Physiker der Universität Stuttgart stellen weltweit erste dreidimensionale optische Metamaterialien
her
Stuttgart (idw) - Metamaterialien haben vor wenigen Jahren die Welt der Optik revolutioniert. Es
handelt sich dabei um Nanostrukturen, meistens aus Gold oder Silber, die in Glas eingebettet werden und viel kleiner
als die Wellenlänge des Lichtes sind. Forschern um Prof. Harald Gießen vom 4. Physikalischen Institut
der Universität Stuttgart ist es jetzt gelungen, die weltweit ersten dreidimensio-nalen Metamaterialien für
den optischen Wellenlängenbereich herzustellen. Das Verfahren wurde in der renommierten Fachzeitschrift Nature
Materials vom 2. Dezember vorgestellt.
Das Phänomen der Brechung kennen schon Kinder: Hält man einen Stock in einen Teich, sieht er aus, als
wäre er unter Wasser abgeknickt. Der Grund dafür ist der Brechungsindex des Wassers, der höher ist
als der für Luft. Nach diesem Prinzip funktionieren auch Glaslinsen, aus denen man Brillen, Teleskope und
Objektive für Kameras und Mikroskope bauen kann. Im 20. Jahrhundert wurden die Möglichkeiten der Optik
in diesem Bereich bis an die Grenzen ausgereizt. Vor drei Jahren jedoch katapultierte die Entwicklung der ersten
Metamaterialien die Optik in neue Dimensionen. Die oft nur wenige Dutzend Nanometer "großen" Strukturen
führen dazu, dass die Lichtwelle über die Strukturen und die Zwischenräume mittelt und sich die
Nanostruktur wie ein neues, künstliches Material verhält. Dies hat es Physikern erlaubt, zum ersten Mal
Materialien herzustellen, die einen Brechungsindex haben, der kleiner als Null ist. Hätte man eine Metamaterial-Flüssigkeit
mit einem negativen Brechungsindex, so würde der in obigem Beispiel beschriebene Stock nicht nur abknicken,
sondern sogar gleichzeitig gespiegelt werden.
Metamaterialien nutzen ein physikalisches Phänomen aus: Licht ist nämlich eine elektromagnetische Welle.
Seit 2004 konnte man erstmals die magnetischen Eigenschaften des Lichts verändern. Der Trick ist ganz einfach:
man ordnet die Nanostrukturen in den Metamaterialien wie kleine Schwingkreise an, die aus Spulen und Kondensatoren
bestehen. Ein solcher Schwingkreis hat zum Beispiel die Form eines "U". Kombiniert man nun elektrische
und magnetische Eigenschaften des Materials geschickt, so ergibt sich ein negativer Brechungsindex. Zunächst
konnten allerdings nur relativ simple Schichten aus kleinen Metallstrukturen hergestellt worden. Linsen aus Metamaterialien
mit negativem Brechungsindex erfordern jedoch Volumenmaterialien. Jetzt ist es im Nanostrukturlabor der Universität
Stuttgart gelungen, die weltweit ersten dreidimensionalen Metamaterialien für den optischen Wellenlängenbereich
herzustellen. Die Stuttgarter Methode ist geeignet, beliebig dicke und akkurat angeordnete Schichtstapel herzustellen.
Welche Anwendungen sich aus den neuen Metamaterialien ergeben, ist noch nicht vollständig abzusehen. Vorhergesagt
werden perfekte Linsen, die noch bessere Mikroskope erlauben und das Abbe'sche Beugungslimit durchbrechen. Sogar
optische Tarnkappen, die ganze Gegenstände unsichtbar machen, sollen möglich werden. In den nächsten
drei Jahren werden die Stuttgarter Wissenschaftler die Möglichkeiten im Verbund mit dem Max Planck Institut
für Festkörperforschung und mit den Universitäten Karlsruhe und Jena weiter erforschen. Das Bundesministerium
für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Arbeiten bereits. |