Bonn (idw) - Wenn die nächste Grippewelle über Europa schwappt,
können die Epidemiologen über die Ländergrenzen hinweg nachvollziehen, welche Wege der Erreger nimmt
- und wie sich beispielsweise national unterschiedliche Impfstrategien auf seine Ausbreitung auswirken. Wissenschaftler
der Universität Bonn entwickeln medizinische Geoinformationssysteme, die derartige Analysen möglich machen.
Sie stellen ihr Projekt auf der vom 14. bis 17. November auf der Medizin- Messe MEDICA in Düsseldorf vor (Gemeinschaftsstand
der Wissenschaftsregion Bonn, Halle 16/Stand C41). Ebenfalls dort zu sehen: Beschichtungsmaterialien, mit denen
sich hygienischere Harnkatheter herstellen lassen - und ein Analyseverfahren für Umweltchemikalien und neuartige
Dopingmittel.
Wer wissen will, wie man eine Seuche am wirksamsten bekämpft, wirft am besten einen Blick auf ihre Verbreitungswege.
"Bei der Untersuchung einer Salmonellenepidemie in einem Krankenhaus haben wir so nicht nur herausbekommen,
wo die Erreger ursprünglich herkamen", erklärt Dr. Thomas Kistemann, Geograph und leitender Oberarzt
am Hygieneinstitut der Universität Bonn. "Wir konnten auch nachweisen, wie sich die Salmonellen verbreiteten.
Besonders betroffen waren nämlich Stationen, in denen die Container mit den Mittagessen erst eine Weile auf
den Fluren standen, bevor die Tabletts verteilt wurden."
Mit Softwarehilfe lassen sich oft Zusammenhänge aufdecken, die auf den ersten Blick unsichtbar sind. Der Computer
wird so zur wirksamen Waffe gegen Epidemien. Kistemann und seine interdisziplinäre Arbeitsgruppe sind Experten
für so genannte Geoinformationssysteme (GIS), die räumliche Daten mit medizinischen und sozioökonomischen
Informationen korrelieren. "Wir haben mit einer solchen Software beispielsweise die Verbreitung der Tuberkulose
in Köln auf Stadtbezirksebene untersucht", erläutert der Privatdozent. Bislang vermuteten Epidemiologen,
dass der gefährliche Erreger vor allem mit Spätaussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion wieder nach
Deutschland gelangte. "Unsere Ergebnisse stützen das nicht", betont Kistemann. "Demnach ist
Tuberkulose vor allem in Bezirken mit einem hohen türkischen Bevölkerungsanteil ein Problem." Vermutlich
könne die Krankheit dort auch deshalb so gut Fuß fassen, weil die Politik die Integration türkischer
Zuwanderer bisweilen vernachlässigt habe: Wer Sprachprobleme hat oder sich aus anderen Gründen ausgegrenzt
fühlt, sucht bei Krankheiten nicht so schnell ärztliche Hilfe auf.
Bonner Wissenschaftler werden auf der MEDICA zwei weitere Themen vorstellen: Das Team um Privatdozent Dr. Norbert
Laube von der Experimentellen Urologie präsentiert zusammen mit Partnern vom Institut für Dünnschichttechnologie
der TU Kaiserslautern seine neuesten Ergebnisse zum Thema "Diamantähnliche Kohlenstoffschichten auf urologischen
Implantaten zur Verbesserung der Biokompatibilität". Nach einer langjährigen Entwicklungsphase wurde
bereits eine Schicht mit großem Erfolg in den Markt eingeführt. "Natürlich geht die Forschung
weiter, denn die Kohlenstoffschichten können in ihrer Zusammensetzung verändert werden. Wir erwarten
daher noch einige Verbesserungen", betont Norbert Laube. Die Arbeiten von Doktorandin Isabella Syring zur
Erforschung der Wirkmechanismen der Oberflächen helfen bei der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten.
Sie wurden in diesem Jahr sogar von der Deutschen Gesellschaft für Urologie ausgezeichnet.
Glühwürmchen als Doping-Spürhund
Hoch aktuell ist auch das Projekt von Dr. Sabine Daufeldt und Dr. Axel Alléra: Ihr so genannter
"SteroCheck" soll Dopingsünder das Fürchten lehren. Mit der patentierten Methode lassen sich
beispielsweise neu entwickelte Anabolika schnell und kostengünstig nachweisen. Als "Drogen-Hund"
dient ihnen dazu das Glühwürmchen: Der nachtaktive Käfer produziert nämlich ein Enzym, das
seinen Hinterleib zum Scheinwerfer macht - die Luziferase. Die Bonner Forscher haben das Luziferase-Gen in menschliche
Prostata-Zellinien eingeschleust. Wenn die Zellen nun mit Substanzen in Kontakt kommen, die wie ein männliches
Geschlechtshormon wirken, leuchten sie gelbgrün auf. "Das kann das natürliche Androgen Testosteron
sein, aber auch ein neuartiges Dopingmittel oder bestimmte Umweltchemikalien und Pestizide", erklärt
Dr. Alléra.
So kann SteroCheck beispielsweise auch Weichmacher aus Kunststoffen nachweisen. Diese so genannten "Phthalate"
wirken wie Hormone, obwohl sie chemisch eine ganz andere Struktur aufweisen. Sie stehen in Verdacht, für den
seit Jahrzehnten beobachteten Rückgang der Spermienzahlen bei Männern verantwortlich zu sein. Außerdem
sollen Phtalate Hodenkrebs auslösen können. Über eine neu gegründete Firma werden die Wissenschaftler
den SteroCheck nun vermarkten. |