Marburg (idw) - Forschern am Fachbereich Physik der Philipps-Universität
Marburg ist es mit Hilfe modernster optischer Techniken gelungen, elektrische Stromimpulse zu erzeugen und nachzuweisen,
die tausend mal kürzer sind als solche, die bisher mit der schnellsten Elektronik messbar waren. Diese ultrakurzen
Stromimpulse wurden durch Bestrahlung von Metalloberflächen mit Femtosekundenlasern generiert (1 Femtosekunde
= 1 fs = 0,000 000 000 000 001 Sekunden). Aufgrund ihrer kurzen Dauer ermöglichen die Stromimpulse fundamentale
Studien der Wechselwirkungsmechanismen von Elektronen im Festkörper. Insbesondere konnten die Marburger Forscher
erstmals die ultraschnelle zeitliche Entwicklung der grundlegenden mikroskopischen Prozesse beobachten, die für
den elektrischen Widerstand von Materialien verantwortlich sind (Science, 23. November 2007).
Schon am Anfang des 20. Jahrhunderts erkannte Paul Drude, dass die elektrische Leitfähigkeit von Metallen
durch Stöße der Elektronen an den Atomrümpfen bestimmt wird. Aus dieser Überlegung folgt,
dass selbst in sehr guten elektrischen Leitern wie Kupfer die Zeit zwischen zwei Stößen nur wenige 10
Femtosekunden beträgt. Diese Effekte konnten bisher jedoch nie direkt gemessen werden, da auf dieser Zeitskala
keine Transportmessungen durchgeführt werden konnten. Die neuartigen, in Marburg erstmals experimentell realisierten
und theoretisch modellierten Strompulse machen nun gerade solche Untersuchungen möglich und eröffnen
damit ein weites Feld für fundamentale Studien. Außerdem könnte die gezielte Erzeugung und Manipulation
von Stromimpulsen auf dieser extrem kurzen Zeitskala eines Tages zur Entwicklung elektronischer Bauelemente mit
ultraschnellem Ladungsträgertransport führen.
Zur Erzeugung der elektrischen Ströme an einer Kupferoberfläche verwendeten die Forscher aus Marburg
ultrakurze sichtbare und ultraviolette Laserimpulse (gelbe und blaue Anregungspulse in der Abbildung), deren Frequenzen
sich genau um einen Faktor zwei unterschieden und die phasenstarr zueinander stabilisiert wurden. Durch Variation
der relativen Phase der oszillierenden Lichtfelder konnte sowohl die Richtung als auch der Betrag des Stromes kontrolliert
werden. Da hierbei die Phasenbeziehung der anregenden Lichtfelder, also ihre zeitliche Kohärenz zueinander,
die entscheidende Rolle spielt, spricht man auch von einer kohärenten Kontrolle. Die Besonderheit des Marburger
Experimentes liegt aber vor allem in dem zeitaufgelösten Nachweis des Stromes mit Hilfe des Photoeffektes.
Dazu wird ein dritter, roter Laserimpuls mit variabler Zeitverzögerung eingestrahlt, der die angeregten Elektronen
aus der Probe herauslöst ohne ihre Geschwindigkeit parallel zur Probenoberfläche zu ändern. Der
Strom in der Probe kann dann direkt durch Messung der Geschwindigkeitsverteilung der emittierten Elektronen mit
einem Elektronenanalysator beobachtet werden. Die Abbildung illustriert eine Anregung mit der Phasendifferenz,
bei der sich die meisten angeregten Elektronen zunächst nach rechts bewegen. Ihre Geschwindigkeiten parallel
zur Oberfläche der Probe betragen dabei typisch etwa 1 Å/fs oder 100 km/s (1 Å = 0.000 000 0001
m, 3 Å entsprechen dem typischen Atomabstand in Festkörpern). Durch Streuung der Elektronen mit Defekten
der Probe, bei welcher die Ausbreitungsrichtung der Elektronen geändert wird, geht die zunächst asymmetrische
Verteilung in wenigen zehn Femtosekunden in eine symmetrische Verteilung über und der Strom fällt ab.
Im Experiment wird diese ultrakurze Zerfallszeit in einem Anregungs-Abfrage (Pump-Probe)-Schema aufgelöst,
bei dem die Geschwindigkeitsverteilung für verschiedene Zeitverzögerungen gemessen wird.
Die Zeitauflösung wird dadurch erreicht, dass die Laserimpulse über leicht unterschiedliche Wege geführt
werden. Aufgrund der hohen Lichtgeschwindigkeit entspricht dabei ein Wegunterschied von etwa 0,003 mm einer Zeitverzögerung
von 10 fs. Damit die Elektronen ungehindert aus der Probe austreten können, sowie beim Nachweis nicht mit
Luftmolekülen zusammenstoßen, wurden die Experimente an einer sehr sauberen und geordneten Oberfläche
eines Kupfer-Einkristalls unter Ultrahochvakuumbedingungen durchgeführt. Dazu wurde der Restgasdruck in der
Experimentierkammer um mehr als 13 Größenordnungen gegenüber dem normalen Luftdruck auf 6x10-11
mbar abgesenkt. |