozessen, so der Bericht. In den VN-geführten Missionen leistete Österreich 2006
den siebentgrößten Personalbeitrag und nahm insgesamt Platz 36 unter den 114 Truppenstellern ein.
Die Einrichtung eines Menschenrechtsrates mit Sitz in Genf stelle einen Neubeginn der Menschenrechtsarbeit der
VN dar, so der Bericht. Als weiterer Meilenstein sei die im Konsens angenommene "Internationale Konvention
zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen" zu bezeichnen.
Weitere Kapitel des Berichts umfassen die Internationale Abrüstung, die humanitäre Dimension in den internationalen
Beziehungen, multilaterale Wirtschaftspolitik, globale Nachhaltigkeitspolitik, Auslandskulturpolitik und den österreichischen
auswärtigen Dienst.
Im Anhang befindet sich eine Länderübersicht, die informativ sämtliche bi-, tri- und multilateralen
Kontakte auflistet. |