Skutterudite zählten in der Vergangenheit
zu den wichtigsten Erzen für das Blaufärben von Porzellan
Wien (tu) - Die Mineralien wurden nahe dem Dorf Skutterud in Norwegen gefördert und 1845 erstmals
wissenschaftlich beschrieben. Aufgrund ihrer thermoelektrischen Eigenschaften können Skutterudite Wärme
in Strom umwandeln. Wissenschafter der Technischen Universität (TU) Wien und der Universität Wien haben
nun eine völlig neue Familie von Skutteruditen entdeckt. Diese verzichten auf giftige Materialien wie Arsen
und sind daher wesentlich vielseitiger einsetzbar.
"Thermoelektrika" heißt das Zauberwort. Gemeint ist damit eine Gruppe von Stoffen, zu denen Skutterudite
gehören. Sie sind so konzipiert, dass sie aus Wärme (z.B. Abwärme) Elektrizität gewinnen oder
mit Hilfe von Strom Kälte erzeugen. Auf diese Weise kommen beispielsweise Kühlaggregate ohne Motor und
Kühlmittel aus, weil Elektronen deren Aufgaben übernehmen. "Bekannte Skutterudite basieren auf Festkörperverbindungen
aus elektropositiven Elementen (Barium, Strontium, Lanthan), sogenannten Übergangsmetallen wie Cobalt, Rhodium
oder Iridium sowie aus Pnictogenen wie Phosphor, Arsen oder Antimon. Die letzten drei Elemente sind problematisch,
Arsen ist sogar giftig. Nun haben wir sie in einer Barium-Platin-Verbindung durch Germanium ersetzt und damit das
erste Beispiel einer neuen Generation von Skutteruditen kreiert", erklärt Ernst Bauer vom Institut für
Festkörperphysik der TU Wien. Zusammen mit seinen Kollegen Peter Franz Rogl und Raimund Podloucky von der
Uni Wien möchte er die neuen Erkenntnisse nutzen, um noch leistungsfähigere thermoelektrische Materialien
zu finden. Im Rahmen eines FFG-Projektes mit der AVL List GmbH Graz soll mit Hilfe solcher Stoffe Elektrizität
aus der Abwärme von Motoren gewonnen werden.
Die Kristallstruktur der neuen Skutterudite basiert auf einer Käfigform (cage forming compound), die dem Material
seine mechanischen und elektrischen Eigenschaften verleiht. Germanium als sehr stabiles Element, ersetzt nun vollständig
die Pnictogenatome des Kristalls. Im Käfig selbst erproben die Wissenschafter unterschiedliche, schwach gebundene
Elemente, die die physikalischen Eigenschaften außerordentlich stark beeinflussen. Bauer: "Elektropositive
Atome befinden sich im Zentrum des Käfigs und bestimmen direkt thermische und elektrische Eigenschaften des
Materials, wie zum Beispiel die thermische Leitfähigkeit oder den Seebeckeffekt. Neben diesen für Anwendungen
wichtigen Eigenschaften zeigen die neu gefunden Skutterudite 'SrPt4Ge12' und 'BaPt4Ge12' überraschend das
makroskopische Quantenphänomen der Supraleitung. Dabei verschwindet zum Beispiel unterhalb einer kritischen
Temperatur von circa fünf Kelvin der elektrische Widerstand vollständig. Strom wird dann verlustfrei
geleitet." Germanium, das vielfach zu halbleitenden Eigenschaften von Festkörpern führt, stellt
gerade in diesen Verbindungen den Großteil jener Elektronen zur Verfügung, die Supraleitung bewirken.
Die Forschungsarbeiten von Ernst Bauer und seinen Kollegen werden in der Ausgabe vom 23. November 2007 der Zeitschrift
"Physical Review Letters" sowie in der Zeitschrift "Advanced Materials" publiziert. Einst bescherten
Skutterudite dem Ort Skutterud in Norwegen Wohlstand und lieferten die blauen Farbpigmente für chinesisches
Porzellan. Davor konnten diese nur aus dem teuren Edelstein Lapislazuli hergestellt werden. Nun sind sie auch zu
einer reichen Fundgrube für MaterialwissenschafterInnen geworden, die Grundlagen und angewandte Forschung
miteinander verknüpfen. |