Notenbankgouverneur Liebscher besorgt über die Inflationsentwicklung   

erstellt am
29. 11. 07

Appell an öffentliche Hand, Wirtschaft und Arbeitnehmervertretung
Wien (pk) - Informationen über die aktuelle geld- und währungspolitische Situation erhielt der Finanzausschuss am Vormittag des 29.11. aus erster Hand, nämlich von Notenbank-Gouverneur Klaus Liebscher und Vizegouverneur Wolfgang Duchatczek. Klaus Liebscher informierte zunächst über die Auswirkungen der von den USA ausgehenden "Immo-Krise" auf die internationalen Finanzmärkte, auf die Notenbanken und auch die Europäische Zentralbank mit zusätzlicher Liquiditätszuführung reagiert haben und damit den Geldmarkt beruhigen konnten. Die US-Notenbank habe den Leitzinssatz von 5,25 % auf 4,5 % gesenkt. Die Spannungen seien aber noch nicht vorüber. Die Wirtschaftsentwicklung im Euro-Raum sei von soliden Fundamentaldaten gekennzeichnet, wobei die EZB alles daran setze, Risken für die Preisstabilität nicht zum Tragen kommen zu lassen.

Die österreichische Wirtschaft zeige sich trotz Rekordpreisen auf dem Ölmarkt und der Wertsteigerung des Euro gegenüber dem Dollar robust. Für 2007 erwartet der Notenbankgouverneur ein Wachstum von 3,3 % bis 3,4 % und 2,4 % bis 2,6 % im Jahr 2008. Die Inflation, die bis zum Sommer moderat geblieben war, sei im Sommer auf 2 % und im Oktober auf 2,9 % gestiegen. Österreich liege damit um 0,3 % über dem Durchschnitt der Euro-Zone. Als Preistreiber haben sich Treibstoffe, Nahrungsmittel und der Wohnungssektor, aber auch die Erhöhung der MöSt herausgestellt. In diesem Zusammenhang appellierte Gouverneur Liebscher an alle Beteiligten - öffentliche Hand, Wirtschaft und Arbeitnehmervertreter - sich ihrer Verantwortung für die Preisstabilität und eine moderate Lohnentwicklung bewusst zu sein. Es gelte Zweitrundeneffekte zu vermeiden.

Um im Jahr 2010 einen ausgeglichenen Haushaltssaldo zu erreichen, seien weitere strukturelle Ausgabeneinsparungen notwendig, sagte der Notenbankgouverneur. 2007 sinke die Staatsschuldenquote dank eines hohen BIP-Wachstums auf unter 60 %.

In der Weltwirtschaft sah Liebscher den Höhepunkt des globalen Aufschwungs überschritten. Für 2008 werde das globale Wachstum mit 4,8 % geringer prognostiziert als zuletzt mit 5,2 %. Für die USA wird für 2008 trotz eines kräftigen Wachstums im 3. Quartal 2007 von 3,9 % ein Wachstum von 1,7 % bis 1,9 % prognostiziert. Die US-Notenbank sieht Risken für die US-Konjunktur und eine höhere Inflation. Robustes Wachstum zeige hingegen Asien, wo es China gelingen sollte, sein überhitztes Wachstum auf 9 % zu drosseln.

Das Wachstum im Euro-Raum sei weiterhin breit abgestützt und werde für 2008 mit 2 % prognostiziert. Das Ansteigen der Inflation von 2 % auf 2,6 % im Oktober bezeichnet Notenbankgouverneur Klaus Liebscher als "besorgniserregend". Ursachen für diese Entwicklung seien die Energiepreisentwicklung, aber auch Preissteigerungen bei anderen Rohstoffen und Nahrungsmitteln. Er rechne damit, dass die Preissteigerungen in den kommenden Monaten über 2 % liegen werden und erst Ende 2008 eine Abschwächung der Inflation eintreten werde.

Die Erweiterung der Euro-Zone um Malta und Zypern ab 1.1.2008 begrüßte Liebscher, weitere Erweiterungen seien derzeit nicht absehbar, für 2009 sehe er die Slowakei "ante portas".

Über den Verlauf von "Immo-Krise" und "Suprime-Krise" und deren Auswirkungen auf die Aktienmärkte und die Flucht vieler Anleger in den Anleihenmarkt berichtete Vizegouverneur Wolfgang Duchatczek. Seine Schlussfolgerungen lauteten auf eine Verbesserung der Transparenz für Anleger sowie auf europäische und globale Regelungen für Hedge-Fonds. Die österreichischen Banken seien von dieser Krise nur geringfügig betroffen, weil sie nur wenig in Hypothekarkredite investiert haben und über ausreichend Eigenkapital verfügen.

Für 2010/2011 plane die EZB die Herausgabe neuer Euro-Banknoten mit verbesserten Sicherheitsmerkmalen, berichtete der Vizegouverneur der Notenbank.

In der Debatte erkundigte sich Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) nach Problemen infolge der Suprime-Krise für Europa. Sein Fraktionskollege Hannes Bauer (S) fragte, ob eine "Immo-Krise" in Osteuropa möglich sei. Einen Widerspruch sah der Abgeordnete zwischen der starken Produktivitätsentwicklung einerseits und den nur schwach wachsenden Löhnen andererseits. Bauer erkundigte sich auch nach der Position der OeNB gegenüber Hedgefonds.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) kritisierte Rating-Agenturen, die zunächst Risken übersehen, dann aber Abwertungen aussprechen.

Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) machte auf die Differenz zwischen tatsächlicher und empfundener Inflation aufmerksam und drängte auf steuerpolitische Maßnahmen zur Entlastung der Konsumenten. Zudem verlangte er Maßnahmen zur Erhöhung der Sensibilität von Beratern und Konsumenten gegenüber den Risken von Fremdwährungskrediten.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) problematisierte den Appell des Notenbankgouverneurs an die Arbeitnehmervertreter, zumal die Löhne seit Jahren stagnierten, die Preise aber steigen. Außerdem fragte Rossmann nach der Meinung Liebschers über die geplante FMA-Reform.

Abgeordneter Jakob Auer (V) warnte vor der Auffassung, man könnte eine mit absoluter Garantie funktionierende Finanzmarktaufsicht schaffen. Man könne aber Unzulänglichkeiten beseitigen.

Auch Abgeordneter Josef Bucher (B) interessierte sich für die Meinung des Notenbankgouverneurs zur konzipierten FMA-Reform.

Notenbankgouverneur Klaus Liebscher sah in Osteuropa von Land zu Land unterschiedliche Risken. Den EU-Mitgliedern, die ständig unter Kontrolle europäischer Institutionen stehen, bescheinigte Liebscher eine gute Resistenz gegen Schocks.

Die gute Produktivitätsentwicklung und die niedrigen Lohnstückkosten bilden in Österreich eine gute Basis für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, sagte Liebscher, der die Bedeutung eines preisstabilen Umfelds betonte und daher seinen Appell an die öffentliche Hand, die Wirtschaft und die Arbeitnehmervertreter wiederholte, sich ihrer Verantwortung für die Preisstabilität bewusst zu sein.

Bei der Reform der Finanzmarktaufsicht habe er eine Lösung präferiert, bei der die Kontrolle in einer Hand gewesen wäre. Er nehme die nun vorliegende Reform zur Kenntnis, sagte Liebscher. Es sei eine positive, zielführende Lösung für den österreichischen Finanzmarkt und eine deutliche Verbesserung gegenüber der Vergangenheit, meinte Klaus Liebscher.

Abschließend plädierte Liebscher dafür, die Menschen stärker über das doppelte Risiko bei Fremdwährungskrediten - Zinsen und Wechselkurs - aufzuklären.

Die Rolle der Rating-Agenturen sollte, so Liebscher, überprüft werden, zu überprüfen sei aber auch das Risikomanagement der Banken. Empfehlungen von Rating-Agenturen "1:1 zu übernehmen", bezeichnete der Notenbankgouverneur als "verantwortungslos".

Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter würdigte zunächst die OeNB für ihr Verhalten angesichts der Turbulenzen auf den Geldmärkten während der Immo-Krise. Beim Thema US-Rating-Agenturen plädierte der Finanzstaatssekretär für eine europäische Antwort. Den Budgetkurs der Bundesregierung bezeichnete Matznetter als verantwortungsbewusst und wies auf Konsolidierungserfolge hin.
 
zurück