Wien (oenb) - Wechselkurse sind für die Wettbewerbsposition eines Landes bedeutend, aber zweifellos
nicht der einzige wichtige Faktor. Trotz realer Aufwertung konnten die neuen EU-Mitgliedsstaaten ihre Wirtschaftskraft
stärken. Nicht die Geldpolitik sondern nur Strukturreformen können die Wettbewerbsprobleme einzelner
Mitgliedsstaaten lösen, so Josef Christl, Direktor der Oesterreichischen Nationalbank am zweiten Tag der diesjährigen
Conference on European Economic Integration.
Als Beleg für die geringe Bedeutung des Außenwertes einer Währung als Wettbewerbsfaktor wertet
Direktor Christ, dass die zwölf neuen EU-Mitgliedsstaaten Zentral- und Osteuropas es trotz realer Aufwertung
geschafft haben, ihren Rang in der Weltwirtschaft als sicherer Investitionsstandort auszubauen.
Innerhalb einer Währungsunion habe der Wechselkurs überhaupt keine Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit.
Notwendige Anpassungen können hier nur mehr über Löhne und Preise erfolgen. Einige Länder des
Euroraums weisen ein relativ starkes Wachstum ihrer Lohnstückkosten auf. "Die gemeinsame Geldpolitik
des Eurosystems kann und wird nicht die Wettbewerbsprobleme einzelner Mitgliedsstaaten lösen.", so Christl
wörtlich. Stattdessen sind ehrgeizige Reformen auf den Güter- und Arbeitsmärkten notwendig, wie
etwa in der Lissabon-Agenda festgelegt. Diese verbessern die Kosteneffizienz, regen erfinderische Kapazitäten
sowie Bildungsbereitschaft an und dienen so Wachstum und Beschäftigung.
Bezüglich der aktuellen Diskussionen über den Einfluss des Euros auf die Wirtschaft weist Christl den
Ruf nach ausdrücklicher Einbeziehung von Wechselkursüberlegungen in die geldpolitische Strategie der
EZB zurück. Zwar beeinträchtigt ein starker Euro die Exporterlöse kurzfristig, belebt aber gleichzeitig
die Binnenwirtschaft. Preiswertere Importe erhöhen nämlich das Realeinkommen der Haushalte und dadurch
die Konsumausgaben. Und sie halten auch die Inflation in Zaum. Dieses scheint in Zeiten steigender Ölpreise
besonders wichtig zu sein. Eine Manipulation des Wechselkurses hingegen kann Wettbewerbsdefizite, wenn überhaupt,
nur kurzfristig mildern. Eine harte Währung kann jedoch zu struktureller Dynamik beitragen indem sie die Wirtschaft
zur Produktivitätssteigerung ermuntert, hielt Direktor Christl abschließend fest.
Weitere prominennte Redner des heutigen Konferenztages sind Lorenzo Bini-Smaghi, Mitglied des EZB-Direktoriums
und Wolfgang Reithofer, Vorstandsvorsitzender der Wienerberger AG. |