Debatte zum Haftentlastungspaket
Wien (pk) - Mehr Sicherheit erwartet das Justizressort durch Maßnahmen des so genannten Haftentlastungspakets.
Der entsprechende Gesetzentwurf ( 302 d.B.) wurde am 22.11. im Justizausschuss in Gestalt eines gesamtändernden
Abänderungsantrags mit dem Strafrechtsänderungsgesetz ( 285 d.B.), mit dem zum einen die Normen im Kampf
gegen die Korruption weiter entwickelt und an internationale Vorgaben angenähert, zum anderen Anpassungen
an neue technische Gegebenheiten im Computerstrafrecht vorgenommen werden, zu einer Vorlage vereint, sodass das
Strafrechtsänderungsgesetz als miterledigt gilt.
Die Vorlage wurde mit Mehrheit dem Nationalratsplenum zur Annahme empfohlen. Gleichfalls mit Mehrheit wurde ein
S-V-Entschließungsantrag betreffend Evaluierung von Kronzeugenregelungen angenommen. Auch eine auf Initiative
der Grünen formulierte Ausschussfeststellung fand die Zustimmung der Mehrheit des Ausschusses; sie hält
fest, dass die Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle von Ersatzfreiheitsstrafen nicht der vom AlVG
geforderten Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt entgegensteht. Die Suchtmittelgesetznovelle ( 301 d.B.) passierte
den Ausschuss in der Fassung eines Abänderungsantrags gleichfalls mit Mehrheit. Ein Antrag der Grünen
für die Ausweitung der bedingten Entlassung ( 141/A) und ein G-Antrag auf Schaffung einer eigenen Strafvollzugskommission
( 147/A[E)) blieben in der Minderheit. Ein F-Antrag auf Maßnahmen zur wirksameren Bekämpfung von Zwangsehen
( 291/A) sowie ein Antrag des BZÖ auf Verschärfung des Strafrechts, speziell was den sexuellen Missbrauch
von Kindern betrifft ( 413/A), wurde jeweils vertagt.
Im einzelnen sind im "Haftentlastungspaket" bei der bedingten Entlassung folgende Änderungen vorgesehen:
Möglichkeit der bedingten Entlassung auch aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil einer unbedingten Freiheitsstrafe;
teilweiser Verzicht auf generalpräventive Überlegungen; Neuformulierung der Entlassungskriterien; Erweiterung
der bedingten bzw. obligatorischen Bewährungshilfe; amtswegige Überprüfung der weiteren Notwendigkeit
der Bewährungshilfe. Der Modellversuch "gemeinnützige Leistungen statt Ersatzfreiheitsstrafe"
wird auf das gesamte Bundesgebiet ausgeweitet und auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Außerdem wird
die Möglichkeit geschaffen, nicht "aufenthaltsverfestigte" ausländische Verurteilte, gegen
die ein Aufenthaltsverbot besteht, nach Verbüßung der Hälfte der Strafe "zur Ausreise zu verhalten".
In die Entscheidung über den Freigang soll gegebenenfalls die Begutachtungs- und Evaluationsstelle für
Gewalt- und Sexualstraftäter in die Beurteilung der Voraussetzungen einbezogen werden. Zur Vermeidung des
Missbrauchs von Vollzugslockerungen soll eine Rechtsgrundlage für die "elektronische Fußfessel"
geschaffen werden.
Die Debatte im Ausschuss war um zwei Themen zentriert. Zum einen um das Sicherheits- bzw. Haftenlastungspaket,
dabei vor allem um die Frage vorzeitiger Entlassung, zum anderen um die Suchtmittelthematik.
Debatte zum Haftentlastungspaket
Abgeordneter Johannes Jarolim (S) zeigte auf, dass in Deutschland und in der Schweiz das Instrument der vorzeitigen
Entlassung häufiger als in Österreich eingesetzt werde. Die Maßnahme sei zwar "nicht spektakulär",
doch komme man damit ein Stück weiter auf dem Weg im Kampf gegen die Kriminalität.
Genau dies wurde von Abgeordnetem Peter Fichtenbauer (F) angezweifelt, der einen "Kriminalreisetourismus"
befürchtete – eine Befürchtung, die von S-Abgeorndeter Gisela Wurm unter Hinweis auf Schengen zurückgewiesen
wurde.
Für die Grünen sah Abgeordneter Albert Steinhauser im Haftentlastungspaket ebenfalls einen Schritt in
die richtige Richtung, wobei er allerdings kritisierte, dass in der Regierungsvorlage einzelne Punkte gegenüber
dem Ministerialentwurf zurückgenommen worden seien. Kritisch äußerte sich der Abgeordnete bezüglich
der Zeitvorgabe von zehn Wochenstunden für gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafen. Auch sein
Fraktionskollege Wolfgang Zinggl befürwortete die Linie des Entwurfs "eingliedern statt wegsperren"
und begrüßte die Möglichkeit, statt Ersatzfreiheitsstrafen gemeinnützige Leistungen zu erbringen.
Umfassende Kritik am Haftentlassungspaket übte hingegen B-Abgeordneter Gernot Darmann. Es sei zu fragen, ob
die vorzeitige Entlassung ausländischer Straftäter mit der EU abgesprochen bzw. EU-Rechts-konform sei;
die Schwere der Tat sei nicht definiert; es werde nicht nach Deliktarten differenziert; auch eine elektronische
Fußfessel könne eine Straftat nicht verhindern. Er sprach sich dafür aus, unterstützende Maßnahmen
wie Bewährungshilfe auch nach Verbüßung der gesamten Strafe vorzusehen und richtete an Justizministerin
Maria Berger die Frage, weshalb keine neuen Haftanstalten gebaut würden. F-Abgeordneter Fichtenbauer wollte
wissen, wie die Regelung im Falle von Personen mit Doppelstaatsbürgerschaft aussehe.
Während Mandatarinnen der ÖVP (Barbara Riener, Gertrude Brinek) auf einzelne Details eingingen bzw. Detailfragen
an die Justizministerin richteten, wiesen die Abgeordneten der SPÖ (Bettina Stadlbauer, Otto Pendl, Sonja
Ablinger) die Kritik des Abgeordneten Darmann ebenso zurück wie G-Mandatar Albert Steinhauser.
Justizministerin Maria Berger stellte zunächst grundsätzlich fest, dass Österreich führend
bei der Verhängung von Freiheitsstrafen sei; es sei daher über Alternativen nachzudenken. Abgeordnetem
Steinhauser gab die Ministerin zu bedenken, dass die gemeinnützigen Arbeiten in der Freiheit geleistet werden
müssten; die zehn Stunden seien als Durchschnitt und vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich die Maßnahme
auch nicht zu lange hinziehen solle. Die Vermittelbarkeit auf den Arbeitsmarkt solle dadurch jedenfalls nicht beeinträchtigt
werden, betonte Berger. Ein Ausbau der Gerichtshilfe sei geplant. Für EU-Bürger gebe es in zwei Jahren
den Vollzug im jeweiligen Heimatstaat. Die vorgesehene Regelung – Ausreise nach der Hälfte der Strafe und
Verbot der Wiedereinreise - richte sich an Personen, die nicht aufenthaltsverfestigt seien.
Abgeordneten Darmann teilte die Justizministerin mit, dass derzeit eine neue Haftanstalt gebaut würde, die
über 450 Haftplätze verfügen werde. Schon jetzt seien auch nach Verbüßung der vollen
Haftstrafe begleitende Maßnahmen möglich, allerdings auf freiwilliger Basis. |