Baukulturreport 2006 liegt vor
Wien (pk) - Begonnen hatte alles 2004 mit einer Enquete zum Thema "Architekturpolitik und Baukultur
in Österreich" im Plenarsaal des österreichischen Nationalrates. Unter Einbindung zahlreicher Experten
aus dem In- und Ausland wurde ein Diskussionsprozess mit dem Ziel gestartet, verbesserte Rahmenbedingungen für
eine zeitgenössische Bau- und Planungskultur sowie Grundlagen für eine künftige Architekturpolitik
zur Sicherung der Lebensqualität in Österreich zu schaffen. Ausfluss der Debatten war eine Entschließung
des Nationalrates zur Erstellung eines Baukulturreports, der nun dem Hohen Haus zugeleitet wurde.
In sechs Teilheften werden hierbei die heimische Baukultur, der Ist-Zustand am Sektor Architektur und Planung,
zumal im europäischen Vergleich, beleuchtet und konkrete Schlussfolgerungen für eine zeitgemäße
Förderung der heimischen Baukultur gezogen. Die Autorinnen und Autoren des Berichts halten dabei fest, es
sei ihnen wichtig gewesen, "die Empfehlungen nicht auf individuelle ExpertInnenmeinungen, sondern auf Basis
eines breiten Konsenses aufzubauen, um damit der Politik eine profunde Entscheidungsgrundlage anbieten zu können".
Um dies zu ermöglichen, zeigt der "Baukulturreport" Perspektiven auf und formuliert konkrete Empfehlungen
und Maßnahmen, die sich nicht nur an die politischen EntscheidungsträgerInnen richten, sondern ebenso
an Ausbildungsinstitutionen und Berufsvertretungen. Überdies wird die periodische Fortführung des Baukulturreports
im Abstand von zumindest zwei Jahren empfohlen, "damit auch mittel- und längerfristige Entwicklungen
ablesbar gemacht werden können, um fundierte Grundlagen für etwaige (auch legistische) Lenkungsmaßnahmen
zu schaffen bzw. deren Auswirkungen evaluieren zu können". In diesem Sinn sehen die Autorinnen und Autoren
den Bericht als einen ersten Schritt zu einem längerfristigen Prozess, um eine nachhaltige und in der EU beispielgebende
Architekturpolitik sowie eine zukunftsträchtige und qualitätsorientierte Baukultur in Österreich
zu etablieren.
Die Beiträge im einzelnen
Insgesamt gliedert sich der Bericht in sechs Teilhefte. So beschäftigt sich ein Band primär mit der Verantwortung
im Bereich Architektur, Planen, Baukultur. Ein weiterer Teil durchleuchtet die Architekturpolitik in all ihren
Facetten. Das nächste Teilheft beschäftigt sich mit den Elementen einer gesamtheitlichen Baukultur, ein
weiteres mit den ökonomischen Aspekten der Baukultur und ein weiteres mit den Produktions- und Rahmenbedingungen
von Baukultur. Ein eigenes Heft mit Schlussfolgerungen und Empfehlungen schließt den vorliegenden Bericht
ab.
Von der Verantwortung
In einem Beitrag thematisiert Peter Holzer die Verantwortung von Bauherren für die Baukultur und plädiert
für eine intellektuelle Partnerschaft zwischen Bauherren und Planer. Zudem sei es empfehlenswert, den Personenkreis
der Akteure zu minimieren, denn auch beim Planen und Bauen gelte die Regel "viele Köche verderben den
Brei". Bernhard Hruska setzt sich mit barrierefreiem Bauen auseinander und votiert für eine gesetzliche
Verankerung der Ö-Norm B 1600. Hruska weist darauf hin, dass eine Steigerung der Baukosten in keinem Vergleich
zu den nachträglichen Sanierungs- und Folgekosten stünde. Zudem betont Hruska, dass derzeit fast ein
Viertel der Bevölkerung nicht nur im Kultur- und Wellnessbereich, sondern auch in der Arbeitswelt und beim
Wohnen behindert oder gänzlich ausgeschlossen wird.
Wolfgang Oberndorfer tritt für eine Ethik im Vergabewesen ein. Man müsse sich dessen bewusst sein, dass
es neben der Minimierung der Baukosten auch um die soziale und ökologische Verträglichkeit der Bauwerke
geht. Das Bundesvergabegesetz erfülle bereits eine wertvolle Leitfunktion, dessen Inhalte sollten auch im
Vertragswesen entsprechend Eingang finden. In einem weiteren Beitrag setzen sich Gordana Brandner und Oliver Schürer
mit Architektur-Consulting und Bauherrenberatung auseinander, Wolfgang Amann und Robert Lechner durchleuchten die
Entwicklung von der Wohnbauförderung zur Baukulturförderung und streichen dabei hervor, dass die öffentlichen
Ausgaben Österreichs für das Wohnen deutlich unter dem Durchschnitt der EU liegen, und dies, obwohl die
öffentliche Hand mehr als fast überall sonst in der Wohnungsproduktion mitmische, woraus sich umfangreiche
Lenkungseffekte ergeben. Zwar, so Amann und Lechner, habe man in den letzten Jahren u.a. hinsichtlich einer Ökologisierung
des Wohnbaus gute Ergebnisse erzielt, doch seien die Potentiale in baukultureller Hinsicht noch nicht ausgeschöpft.
Robert Wagendorfer geht in seinem Beitrag auf Landesinitiativen und Serviceeinrichtungen zur Qualitätssteigerung
des kommunalen Hochbaus ein. Die Länder beeinflussten das kommunale Baugeschehen im Rahmen ihrer behördlichen
und verwaltungsrechtlichen Zuständigkeiten sowie durch verschiedene finanzielle Förderungen. Dabei stünden
oftmals rechtliche und finanzielle Kriterien, selten aber qualitative Kriterien im Vordergrund. Aus diesem Ist-Zustand
ließe sich, so Wagendorfer, eine Reihe von Vorschlägen für eine Qualitätssteigerung im kommunalen
Hochbau ableiten, die er auch exemplarisch darstellt.
Paul Raspotnig plädiert für eine Qualitätssicherung vermittelst einer Etablierung gut ausgestatteter,
unabhängiger und fachlich versierter Gestaltungsbeiräte. Dietmar Steiner bringt sodann Vorschläge
zu einer nationalen ressortübergreifenden Koordination zur Wahrung und Verankerung einer gesamtheitlichen
Planungs- und Baukultur.
Die Rolle der Politik
Otto Kapfinger und Arno Ritter thematisieren den historischen Entwicklungsstand hinsichtlich Architekturpolitik
und Baukultur in Österreich, Robert Temel beschäftigt sich mit Architekturpolitik in Europa, dabei darauf
verweisend, dass Finnland, Schweden, Frankreich, Schottland und Holland jene Länder mit der erfolgreichsten
Architekturpolitik seien. Architekturpolitik müsse sich das Ziel setzen, die Bedingungen für die Produktion
und Nutzung der gestalteten Umwelt und somit die Lebensbedingungen für ihre BürgerInnen zu verbessern.
Max Rieder setzt sich mit Architekturförderung der öffentlichen Hand auseinander und meint, diese werde
bisher den diesbezüglichen Anforderungen nicht gerecht, weshalb hier organisatorische und qualitative Verbesserungen
anzudenken seien.
Im Beitrag von Barbara Feller geht es um Baukultur und Umweltgestaltung für junge Menschen, wobei sich Feller
dafür einsetzt, eine Akademie für Architekturvermittlung zu initiieren, wo fachspezifisches Wissen gebündelt
und der Öffentlichkeit zugänglich ist. Auch Franziska Leeb wünscht sich entsprechende Architekturvermittlung
zur Stärkung eines breiten Bewusstseins für baukulturelle Qualitäten. Harald Seiko entwickelt sodann
Strategien zu einem architekturpolitischen Dialog und stellt das Modell einer "Plattform Architektur"
am Beispiel Steiermark vor.
Nachhaltigkeit
Renate Hammers und Peter Holzers Beitrag hat die ökologische Nachhaltigkeit zum Thema. Der Mensch
mit seinen Bedürfnissen sei die zentrale formgebende Größe nachhaltiger Architektur, darüber
hinaus bestimmten die konkreten Bedingungen eines Ortes, sein spezifisches Angebot an Material- und Energieressourcen
die Gestalt der zu entwerfenden baulichen Strukturen. Unter Bedachtnahme auf diese Rahmenbedingungen könne
der Verbrauch an Energie drastisch reduziert und der dann verbleibende Energiebedarf mit effizienter Haustechnik
auf Basis erneuerbarer Energieträger gedeckt werden. Die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit durchleuchtet
Jens Dangschat, die ökonomische Nachhaltigkeit Winfried Kallinger.
Lili Licka ist es um eine qualitätsvolle Landschaftsarchitektur zu tun. Die Gestaltung der Freiräume
bedürfe einer markanten Aufwertung, landschaftliche Festlegungen seien essentielle Grundlagen für Stadtplanung
und Städtebau. Österreich bedürfe der Pflege und Erhaltung historischer Anlagen, es bedürfe
aber auch dringend Dokumente aktueller Landschaftsarchitektur.
Der Aspekt der Ökonomie
Margarete Czerny und Michael Weingärtler gehen auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der baukulturellen Qualifizierung
ein und erinnern dabei daran, dass die österreichische Bauwirtschaft eine zentrale Stellung innerhalb der
Gesamtwirtschaft einnehme und daher einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstelle. Die gesamtwirtschaftliche Funktion
des Planungssektors sowie sein kulturpolitischer Auftrag für Österreich sollten daher verstärkt
in der öffentlichen Bewusstseinsbildung verankert werden.
Der Beitrag von Veronika Ratzenböck und Andrea Lehner beschäftigt sich mit dem Stellenwert der Architekturbranche
innerhalb der Kreativwirtschaft. Anhand einzelner Länderbeispiele zeige sich, dass Architektur zwar als wesentlicher
Kernbereich der Kreativwirtschaft gelte, in den entsprechenden Förderprogrammen und –strategien jedoch noch
kaum Berücksichtigung finde. Roland Gruber und Viviane Hromas thematisieren den Zusammenhang von Tourismus
und Baukultur, Ute Woltron beleuchtet den "Imageträger Baukultur". Gerhard Nidetzky, Karin Fuhrmann
und Renate Putz orten Handlungs- und Änderungsbedarf hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Immobilieninvestments,
wovon Planer und Architekturschaffende profitieren würden. Die abschließenden Beiträge befassen
sich mit der Arbeitsmarktkomponente der Bauwirtschaft von der Lehre bis zur Hochschule. Ein umfassender Empfehlungskatalog
rundet den Bericht ab. |