Brüssel (europa.eu) - Nach der Herbstprognose der Kommission wird sich das Wirtschaftswachstum in der
Europäischen Union von 2,9 % 2007 auf 2,4 % in den Jahren 2008 und 2009 abschwächen (im Euroraum von
2,6 % 2007 auf 2,2 % 2008 und 2,1 % 2009). Grund sind die Turbulenzen an den Finanzmärkten, die zu angespannteren
Finanzierungsbedingungen und größerer Unsicherheit geführt haben. Allerdings wird die Prognose
für 2008 dank noch immer günstiger weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen und solider Fundamentalfaktoren
gegenüber dem Frühjahr für beide Gebiete nur um 0,3 Prozentpunkte abgesenkt. Insbesondere der private
Verbrauch, der in diesem Jahr zum wichtigsten Wachstumsmotor geworden ist, dürfte weiterhin in gesundem Tempo
wachsen, da er durch ein vergleichsweise stetiges Beschäftigungswachstum unterstützt wird. Nachdem in
der EU 2006 bereits 3,5 Mio. Arbeitsplätze entstanden sind, dürften 2007-2009 weitere 8 Millionen hinzukommen,
so dass die Arbeitslosigkeit bis 2009 auf 6,6 % zurückgehen wird. Teilweise aufgrund der gesunden Konjunktur
dürfte das Haushaltsdefizit 2007 mit durchschnittlich 1,1 % des BIP in der EU und 0,8 % des BIP im Euroraum
auf den niedrigsten Stand seit vielen Jahren sinken. Das strukturelle Defizit soll sich in diesem Jahr ebenfalls
noch verbessern – wenn auch in geringerem Maße –, bevor die Haushaltskonsolidierung dann jedoch zum Erliegen
kommt. Die Inflation dürfte in den kommenden Quartalen aufgrund der höheren Rohstoffpreise anziehen,
aber bis Mitte 2008 im Euroraum wieder auf rund 2 % sinken.
„Durch die Finanzmarktturbulenzen vom vergangenen Sommer, die schwächelnde US-Konjunktur und den anhaltenden
Ölpreisanstieg haben sich die Aussichten zweifellos eingetrübt. Das Wirtschaftswachstum lässt also
nach, und die Abwärtsrisiken haben sich ganz klar erhöht. Dank des kräftigen Weltwirtschaftswachstums
und solider Fundamentalfaktoren dürften sich die negativen Auswirkungen jedoch in Grenzen halten. Der Preisauftrieb
dürfte maßvoll bleiben, ist aber mit Aufwärtsrisiken behaftet", so Wirtschafts- und Währungskommissar
Joaquín Almunia.
Festes Wachstum trotz US-Abschwächung
Nach der heute veröffentlichen Herbstprognose der Kommission wird sich das Wachstum im Prognosezeitraum in
der EU von 2,9 % 2007 auf 2,4 % in den Jahren 2008 und 2009 (und im Euroraum von 2,6 % 2007 auf 2,2 % 2008 und
2,1 % 2009) abschwächen. Die Wachstumsprognose 2008 fällt also für beide Gebiete nun 0,3 Prozentpunkte
niedriger aus als vor sechs Monaten.
Nach einer soliden ersten Jahreshälfte erklärt sich die Abschwächung 2007 zum Teil durch die Finanzmarktturbulenzen
vom Sommer – auch wenn der Konjunkturhöhepunkt möglicherweise schon früher überschritten wurde.
Die Kommission geht in ihrer mittleren Prognose davon aus, dass sich die Finanzmärkte allmählich wieder
beruhigen. Vorerst haben die Turbulenzen die Risikobereitschaft der Anleger jedoch deutlich gedämpft und für
angespanntere Finanzierungsbedingungen gesorgt. Die Investitionen haben sich bislang zwar dynamisch entwickelt,
dürften sich in der jetzigen Konjunkturphase jedoch abschwächen, zumal die Bauinvestitionen in einigen
Mitgliedstaaten drastisch eingebrochen sind. Der private Verbrauch hat sich belebt und dürfte vor dem Hintergrund
günstiger Beschäftigungsaussichten zum wichtigsten Wachstumsmotor werden, sofern das Verbrauchervertrauen
erhalten bleibt.
Außenwirtschaftlich profitiert die EU weiterhin von den soliden Aussichten der Weltwirtschaft, insbesondere
der aufstrebenden Volkswirtschaften, die die Abschwächung der US-Konjunktur weitgehend ausgleichen. Folglich
rechnet die Kommission damit, dass die EU-Wirtschaft in beiden Jahren des Prognosezeitraums ungefähr mit ihrer
Potenzialrate wachsen wird. Die Inflation dürfte sich allerdings in den kommenden Quartalen vor dem Hintergrund
der höheren Rohstoffpreise im Euroraum auf 2,4 % beschleunigen, bevor sie dann bis zum nächsten Sommer
wieder auf rund 2 % sinkt.
Arbeitslosigkeit weiter rückläufig; Haushaltskonsolidierung stockt
Dank des dynamischen Beschäftigungswachstums von 1,5 % in der EU und im Euroraum dürften in diesem Jahr
in der EU 3,6 Mio. neue Arbeitsplätze entstehen (im Euroraum 2,3 Mio.). Diese Verbesserung erstreckt sich
auf zahlreiche Sektoren, Beschäftigungsmodelle und Mitgliedstaaten und vollzieht sich somit auf breiter Basis.
Im Zeitraum 2008-2009 dürfte sich das Beschäftigungswachstum im Durchschnitt auf rund 1 % abschwächen,
da die Konjunktur im Euroraum ihren Höhepunkt erreicht. Gleichwohl werden 2008-2009 in der EU noch 4,5 Mio.
neue Arbeitsplätze entstehen (im Euroraum 3,2 Mio.), so dass die gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsquote
bis 2009 auf über 66 % ansteigt. Die Arbeitslosenquote wird der Prognose zufolge bis 2009 in der EU auf 6,6
% bzw. im Euroraum auf 7,1 % und damit auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren sinken.
Da das Arbeitskräfteangebot knapper werden dürfte, wird im Prognosezeitraum mit einem etwas rascheren
Lohnanstieg gerechnet, insbesondere 2008, da dann auch einmalige Maßnahmen und eine gewisse Aufholentwicklung
nach mehreren Jahren der Lohnzurückhaltung zu erwarten sind. Das stetige Wachstum der Arbeitsproduktivität
dürfte den Anstieg der Lohnstückkosten jedoch in Grenzen halten und dazu beitragen, den Inflationsdruck
einzudämmen.
Sowohl dank unerwarteter Mehreinnahmen als auch der Konsolidierungsanstrengungen wird das öffentliche Defizit
in der EU von 1,6 % des BIP 2006 auf 1,1 % 2007 zurückgehen (im Euroraum von 1,5 % auf 0,8 %). Im Jahr 2008
wird in einigen Ländern jedoch mit einer Verschlechterung gerechnet, da sich die Konjunktur abschwächt
und unerwartete Mehreinnahmen mancherorts für zusätzliche Ausgaben verwendet werden. Das Gesamtdefizit
dürfte sich 2008 in der EU auf 1,2 % und im Euroraum auf 0,9 % des BIP erhöhen, bevor es sich 2009 unter
der Annahme einer unveränderten Politik stabilisiert. Auch in struktureller Betrachtung würden die öffentlichen
Haushalte 2008 und 2009 nicht weiter konsolidiert werden.
Der gesamtstaatliche Schuldenstand ist rückläufig und dürfte bis 2009 im Euroraum auf 63,4 % zurückgehen,
während er in der EU bereits 2007 unter die 60 %-Marke sinkt.
Eindeutige Abwärtsrisiken
Die wesentlichen Abwärtsrisiken für die Wachstumsaussichten betreffen Ereignisse an den Finanzmärkten
und die Möglichkeit einer steileren und länger andauernden Konjunkturabschwächung in den Vereinigten
Staaten. Manche Finanzmarktsegmente funktionieren noch immer nicht gut, und eine längere Phase der Unsicherheit,
die sich auf die Kreditkonditionen niederschlagen und so die Immobilienmärkte stärker als erwartet in
Mitleidenschaft ziehen könnte, ist nicht auszuschließen. Andererseits könnten die Arbeitsmärkte
aber auch noch einmal positiv überraschen, wodurch das Arbeitseinkommen und das Verbrauchervertrauen Aufwind
erhalten würden. Bei der Inflation stellen ein weiterer Anstieg der Ölpreise sowie Anhebungen der Lebensmittel-
und Rohstoffpreise Aufwärtsrisiken für das Basisszenario dar. |