Brüssel (ec.europe) - 2006 erzielte die Europäische Union mit einem
Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3 % ihre beste Wirtschaftsleistung seit dem Jahr 2000. Die Produktivität,
gemessen anhand des Anstiegs des BIP je Beschäftigten, verzeichnete in der EU der 27 ein starkes Wachstum
von 1,5 % gegenüber einer jährlichen Wachstumsrate von 1,2 % zwischen 2000 und 2005. Das Beschäftigungswachstum
in der EU der 27 beschleunigte sich um 1,6 %, während sich der durchschnittliche jährliche Anstieg im
Zeitraum 2000 bis 2005 auf 0,5 % belief. Darüber hinaus stellt die Europäische Kommission in ihrem heute
in Brüssel vorgelegten Bericht zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit fest, dass die Produktivität
2006 in der EU stärker wuchs als in den USA (1,4 %). Die Kommission hofft, dass damit ein langfristiger Trend
eingeläutet wird. Die Zuwachsraten belegen, dass es sich um eine weitreichende, sowohl länder- als auch
branchenübergreifende Entwicklung handelt.
Der für das Ressort Unternehmen und Industrie zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Günter
Verheugen, erklärte dazu: „Dies sind sehr ermutigende Ergebnisse, die zeigen, dass die Reformen für Wachstum
und Beschäftigung im Rahmen der neu ausgerichteten Lissabon-Strategie allmählich Früchte tragen.
Im Gegensatz zu den amerikanischen und den japanischen Herstellern haben die europäischen Unternehmen ihre
Position auf dem Weltmarkt halten können. Die Herausforderung besteht nun darin, unser Reformprogramm weiter
voranzutreiben. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind nach wie vor unbefriedigend, insbesondere
in der Privatwirtschaft. Hier brauchen wir ganz eindeutig eine Aufstockung.“
Im Jahr 2006 wurde der Wettbewerbsfähigkeitsbericht umgestaltet, um dem mikroökonomischen Pfeiler der
Lissabon-Strategie eine solide analytische Grundlage zu geben; dieser sieht die Förderung des technischen
Fortschritts, der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), des Wettbewerbs, der Reform der
Produktmärkte und des Ausbaus von Infrastrukturen vor.
Insgesamt gesehen verteidigen die europäischen Unternehmen ihre Positionen auf dem Weltmarkt sowohl im Dienstleistungsbereich
als auch im Verarbeitenden Gewerbe besser als ihre US-amerikanischen oder japanischen Mitbewerber. Weniger positiv
stellt sich dagegen ihre interne Leistung dar, die seit 1995 durch eine verhältnismäßig niedrige
Wachstumsrate bei der Wertschöpfung, der Arbeits- und der totalen Faktorproduktivität gekennzeichnet
ist.
Im Verarbeitenden Gewerbe kam es auf breiter Front zu Arbeitsplatzverlusten. Diese gingen häufig mit einer
deutlichen Produktivitätssteigerung einher, wodurch der Wirtschaftszweig bei der Wertschöpfung weiterhin
ein Wachstum verzeichnen konnte. Rückläufige Beschäftigungs- und Wertschöpfungszahlen wiesen
die Bereiche Lederwaren und Schuhe, Bekleidung, Textilien, Kernbrennstoffe und Tabakwaren sowie der Bergbau auf.
Abgesehen von der Schifffahrt, stehen demgegenüber alle Industriezweige mit den höchsten Wertschöpfungszuwächsen
(Nachrichtentechnik, Büromaschinen und Computer) mit den Informations- und Kommunikationstechnologien in Zusammenhang.
IKT-Investitionen zahlen sich durch hohe Produktivitätssteigerungen aus, sofern sie mit den entsprechenden
organisatorischen Veränderungen und Investitionen in die Qualifikation der Mitarbeiter einhergehen.
Am größten ist das Produktivitätsgefälle gegenüber der amerikanischen Wirtschaft bei
der Herstellung von Büromaschinen und Computern, im Groß- und Einzelhandel, im Luftverkehr und bei den
Finanzdienstleistungen.
Mikroökonomische Reformen tragen am stärksten zur Produktivitätssteigerung in der EU bei
Das Hauptaugenmerk des Berichts gilt der Produktivität, dem wichtigsten Faktor für Wettbewerbsfähigkeit
und Wohlstand auf lange Sicht. Den Hauptgrund für das Produktivitätsgefälle zwischen den Mitgliedstaaten
der EU und den USA stellt die totale Faktorproduktivität dar, d. h. der Teil des Produktivitätswachstums,
der von immateriellen Faktoren wie dem technischen Fortschritt oder organisatorischer Innovation erzeugt wird.
Daher ist es für die EU sinnvoll, jenen mikroökonomischen Reformen Vorrang zu geben, die bekanntermaßen
am meisten zur Produktivitätssteigerung beitragen. Dazu gehören
* verstärkte Investitionen in FuE, in IKT sowie allgemeine und berufliche Bildung;
* Förderung des Unternehmergeistes durch Erleichterungen bei Gründung und Aufbau eines Unternehmens
sowie Verbesserung der Rahmenbedingungen für KMU;
* stärkerer Einsatz von Verfahren zur besseren Rechtsetzung und Abbau von Bürokratie.
Ein weiterer Schlüsselfaktor für wirtschaftliche Effizienz ist der Wettbewerb, sei es durch Öffnung
des Handels, Stärkung des Binnenmarktes oder durch Produktmarktreformen. So würde die Beseitigung der
im Binnenmarkt bestehenden Handelshemmnisse das BIP der EU-25 um 2,2 % ansteigen lassen und für 2,75 Millionen
zusätzliche Arbeitsplätze sorgen (was einem Anstieg der Gesamtbeschäftigung um 1,4 % entsprechen
würde).
Eine der wichtigsten Feststellungen des Berichts besteht darin, dass – aufgrund von positiven Effekten durch grenzüberschreitende
Wissensübertragung und von Synergien zwischen sich ergänzenden Maßnahmen – die Wirksamkeit der
Reformen stärker ist, wenn diese auf EU-Ebene koordiniert werden.
Das europäische Verarbeitende Gewerbe wird weiterhin ein Wachstumsmotor für die gesamte Wirtschaft sein.
Die Umsetzung der oben erörterten politischen Maßnahmen wird die Aussichten zwar weiter verbessern,
viel wird aber auch davon abhängen, ob die europäischen Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in der
Lage sind, die Chancen der globalen Herausforderungen, etwa der demografischen Alterung und des Klimawandels, für
sich zu nutzen. Technologien, die noch viel strengeren als den heutigen Umweltauflagen gerecht werden, bieten die
Chance, sich als Weltmarktführer zu positionieren.
Die Steigerung der Arbeits- und der totalen Faktorproduktivität dürfte in den kommenden Jahren insbesondere
vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung ein zentrales Anliegen der europäischen Politik bleiben.
Dies verdeutlicht noch einmal, welch entscheidende Bedeutung der Lissabon-Strategie und ihrem mikroökonomischen
Pfeiler zukommt. |