Kommission stellt ihre Vision von einem modernen Binnenmarkt für alle vor  

erstellt am
20. 11. 07

Brüssel (ec.europa) - Die Europäische Kommission hat ein Bündel von Initiativen zur Modernisierung des Europäischen Binnenmarktes vorgestellt: Dieser soll auf der Grundlage des bisher Erreichten den Europäern noch mehr Vorteile bringen. Der Binnenmarkt hat bereits zur Gründung wettbewerbsfähiger Unternehmen, sinkenden Preise sowie einer größeren Auswahl für die Verbraucher beigetragen und hat Europa für Investoren attraktiv gemacht. Den Maßnahmen der Kommission liegen umfangreiche Konsultationen zugrunde. Mehr noch als bisher soll der Binnenmarkt von der Globalisierung profitieren, die Verbraucher stärken, offen sein für Kleinunternehmen, Innovationen stimulieren und zur Wahrung hoher sozialer und ökologischer Standards beitragen. Die wichtigsten Initiativen des heute von der Kommission angenommenen Binnenmarktpakets betreffen Folgendes: Hilfe für die Verbraucher bei der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte und der grenzübergreifenden Geltendmachung von Rechtsbehelfen, bessere Information von Verbrauchern und Kleinunternehmen, Abhilfe in Bereichen, in denen der Binnenmarkt noch Mängel aufweist, Vorschlag einer spezifischen Regelung für Kleinunternehmen, Einführung eines „Forscherpasses“, Anwendung der EU-Vorschriften auf Dienstleistungen, auch soziale Dienstleistungen, von allgemeinem Interesse und Förderung der Qualität sozialer Dienstleistungen in der gesamten EU.

Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte hierzu: „Bei dem heutigen Maßnahmenpaket stehen Verbraucher und Kleinunternehmen im Vordergrund. Wir stehen am Beginn einer neuen Phase des Binnenmarktes. Wir müssen die vorhandene gute Grundlage noch besser nutzen. Deshalb wollen wir Verbraucher und Kleinunternehmen mithilfe des Verbraucherbarometers, der spezifischen Regelung für Kleinunternehmen und des „Binnenmarkt-Helpdesks“ stärken. Wir werden dort an der Beseitigung von Engpässen arbeiten, wo die Vorteile des Binnenmarktes noch nicht in vollem Umfang bei den Verbrauchern angekommen sind – so, wie wir das bereits im Falle der Roaming-Gebühren für die Mobiltelefonie getan haben. Ein Binnenmarkt für alle erfordert eine ausgeprägte soziale Dimension, weshalb wir heute auch die soziale Vision der Kommission und spezifische Maßnahmen für Fortschritte bei Dienstleistungen und sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vorstellen. Dieses ausgewogene Paket steht für einen Binnenmarkt, der mehr noch als bisher Europa unter den Bedingungen der Globalisierung stärkt, Wachstum und Beschäftigung fördert, gerechte Preise gewährleistet und zur sozialen Sicherung sowie zum Umweltschutz beiträgt.“

Stärkung der Verbraucher
Die Kommission möchte, dass die Verbraucher mehr Rechte haben und dass sie besser informiert sind – in ihrem eigenen Interesse, aber auch, um Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu stärken. So wird sie beispielsweise im Dezember verbesserte Vorschriften zur Lebensmittelkennzeichnung vorschlagen und 2008 Vorschläge auf dem Gebiet des Verbrauchervertragsrechts und der kollektiven Rechtsbehelfe unterbreiten, damit künftig Menschen aus allen Teilen der EU eine Beschwerde gegen ein Unternehmen gemeinsam verfolgen können. Ferner werden Maßnahmen zur Verbesserung der Beobachtung des Arzneimittelmarktes und der Arzneimittelinformation vorgeschlagen. Außerdem wird die Kommission Vorschläge zur weiteren Integration der Märkte für Finanzdienstleistungen für Privatkunden, zur Verbesserung der Kenntnisse der Verbraucher in Finanzangelegenheiten und zur Erleichterung des gebührenfreien Wechsels der kontenführenden Bank vorlegen.

Die Globalisierung für alle Europäer nutzbar machen
Die Kommission ist der festen Überzeugung, dass die Vorteile der Globalisierung nicht nur von etablierten Interessengruppen mit übermäßiger Marktmacht „abgesahnt“ werden dürfen, sondern dass sie allen EU-Bürgern zugute kommen müssen.

Die Kommission wird daher tätig werden, wenn die Märkte den Verbrauchern nichts bringen. Das Beispiel des Textilmarktes hat gezeigt, dass aufgrund von Engpässen und fehlenden Wettbewerbs die Vorteile der Marktöffnung nicht immer an die Endverbraucher weitergegeben werden. Die Kommission wird eine Reihe von Wirtschaftszweigen eingehender untersuchen und Vorschläge unterbreiten, wenn die Märkte nicht wirksam funktionieren.

In dem Maßnahmenpaket legt die Kommission dar, welchen Wert der Binnenmarkt in einer globalisierten Welt hat, wenn Europa mit Drittstaaten über Marktöffnung und Regelungskonvergenz verhandelt und dabei bewährte europäische Vorgehensweisen einbringen kann.

Regelung für Kleinunternehmen
Die Kommission wird 2008 eine spezifische Regelung für Kleinunternehmen vorschlagen, die darauf abzielt, Verwaltungsaufwand zu verringern, die Beteiligung von KMU an EU-Programmen und an öffentlichen Aufträgen zu steigern und Hemmnisse für grenzübergreifende Tätigkeiten abzubauen, wozu auch ein Statut für eine Europäische Personengesellschaft beitragen könnte. Außerdem wird die Kommission prüfen, inwiefern das Wachstum der KMU durch die Steuerpolitik beeinträchtigt wird.

Wissen und Innovation im Binnenmarkt
Eine neue Strategie auf dem Gebiet der Normung soll dazu beitragen, dass FuE-Ergebnisse auf die Märkte gelangen und dass Energie sparende Technologien rascher angenommen werden. Aufbauend auf dem in der vergangenen Woche vorgelegten Maßnahmenpaket zur elektronischen Kommunikation, einem Kernelement des neuen Binnenmarktes, wird die Kommission 2008 Initiativen zum Universaldienst und zur Interoperabilität von E-Government-Systemen vorstellen. Die Kommission bemüht sich ferner um Fortschritte beim gemeinsamen EU-Patentschutz und wird zur Förderung der Mobilität von Forschern die Einführung eines „Forscherpasses“ vorschlagen.

Besseres Binnenmarkt-Management
Das im Rahmen des Halbzeitberichts über die Wachstumsstrategie 2005-2010 im Dezember angekündigte überarbeitete Lissabon-Programm der Gemeinschaft wird die Binnenmarktprioritäten noch umfassender als in der Vergangenheit widerspiegeln. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert werden, in ihren Jahresberichten über die Lissabon-Strategie auch Angaben zum Funktionieren des Binnenmarktes zu machen.

Die Kommission wird zusammen mit hohen Beamten der Mitgliedstaaten ermitteln, wie die Mitgliedstaaten am besten bei der Durchführung und Durchsetzung der EU-Politik unterstützt werden können, etwa durch „Binnenmarktzentren“ auf nationaler Ebene. Die Kommission wird Vertragsverletzungen gegebenenfalls streng verfolgen und zugleich das SOLVIT-Netz unterstützen, das 80 % der ihm vorgetragenen Fälle ohne Gerichtsverfahren löst.

Die Kommission hat ein Pilotprojekt für „Binnenmarktbotschafter“ initiiert, die zunächst die Vertretungen der Kommission in den Mitgliedstaaten besuchen werden, um das heute vorgelegte Paket den Betroffenen sowie den jeweiligen nationalen und lokalen Medien zu erläutern. Außerdem richtet die Kommission das „Binnenmarkt Helpdesk“, eine neue einheitliche Anlaufstelle für Bürger und Unternehmen, ein.

Der Binnenmarktanzeiger wird ab 2008 die Leistung des Binnenmarktes insgesamt erfassen und sich nicht mehr auf Umsetzungsfristen und Vertragsverletzungsverfahren konzentrieren. Außerdem wird der Binnenmarktanzeiger ein „Verbraucherbarometer“ enthalten, mit dem die Leistung der Verbrauchermärkte erfasst wird.

Die soziale Dimension
Der Binnenmarkt zeichnete sich stets durch eine starke soziale Dimension aus. Sein Erfolg ging Hand in Hand mit Solidarität und Zusammenhalt.

Zur heute vorgelegten Dokumentenreihe der Kommission gehört auch ein Papier über die gesellschaftliche Vision für das Europa des 21. Jahrhunderts. Die Bürger Europas müssen in einer globalisierten Welt Zugang zu Ressourcen erhalten, die ihre “Chancen” im Leben verbessern und die es ihnen ermöglichen, Andere an ihrem wachsenden Wohlstand teilhaben zu lassen.

Die Kommission stellt dabei in einigen Bereichen einen Investitionsbedarf fest, der in erster Linie von den Mitgliedstaaten gedeckt werden muss, wozu Europa aber seinen Teil beitragen kann. Diese Bereiche sind: Jugend, berufliche Laufbahnentwicklung, längeres und gesünderes Leben, Gleichstellung von Mann und Frau, soziale Eingliederung und Diskriminierungsverbot, Mobilität und Integration, Kultur, Partizipation und Dialog.

Das Kommissionspapier über die gesellschaftliche Vision vervollständigt die Anhörung zur sozialen Wirklichkeit, die noch bis 15. Februar 2008 läuft. Hieraus soll eine neue Sozialagenda entwickelt werden, die die Kommission Mitte 2008 vorlegen wird.

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse

Zu dem Paket gehört auch eine Mitteilung über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen. Darin wird die Rolle des dem Entwurf des Vertrags von Lissabon beigefügten Protokolls über Dienste von allgemeinem Interesse hervorgehoben, das diesen Diensten politische Sichtbarkeit verleiht.

In der Mitteilung wird auch Bezug genommen auf Initiativen, die die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften, insbesondere im Bereich der staatlichen Beihilfen und des öffentlichen Auftragswesens, verdeutlichen und den staatlichen Stellen sowie Dienstleistern und Nutzern dabei helfen sollen, die Vorschriften besser zu verstehen und anzuwenden.

Grundsätzlich finden die EU-Binnenmarkt- und Wettbewerbsregeln auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, d.h. auf solche, die gegen Entgelt erbracht werden wie im Telekommunikations-, Energie-, Verkehrs- und Postsektor, Anwendung. Dabei werden jedoch die Besonderheiten derartiger Leistungen berücksichtigt, damit ihre tatsächliche Erbringung nicht verhindert wird. Nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wie die Tätigkeiten von Polizei und Justiz und die gesetzliche Sozialversicherung fallen nicht unter diese Vorschriften. Die Bemühen um Orientierungshilfe erstrecken insbesondere auch auf die Sozialdienstleistungen.

Ferner wird eine Strategie zur Förderung der Qualität von Sozialdienstleistungen, beispielsweise beim sozialen Wohnungsbau, bei der Kinderbetreuung und bei der Unterstützung von bedürftigen Familien und Personen vorgeschlagen.

Die Mitteilung bereitet die Ergebnisse des vorangegangenen Weißbuchs und der umfassenden Anhörung zu diesem Thema auf. Sie nimmt ferner Bezug auf den Beitrag des Europäischen Parlaments zu der Debatte. In erster Linie werden jedoch die Grundsätze ausgeführt, die in dem dem Vertrag von Lissabon beigefügten Protokoll über Dienste von allgemeinem Interesse verankert sind. Das Protokoll stellt eine echte Neuerung dar und schafft eine solide Rechtsgrundlage für die Definition von Diensten von allgemeinem Interesse. Die Kommission will nun von der Theorie zur Praxis schreiten und praktische Reformen zu bestimmten Themenbereichen einleiten mit dem Ziel, die soziale Rolle von Diensten von allgemeinem Interesse zu wahren und deren Qualität und Bezahlbarkeit und damit auch die Lebensqualität der Bürger zu verbessern.

Die Umweltdimension
Die europäischen Erfahrungen auf dem Gebiet des Umweltschutzes und der Schaffung einer kohlenstoffarmen Wirtschaft haben die weltweite Strategie beeinflusst und Europa innerhalb und außerhalb seiner Grenzen neue Exportmärkte für umweltverträgliche Produkte und Dienstleistungen erschlossen. Im Binnenmarkt ist auch künftig darauf zu achten, dass die Marktpreise die tatsächlichen Kosten der Güter und Dienstleistungen für die Gesellschaft widerspiegeln. Das Streben nach Nachhaltigkeit ist der Motor für Innovationen und eine Investition, die sich für künftige Generationen auszahlt.

Hintergrund
Zu dem Grundsatzdokument "Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts" gehört ein Bündel von Begleitdokumenten: ein Übersicht über die Errungenschaften des Binnenmarktes, ein Papier über mögliche Verbesserungen am Binnenmarkt durch bessere Verwaltung und besseres Regieren, jeweils ein Dokument zur Außendimension (Ausweitung des europäischen Einflusses in der Welt mit Hilfe des Binnenmarktes) und zu den Möglichkeiten einer verbesserten Überwachung von Schlüsselmärkten und –sektoren sowie Strategiepapiere zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und zur gesellschaftlichen Vision für Europa.

In ihrer Mitteilung vom Mai 2006 "Eine bürgernahe Agenda: Konkrete Ergebnisse für Europa" kündigte die Kommission eine ausführliche Bestandsaufnahme zum Binnenmarkt an. Auf der Tagung des Europäischen Rates vom März 2007 legte sie den Staats- und Regierungschefs einen Zwischenbericht vor, in dem sie sich verpflichtete, ein ehrgeiziges und umfassendes Paket von Unterlagen zum Binnenmarkt vorzulegen. Auf dem Frühjahrsgipfel 2008 sollen neue Binnenmarktprioritäten verabschiedet werden.
 
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