Debatte um Agrarpolitik  

erstellt am
30. 11. 07

 Kalina: "Es ist Zeit für eine gerechte Agrarpolitik"
Unter ÖVP-Ministern mussten in letzten Jahren pro Tag 13 Höfe zusperren - Kaufmann fordert gerechtere Verteilung der EU-Agrarförderungen
Wien (sk) - "Es ist Zeit für eine gerechte Agrarpolitik", betonte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina am 29.11. in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der neuen Vorsitzenden der SPÖ-Bauern Monika Kaufmann. Wesentlichste Forderung der beiden SPÖ-PoltikerInnen ist, dass es zu einer gerechteren Verteilung der EU-Agrarförderungen kommt. Es müsse weniger Geld für besonders große Betriebe und mehr für kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe geben, so Kaufmann. Kalina fordert zum von Landwirtschaftsminister Pröll, dass es bereits 2008 zu einer Offenlegung der EU-Agrarförderungen kommt.

Der SPÖ-Bundesgeschäftsführer warf der ÖVP vor, "sich mit Zähnen und Klauen gegen Transparenz im Bereich der Agrarförderung zu wehren - und sie weiß, warum sie das tut". Denn würde es diese Transparenz geben, dann würde es "eine Art von Bauernaufstand gegen diese ÖVP-Agrarbürokratie geben". Mit einem runden Gefäß und einem Krug voller Münzen und Geldscheine veranschaulichte Kalina, warum sich immer mehr Bauern von der ÖVP abwenden. Denn der Großteil der Förderungen aus dem üppig gefüllten Fördertopf kommt nicht dort an, wo er ankommen sollte - nämlich bei den kleinen Bauern -, sondern landet in einer "schwarzen Sickergrube" - und fließt dann zu den reichen Großbauern.

Dass in dem Bereich der Agrarförderung fast "alles schief läuft", würde die Zahlen aus dem "Grünen Bericht" des Landwirtschaftsministers sehr deutlich zeigen, so Kalina. Demnach bekommen die oberen vier Prozent der gesamten österreichischen landwirtschaftlichen Betriebe fast 20 Prozent, also ein Fünftel, aller Förderungen, die in diesen Topf gefüllt werden, während die unteren 29 Prozent der Betriebe nur vier Prozent vom gesamten Förderkuchen bekommen.

Kalina fordert Landwirtschaftsminister Pröll angesichts dieser Fakten auf, nicht bis "zur letzten Sekunde - bis es ihm die EU aufzeigt - darauf zu warten", die EU-Agrarförderungen offenzulegen. Pröll soll diesen Schritt bereits 2008 tun, damit die Bauern wissen, wer den "Löwenanteil" an den Geldern erhält. Als weitere Forderungen der SPÖ nannte der SPÖ-Bundesgeschäftsführer eine Obergrenze bei den Direktzahlungen, die Beibehaltung der Milchquote und mehr Investitionen in den Ländlichen Raum statt in die Agrarbürokratie.

Die Reaktionen aus der ÖVP zu den Vorschlägen der EU-Kommission nach mehr Transparenz bei Agrarförderungen und neue Verteilung der Mittel zeigen, dass die ÖVP weiterhin nur als Vertreter der Großbauern auftritt. So hat Minister Pröll die Offenlegung einzelner Mitgliedsstaaten abgelehnt und gefordert, dass es eine zentrale und einheitliche Offenlegung durch Brüssel gibt. Der Grund sei klar: Die kleinen Bauern hätten es dann "schwarz auf weiß", dass die ÖVP nichts für sie tut. Auch die Weigerung von Pröll, bis 2013 keine Reformen durchführen zu wollen, sei ein Ausdruck schlechten Gewissens. Auffallend ist für Kalina zudem, dass die ÖVP-Agrarlobby immer sofort gemeinsam - etwa Fritz Grillitsch, ÖVP-Bauernbundpräsident, und Gerhard Wlodkowski, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich - mit Pröll zur Verteidigung der Agrarförderungen zu Gunsten der großen Agrarbetriebe ausrücken.

"Menschen haben es satt, von ÖVP-Agrarbürokraten angeschwindelt zu werden"
Wohin die Politik der ÖVP geht, zeige auch der "Zahlenfriedhof", der das Bauernsterben in den letzten Jahren veranschaulicht. So habe es im Jahr 1999 laut Statistik Austria noch 217.508 landwirtschaftliche Betriebe, 2005 nur mehr 189.591 Betriebe gegeben. "Das heißt, in den sechs glorreichen Jahren Schüssel-Molterer-Pröll Landwirtschaftregentschaft sind 27.917 österreichische Bauerhöfe für immer geschlossen worden." Das sind 4.653 pro Jahr oder 13 Höfe täglich, die zusperren müssen.

Weiters führte Kalina aus, dass pro Tag drei Vollerwerbsbauern ihren Betrieb zusperren oder sich einen Nebenjob suchen müssen. Dramatisch sei die Entwicklung bei den Bergbauern: 1999 gab es noch 85.419 Bergbauernhöfe, bis 2005 sind 13.266 Bergbauernhöfe "entschlummert". Das sind pro Jahr 2.211 oder 6 Bergbauerhöfe pro Tag, die unter ÖVP-Landwirtschaftsminister zusperren müssen. Und die Zahl jener, die in der Landwirtschaft beschäftigt sind, habe sich seit 1999 um 50.000 reduziert. "Das ist das nackte Ergebnis der ÖVP-Agrarpolitik."

Angesichts dieser Entwicklung betonte Kalina: "Es schreit nach Reform. Es ist Zeit für eine gerechte Agrarpolitik". Die Landwirtschaft braucht das Geld, die Konsumenten wollen eine funktionierende, der Landschaft, dem Land, der Tradition angepasste Landwirtschaft - und "sie haben es satt von Agrarbürokraten der ÖVP dauernd angeschwindelt zu werden". Denn "unter dem Deckmantel dieser heilen Welt findet ein ungebremstes Bauernsterben statt und es werden Großgrundbesitzer und Adelige mit Millionenbeträgen gefördert", so Kalina.

Die Vorsitzende der SPÖ-Bauern Monika Kaufmann machte deutlich, dass eine Pressekonferenz eigentlich gar nicht ausreiche, die von der ÖVP verteidigte ungerechte Agrarförderung dazulegen - "dazu bedürfte eines Buchpräsentation". Kaufmann unterstrich weiters, dass es bei den Direktzahlungen zu Reformen kommen müsse. Es müsse zu einer stärkeren Umverteilung kommen müssen, im Vordergrund müssten die Arbeitsplätze stehen. Aus Sicht der SPÖ-Politikerin ist es ungerecht, dass nicht jene die Prämien bekommen, die die Gründe bewirtschaften.

Kritik übte Kaufmann am von Minister Pröll ausverhandelten ÖPUL-Programm. "Das ÖPUL-Programm 2005 hat noch 650 Millionen Euro Förderung beinhaltet. Das ÖPUL-Programm 2007 nur mehr 535 Millionen. Das ist eine Kürzung um 115 Millionen Euro - Geld für die Bauern." Das sei eine sehr große Summe, die für die Bauern sicher spürbar und merkbar ist. Die besonderen Verlierer in diesem Programm seien die Berg- und Grünlandbetriebe, vor allem auch hier zum Großteil die kleinen und mittleren Betriebe. "Ihnen hat man den Grundbetrag einfach weggenommen, ein wichtiger Betrag für diese Bauern", so Kaufmann.

Außerdem kritisierte Kaufmann, dass in der Modulation die Biobetriebe mit dem konventionellen Betrieben gleichgestellt wurden. Und die die versprochene und notwendige Verwaltungsvereinfachung ist auch nicht passiert, sondern es werde alles viel komplizierter und auch undurchschaubarer. "Der Bauer wird sozusagen mit Formularen zugeschüttet." Das von Pröll und dem Bauernbund groß angekündigte gute Verhandlungsergebnis für das Agrarumweltprogramm sei also "nicht eingetroffen". Als weitere Forderungen der SPÖ-Bauern nannte Kaufmann gerechte Sozialversicherungsbeiträge und eine klare Produktkennzeichnung.

Kalina zeigte sich erfreut, dass mit Monika Kaufmann erstmals eine Frau an der Spitze der SPÖ-Bauern steht, Kaufmann sei eine engagierte Bäuerin, die ganz genau weiß, welchen Nöte vielen Bauern in unserem Land ausgesetzt sind.

 

 Grillitsch: SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer muss sich öffentlich entschuldigen
Missethon: SPÖ ist immer noch im Klassenkampf verhaftet
Wien (övp-pk) - "SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina bedient sich widerwärtigster Kampfrhetorik im Stil der 30er-Jahre und bezeichnet die ÖVP-Bauernvertreter wörtlich als 'ständestaatlich'. Damit beschwört er einen Klassenkampf ganz im Stil der SPÖ herauf", zeigte sich heute Bauernbundpräsident Fritz Grillitsch empört über die jüngsten Aussagen Kalinas bei der Pressekonferenz zum Health Check. Von Kanzler Alfred Gusenbauer fordert der Bauernbundpräsident eine öffentliche Entschuldigung für diese politische Entgleisung von dessen Parteigenossen. "Mit einer SPÖ, die die schwierige Vergangenheit Österreichs offensichtlich nicht überwunden hat, ist keine Politik zu machen", so Grillitsch.

"Wieder einmal hat die SPÖ damit gezeigt, dass sie nicht wirklich daran interessiert ist, die Interessen unserer Bäuerinnen und Bauern zu vertreten. Anstatt für sie konstruktiv zu arbeiten, zeigt sich Kalina einmal mehr als Populist der übelsten Sorte", kritisierte der Bauernbundchef. Kalinas heutiger "Schrei" nach einer Reform der Agrarpolitik zeige, dass die SPÖ nichts von Rechtssicherheit und Planbarkeit für unsere bäuerlichen Familienbetriebe halte. "Die letzte Reform ist noch nicht mal verdaut, will die SPÖ schon eine neue. Wer so etwas fordert, kann die Interessen unserer Bauern nicht wirklich vertreten. Die Landwirte brauchen nun stabile Verhältnisse, um auf ihren Höfen wirtschaften zu können anstelle ständiger Systemwechsel. Anstatt den Bauern Erleichterungen zu geben wie beispielsweise durch eine Novelle des Marktordnungsgesetzes setzt die SPÖ auf Klassenkampf im Stil der 30er-Jahre", kritisierte Grillitsch.

Missethon: SPÖ ist immer noch im Klassenkampf verhaftet
"Die Vertreter der Landwirte als ständestaatlich zu bezeichnen und damit gleichsam alle österreichischen Bauern massiv zu verunglimpfen ist eine unfassbare Entgleisung der SPÖ", sagt ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon. "SPÖ- Vorsitzender Gusenbauer hat seine Scharfmacher nicht mehr im Griff. Gusenbauer muss sich im Namen der SPÖ bei den Bauern für diese Entgleisung seines Parteisekretärs öffentlich entschuldigen", fordert Missethon.

"Kalina zeigt mit dieser Aussage das wahre Gesicht der Sozialisten. Die Gusenbauer-SPÖ ist immer noch im Klassenkampf verhaftet." Missethon wertet die Kalina-Aussage auch als höchst bedenklich für das sozialpartnerschaftliche Klima, das sich in den letzten Jahrzehnten in Österreich so positiv entwickelt hat. Als absolut unglaubwürdig verurteilt Missethon die Agrarpolitik der SPÖ: "Vergeblich versucht die SPÖ, den Kleinbauern Honig ums Maul zu schmieren - wie sie aber wirklich über unsere Landwirte denkt, das sieht man jetzt."

Dass sich die SPÖ für die Interessen der Landwirte noch niemals interessiert hat, ist nichts Neues und ein Faktum, dass die Bauern bei allen Wahlen selbst beantworten. "Aber eine derartige Verunglimpfung einer für Österreich so wichtigen Berufsgruppe hat in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz. Kalina ist offenbar in den Dreißigerjahren stecken geblieben - sein Parteivorsitzender Gusenbauer muss diese Klassenkampf-Rhethorik sofort unterbinden", schließt der ÖVP-Generalsekretär.

 

 Pirklhuber: Gesundheitscheck der österreichischen Agrarpolitik notwendig
Grüne fordern: Historisches Betriebsprämienmodell unter die Lupe nehmen
Wien (grüne) - "Der Health Check der EU-Agrarreform und die Offenlegung der Agrarförderungen müssen zum Anlass genommen werden, die Agrarförderungen gerechter und ökologisch sinnvoller zu verteilen", verlangt der Landwirtschaftssprecher der Grünen Wolfgang Pirklhuber. Damit widerspricht Pirklhuber vehement den heutigen Aussagen des Vorsitzenden der Landwirtschaftskammern Österreichs Gerhard Wlodkowski, wonach bei den Betriebsprämien nichts geändert werden dürfe.

"Das in Österreich eingeführte historische Betriebsprämienmodell ist ungerecht, wettbewerbsverzerrend und für viele Betriebe ruinös. Es berücksichtigt weder die Arbeitskraft noch ökologischen Leistungen und kaum soziale Komponenten wie die Betriebsgröße. Es belohnt jene, die schon bisher am meisten vom Förderkuchen abbekommen haben und bestraft jene, die im Referenzzeitraum 2000-2002 ihre Flächen innovativ mit Alternativkulturen angebaut oder biologisch bewirtschaftet hatten", kritisiert Pirklhuber und fordert: "Es muss ein Modell entwickelt werden, welches die klein- und mittelbäuerliche Landwirtschaft stärker berücksichtigt, die eingesetzte Arbeitskraft belohnt und zu einheitlichen Prämiensätzen je Hektar Acker und Grünland führt".

Diese Chance solle der Landwirtschaftsminister und die bäuerliche Interessensvertretung rechtzeitig ergreifen, statt mit Zähnen und Klauen bestehende Ungerechtigkeiten zu verteidigen. "Bei den aktuellen Verhandlungen zum Marktordnungsgesetz muss die SPÖ eine Korrektur dieses Prämienmodells durchsetzen und endlich die Kommission einberufen, die alle Härte- und Problemfälle prüft und faire Lösungen anbietet", argumentiert Priklhuber. Zustimmung bekommt Wlodkowski von Pirklhuber hinsichtlich der Beibehaltung der Milchquote im Alpenraum auch nach 2015 und der Schaffung eines funktionierenden EU-Außenschutzes gegen Öko- und Sozialdumping beim Import von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Rohstoffen.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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