IHS-Chef Felderer: "Unternehmer waren die Helden der vergangenen 20 Jahre"   

erstellt am
30. 11. 07

Gastredner bei Sitzung des Wirtschaftsparlaments für Erhöhung der Lebenarbeitszeit
Wien (pwk) - "Erstaunliche Veränderungen" zum Positiven ortete IHS-Chef Bernhard Felderer in seiner Gastrede bei der Sitzung des Wirtschaftsparlaments, des höchsten Gremiums der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), am 29.11. in Wien: "Österreich steht heute in vielen Bereichen ausgezeichnet da", so der Wirtschaftswissenschafter. Und er konstatierte: "Die Unternehmer waren die Helden der vergangenen 20 Jahre."

Als ersten Wirtschaftsbereich nannte Felderer die Außenwirtschaft: Als "unglaubliche Erfolgsgeschichte" bezeichnete er die Tatasche, dass es gelungen sei, die Leistungsbilanz umzudrehen. 1995 und die Jahre davor wies sie ein "riesiges Minus" auf, 2006 betrug der Überschuss 2 Prozent des BIP.

Zudem ist es den Unternehmen gelungen, Österreich zu einem wettbewerbsfähigen Tourismusland auszubauen. Dies schlägt sich positiv in der wirtschaftlichen Gesamtbilanz nieder.Als positive Maßnahme im Dienstleistungsbereich ("der ist für uns eine gewisse Schwäche") nannte Felderer die Modernisierung der freien Berufe am Beispiel der Schaffung des neuen Berufsbildes "Bilanzbuchhalter".

Weiters sei es in den vergangenen Jahren gelungen, ein starkes Auslandskapital zu bilden: "Betrug die Quote Anfang der 1990er-Jahre noch 1,2 Prozent, liegt sie jetzt zwischen 5 und 6 Prozent", so der Wirtschaftsforscher.

In Sachen Pro-Kopf-Einkommen, betrachtet nach Kaufkraftparitäten, sei Österreich den USA knapp auf den Fersen: Innerhalb Europas liegt unser Land - noch vor Deutschland, Frankreich und Italien - gleichauf mit den Niederlanden, Dänemark und Finnland. "Da haben wir uns eine gute Position erarbeiten können", konstatierte Felderer.

"Durchaus vereinbar" sei es, dass das reale Lohneinkommen trotz sinkender Lohnquote zunimmt. "Die Armut nimmt in Österreich nicht ständig zu, sie ist nicht eine Geisel unseres Landes", hielt er fest. Drei Jahre hindurch hatte die Lohnsteigerung zuletzt jeweils knapp ein Prozent betragen, für kommendes Jahr prognostizierte zuletzt Felderer ein durchaus kräftiges Plus.

Das Sinken der Lohnquote machte Felderer seit den 70er-Jahren in allen Industrienationen aus, "und zwar ohne Ausnahme: Der Einsatz des Faktors Arbeit ist kleiner als der Einsatz des Faktors Kapital". Unternehmen hatten und haben hohe Investitionen zu leisten und Einsparungen zu realisieren; das seien "Verteidigungsmaßnahmen" zu Gunsten der Wettbewerbsfähigkeit. Daraus zu schließen, dass es mit der Einkommenssituation in Österreich im Argen liege, halte er für falsch: "Österreich hat im Vergleich zu den Ländern im Euro-Raum, zu den OECD-Ländern und den USA immer noch eine hohe Lohnquote. Im Steigen begriffen sei die Lohnquote in Schwellenländern wie etwa der Volksrepublik China. "Daher halte ich fest, dass eine sinkende Lohnquote durchaus vereinbar ist mit steigenden Realeinkünften."

In Sachen Einkommensumverteilung bezeichnete Felderer Österreich, genauso wie die Weltbank, als "Musterland", in dem auf Umverteilung gesetzt werde. Wie in Dänemark gibt es auch in Österreich nur geringe Ungleichheiten in der Umverteilung. "Die Weltbank spricht daher in diesem Zusammenhang von einem Austrian-Scandinavian block", führte Felderer aus.

Erfreulich sei auch das Sinken der Arbeitslosigkeit. Die Herausforderung, qualifizierte Mitarbeiter zu bekommen, sei groß. Aus Ländern im Osten Österreichs würden sie wohl kaum kommen, da sie dort selbst gebraucht werden.

Trotz alldem seien aber Reformen notwendig, und zwar in den Bereichen Infrastruktur, Gesundheit sowie beim Pensionssystem. Diesbezüglich sieht Felderer die Politik in der Pflicht: Die Unternehmer, "die Helden der vergangenen 20 Jahre", hätten gut gewirtschaftet, währenddessen der Staat dazu bloß - wenn überhaupt - Dinge bereitgestellt bzw. bestimmte Dinge auch nicht getan habe." Manches werde nach wie vor vor sich hergeschoben. "Aus der Bereitstellung von Infrastruktur etwa hat sich der Staat schleichend verabschiedet, er hat die Aufgaben an Tochterfirmen ausgelagert", sagte er im Hinblick etwa auf den Straßen- oder den Schienenverkehr. "Es wird zwar weiter funktionieren, aber man wird uns dafür tiefer in die Taschen greifen", sagte er.

Als unausweichlich erachtete Felderer die Erhöhung der Lebensarbeitszeit um sechs Jahre. Einsparungspotenzial im Gesundheitswesen ortete er im Krankenhausbereich. Der österreichische ‚Strukturplan Gesundheit' müsse umgesetzt werden, es gelte, Kompetenzen zu klären und Schwerpunkte bei den Krankenhäusern in den Bundesländern zu bilden. Und: Die Angelegenheit harre "jedenfalls einer Lösung, bei der die Bundesländer miteinander kooperrieren müssen", forderte Felderer.

Vehement trat der Wirtschaftsforscher dafür ein, dass auch Unternehmer in den Genuss der steuerlichen Vorteile, wie sie für Arbeitnehmer beim 13./14 Monatsgehalt bestehen, kommen sollen.
 
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