Präsident Spindelegger präsentiert Publikation zur Enquete 2005
Wien (pk) - Die Parlamentsenquete zum Thema "Widerstand in Österreich 1938 – 1945"
sei ein "tolles Ereignis" gewesen, und durch die nunmehr vorliegende Publikation der Referate bei dieser
Enquete werde deren Nachhaltigkeit sichergestellt. Das erklärte der Zweite Präsident des Nationalrats,
Michael Spindelegger, bei der Präsentation des Buchs im Parlament. Das Thema Widerstand sei erst in das Zentrum
gerückt, als bewusst wurde, dass Österreich "nicht nur Opfer war, sondern Österreicher auch
Täter waren", sagte Präsident Spindelegger weiter. Die Publikation trage dazu bei, dass der Widerstand
als bleibender Teil der österreichischen Geschichte gegenwärtig bleibe.
Die Menschen, die ihr "Nein" zum Nationalsozialismus sagten, gehörten mit zu den Fundamenten der
II. Republik, formulierte der Historiker Stefan Karner, einer der Organisatoren der Enquete im Jänner 2005
und Mitherausgeber der Publikation. Kerner erinnerte daran, dass das Interesse damals alle Erwartungen übertroffen
habe und würdigte die Tatsache, dass Enquete und Publikation von den Akademien der beiden großen Parteien
– Politische Akademie der ÖVP und Rennerinstitut – mit getragen worden seien. Enquete und Buch umfassten ein
Bouquet von interessanten Beiträgen zum österreichischen Widerstand und zur Widerstandsforschung. So
sei auch der österreichische Widerstand von einem breiten Spektrum getragen worden, von Funktionären
des Ständestaats über Linke, Monarchisten, Christen, Intellektuelle, Kämpfer in den Reihen der Alliierten
bis hin zu Mitgliedern von Partisaneneinheiten.
Karl Duffek vom Rennerinstitut betonte, dass man nicht verschweigen dürfe, dass die Überlebenden des
Widerstands nach dem Ende der Naziherrschaft sowohl von der Bevölkerung als auch von den politischen Eliten
vielfach mit großer Geringschätzung bedacht worden seien. Daher sei es umso wichtiger, dass Enquete
und Buch in die Zukunft wirkten.
Auch Brigitte Bailer-Galanda, die Leiterin des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, verwies
in ihrem Statement auf die große politische und weltanschauliche Bandbreite des Widerstands. Sie zitierte
die Definition von "Widerstand", wie Karl Stadler sie geprägt hatte, nämlich als den "Versuch,
anständig zu bleiben". Solche Versuche habe es in vielfältigen Formen gegeben, betonte Bailer-Galandca,
in Gruppen wie bei unzähligen Einzelnen, obwohl darauf schwere Strafen gestanden wären. Das Dokumentationsarchiv
habe seit allem Anfang an allen Richtungen des Widerstands verpflichtet gewesen. Sie berichtete über ein Projekt
des DÖW zur Erfassung aller Namen der Opfer der politischen Verfolgung – analog zur Erfassung der Opfer der
Shoa -, das bis Ende des kommenden Jahres laufe.
Annemarie Fenzl, Leiterin des Archivs der Erzdiözese Wien, ging auf den Widerstand der Kirche ein und kam
dabei zunächst auf den am vergangenen Nationalfeiertag seliggesprochenen Franz Jägerstätter ein:
Diese Seligsprechung sei ein Zeichen dafür, dass die Kirche, wenn auch langsam, gelernt habe. Erst beim II.
Vatikanischen Konzil in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts habe die Kirche gelernt, das – gebildete – Gewissen
des einzelnen zu respektieren. Die Seligsprechung Jägerstätters wertete Fenzl daher als "Meilenstein".
Zum Verhältnis Kirche und Nationalsozialismus habe man stets eher "Anpassung" als "Widerstand"
assoziiert, zumal die Kirche sich defensiv verhalten und eher auf den eigenen Freiraum geachtet habe. Besonders
hob Fenzl die Gründung der Hilfsstelle für arische Christen und des Seelsorgeamts hervor.
Als Vertreter des Bundesheers betonte abschließend Generalmajor Christian Segur-Cabanac, dass die deutsche
Wehrmacht in der Traditionspflege keinen Platz habe, sehr wohl aber der Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
Dies werde u.a. an der Benennung von Kasernen nach Widerständlern deutlich. So leiste das Bundesheer seinen
Beitrag zur Aufarbeitung der österreichischen Geschichte und werde das auch weiter tun.
Das von Stefan Karner und Karl Duffek herausgegebene Buch "Widerstand in Österreich 1938 – 1945"
ist als Sonderband 7 der Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung
erschienen. Es hat 316 Seiten und kann über dieses Institut sowie im Buchhandel zum Preis von Euro 19,90 erworben
werden. |