Tschechien anerkennt EuGH-Entscheidungen nicht bedingungslos
Wien (pk) - Eine Delegation des Verfassungs- und Rechtsausschusses des tschechischen Abgeordnetenhauses
traf zu einem Gespräch mit Mitgliedern des Verfassungsausschusses des Nationalrates zusammen. Abgeordneter
Rudolf Parnigoni begrüßte die Gäste und unterstrich die sehr guten Beziehungen zwischen den beiden
Ländern.
Der tschechische Delegationsleiter Stanislav Krecek von der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei teilte mit,
dass in Tschechien die Grundfesten der Rechtsordnung geändert werden; so werden ein neues bürgerliches
Gesetzbuch und ein neues Strafgesetzbuch vorbereitet. Auch sei in Tschechien beschlossen worden, dass sich das
Verfassungsgericht nicht bedingungslos an die Entscheidungen des EuGH zu halten habe. Diese letzte Feststellung
des tschechischen Abgeordneten veranlasste Abgeordnete Elisabeth Hlavac (S) zu der Frage, ob man dies im Beitrittsvertrag
vereinbart habe und wie sich diese Bestimmung in der Praxis auswirke, zumal Österreich nicht immer mit EuGH-Entscheidungen
"glücklich" sei. Auch beklagte sie, dass die Richtlinien und die Verordnungen oft unklar formuliert
seien, was ihrer Meinung nach dazu führe, dass der EuGH die Möglichkeit erhalte, politische Entscheidungen
zu treffen. Stanislav Krecek stellte klar, dass Tschechien - ähnlich wie Deutschland und Dänemark –
beschlossen habe, dass in Verfassungsfragen das nationale Verfassungsgericht die höchste Instanz sei und nicht
der EuGH. Hinzu komme, dass der EuGH mit Entscheidungsanfragen überhäuft werde und diese in keiner vernünftigen
Zeit abarbeiten könne.
Abgeordneter Robert Aspöck (F) erinnerte daran, dass seine Partei schon vor vielen Jahren für den EU-Beitritt
gewesen sei. Sie habe auch die Meinung vertreten, dass Europa kein Einheitsstaat sein dürfe, sondern ein Europa
der Vaterländer, also ein Friedensprojekt, das die Selbständigkeit der einzelnen Staaten nicht tangiere.
Die Frage der Abgeordneten Jana Rybinova (Bürgerlich-demokratische Partei) nach der Strafmündigkeitsgrenze
in Österreich – sie soll in Tschechien von 15 Jahren auf 14 Jahre herabgesetzt werden – beantwortete Abgeordnete
Elisabeth Hlavac und verwies zugleich darauf, dass während der V-F-Regierungszeit der Jugendgerichtshof abgeschafft
worden sei, was sie außerordentlich bedaure, da dieser Gerichtshof spezialisierte Richter beschäftigt
und es eine enge Zusammenarbeit mit den Sozialbehörden gegeben habe. Im Justizministerium werde an neuen Plänen
für einen Jugendgerichtshof gearbeitet, gab sie bekannt.
An dem lebhaft geführten Meinungsaustausch nahmen von österreichischer Seite außerdem die Abgeordneten
Johann Georg Schelling (V) und Ursula Haubner (B) teil. |