Motorischen Nervenzellen das Leben retten  

erstellt am
14. 11. 07

Mögliche Strategie zur Behandlung von motorischen Erkrankungen PNAS: RUB-Forscher belegen indirekte Aktivierung
Bochum (universität) - Seit langem ist die Wissenschaft auf der Suche nach Substanzen, die Patienten mit motorischen Erkrankungen wie amyotropher Lateralsklerose (ALS) oder Spinaler Muskelatrophie (SMA) das Leben retten können. Bisherige Kandidaten, die spezielle Rezeptoren ansprechen, welche das Überleben der motorischen Nervenzellen ermöglichen, schieden wegen starker Nebenwirkungen aus: Noch immer ist die fortschreitende Fehlfunktion der Muskeln aufgrund fehlender oder gestörter Kontakte der Motoneuronen unaufhaltsam. Forscher aus Bochum, Würzburg und New York um Prof. Dr. Stefan Wiese (Fakultät für Biologie der RUB) haben jetzt erstmals belegen können, dass sich die entsprechenden Rezeptoren auch indirekt durch harmlose körpereigene Stoffe aktivieren lassen. Im Experiment ließ sich das Absterben der Nervenzellen auf diese Weise verhindern. Über ihre Studie berichten die Forscher in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS). Der Beitrag wurde in der Expertenbewertung "Faculty of 1000" mit dem Urteil "must read" gekennzeichnet.

Tod nach durchschnittlich fünf Jahren
Die ALS trifft etwa einen von 50.000 Menschen. Meistens tritt sie zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf und zeigt sich durch eine fortschreitende Muskelschwäche und Spastik. Die durchschnittliche Lebenserwartung nach der Diagnose beträgt fünf Jahre. Die SMA kommt häufiger vor; etwa einer von 8.000 Menschen erkrankt daran. Auch sie verursacht eine fortschreitende Muskelschwäche. SMA tritt in drei unterschiedlichen Verlaufsformen auf. Die SMA Typ I führt in der Regel innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Geburt zum Tod. Grund ist jeweils der Untergang von motorischen Nervenzellen im Rückenmark und Stammhirn.

Nervenwachstumsfaktoren durch massive Nebenwirkungen im Aus
Lange Zeit wurden große Hoffnungen in so genannte neurotrophe Faktoren gesetzt. Diese Eiweiße, die im Körper für das Wachstum von Nervenzellen sorgen, wurden als Substanzen gehandelt, die in der Lage seien, die Degeneration der motorischen Nervenzellen zu verzögern, wenn nicht sogar aufzuhalten. Als Medikament eingesetzt riefen sie in klinischen Studien jedoch massive Nebenwirkungen unter anderem auf psychischer Ebene hervor, ohne dabei für eine merkliche Verbesserung der Symptomatik zu sorgen. Die Studien mussten daher vorzeitig abgebrochen werden.


Indirektes Signal zum Überleben
Grundlage der aktuellen Arbeit war die Erkenntnis, dass auch andere Substanzen in der Lage sind, die Rezeptoren für neurotrophe Faktoren auf motorischen Nervenzellen zu aktiveren und somit ein Überlebenssignal an die Zelle zu übermitteln. Wiese und seine Kollegen nahmen den Rezeptor für den neurotrophen Faktor BDNF (brain derived neurotrophic factor) unter die Lupe. Die Forscher konnten zeigen, dass die Aktivierung des Rezeptors für Adenosine über eine Signalkaskade in der Zelle dazu führt, dass auch der Rezeptor für BDNF aktiviert wird, und dass dadurch die Nervenzellen vermehrt überleben. Dies gelang sowohl in Zellkulturen als auch in Modellen mit geschädigten Nervenzellen. Letztere ließen sich durch die Gabe von Adenosin-Rezeptor Agonisten und die daraus folgende indirekte Aktivierung des BDNF-Rezeptors am Leben erhalten.
 
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