Internationale Wissenschaftsjournalisten analysieren Exzellenz-Institute
Wien (bmwf) - Als letzte Großveranstaltung vor Beginn der Abbrucharbeiten im Dezember und als
erste internationale Konferenz auf dem Campus von I.S.T. Austria tagte am 27.11. der Kongress der European Union
of Science Journalists’ Associations (EUSJA) zum Thema "Institutes of Excellence in Europe – The Austrian
Approach". Organisiert vom österreichischen Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten trafen sich
rund 40 Reporter, Redakteure und Pressesprecher europäischer Wissenschaftsmedien und Forschungsförderungseinrichtungen,
um anhand der Konzeption von I.S.T. Austria ein konkretes Beispiel für ein Exzellenzinstitut zu untersuchen.
Nach Grußworten von Elisabeth Nöstlinger, Vorsitzende des österreichischen Klubs der Bildungs-
und Wissenschaftsjournalisten, skizzierte Gerald Murauer, Interim Manager von I.S.T. Austria, die österreichische
Forschungslandschaft und die entsprechenden Exzellenzinitiativen sowie das Institut of Science and Technology.
Murauer analysierte im Detail den Entwicklungspfad der heimischen Forschungsausgaben auf dem Weg zum Barcelona-Ziel
von 3% des BIP bis 2010. Die Realisierung von I.S.T Austria in den nächsten Jahren trägt zentral zum
Gelingen der österreichischen Exzellenzinitiative bei, so Murauer. Weitere Initiativen, wie die Exzellenzcluster
des FWF, seien ebenso nötig.
Gerhard Tretzmüller, Leiter der Bauabteilung des Landes NÖ, gab eine Übersicht über Lage, Geschichte
und Entwicklung des Campus-Geländes mit einer Fläche von 18 Hektar. Die ersten Baumaßnahmen werden
im Lauf des Jahres 2008 gesetzt und 2009 abgeschlossen, wie Tretzmüller auf einem Rundgang auf dem Gelände
ausführte.
Nach der Mittagspause lenkte Horst Hippler, Rektor der TU Karlsruhe, den Blick auf die deutsche Exzellenz-Initiative.
Die TU Karlsruhe ist eine der ersten drei deutschen Universitäten, die als "Eliteuniversitäten"
mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet wurden. Spezifikum ist die Kooperation der TU mit dem Forschungszentrum
Karlsruhe (eine von 15 Instituten der Helmholtz-Gesellschaft), mit dem gemeinsam das Karlsruhe Institut of Technology
(KIT) gegründet wurde.
Das geplante Gesamtbudget soll bereits 2008 rund 600 Mio. Euro für 7700 ForscherInnen, 11 Fakultäten
und 15 Forschungsprogramme betragen. Nach einer Übersicht über das deutsche Forschungssystem und dessen
Förderung ging Hippler auf Details der Kooperation unter dem gemeinsamen Dach des KIT ein. Zentrale Vorhaben
dieser Kooperation sind: Wissenschaftliche Exzellenz im globalen Maßstab, internationale Wettbewerbsfähigkeit,
gemeinsame Strategieentwicklung, optimale Förderung von wissenschaftlichen Aufsteigern sowie die Erzielung
administrativer Synergieeffekte, etwa im Bereich des Rechenzentrums, der Bibliotheken und der Öffentlichkeitsarbeit.
Die Ziele für die nächsten Jahre: KIT will sich als zentrales europäisches
Forschungsinstitut für Energie profilieren, eine global sichtbare Rolle in den Nano-Wissenschaften einnehmen
und sich zu einem Schlüsselpartner für innovative Prozesse gemeinsam mit der Industrie entwickeln. Allein
im ersten Jahr wurden 160 interne Vorschläge für die Entwicklung von KIT aus dem Bereich der Universität
und des Forschungszentrums eingebracht, von denen 54 Programme aus den Mitteln der Exzellenz-Initiative finanziert
wurden. Zusätzliche Angebote für die Studierenden und für die Graduiertenausbildung sollen das Profil
von KIT schärfen.
Ein weiterer Schwerpunkt von Aktivitäten in der nächsten Phase ist die gezielte Förderung von Innovationsentwicklung
mit der Industrie. Bis Ende 2008 will man sieben gemeinsame Forschungsgruppen und sechs gemeinsame Professuren
mit Industriepartnern realisiert haben.
Olaf Kübler, Mitglied des International Advisory Board des KIT und Vorsitzender des Scientific Board von I.S.T.
Austria, konzentrierte sich auf Bestellungsstrategien. Kübler erwähnte, dass es bis dato knapp 500 Bewerbungen
für Stellen am I.S.T. Austria gebe, eine Zahl, die er bei Beginn der Ausschreibungen im September 2007 nicht
für möglich gehalten habe. Nach der Anzahl der Bewerbungen entsprechend der Herkunftsländer gereiht,
ist das Interesse in Deutschland am größten, gefolgt von den USA, Österreich, der Schweiz und Großbritannien.
Wesentliche Bestandteile des Suchprofils, laut Kübler, sind „wahre Leidenschaft für das Verständnis,
das Entdeckungsvermögen und den Aufbauwillen“. Dazu komme vor allem bei Gruppenleitern moralische Autorität,
ergänzt durch Großzügigkeit in kooperativen Prozessen. Kübler erläuterte dem Publikum
die beiden Ansätze bei der WissenschafterInnensuche beim I.S.T Austria. Zum einen der offene Prozess; hier
steht es WissenschafterInnen aller naturwissenschaftlichen Disziplinen frei, sich zu bewerben bzw. Empfehlungen
abzugeben. Im strukturierten Prozess suchen Rechercheteams gezielt nach Personen, die in den drei Feldern "Hirn
und Computer", Materialwissenschaften und Quantitative Biologie von Interesse sein könnten.
Die weiteren Schritte zur Berufung in Frage kommender WissenschafterInnen hängen von der Person der bzw. des
(noch zu bestellenden) Präsidentin bzw. Präsidenten ab sowie von dem Berufungskomitee.
Im Wesentlichen, so Kübler, gehe es darum durch die ersten Berufungen eine
Aufwärtsspirale in Gang zu setzen. Die sich dadurch ergebende Dynamik sei
entscheidend für den weiteren positiven Verlauf. Eine Abwärtsspirale – verursacht durch frühe Fehler
– hätte ebenso entscheidende Auswirkungen auf gegenteilige Weise.
Aus seinen Erfahrungen als langjähriger Präsident der ETH Zürich schöpfend, schließt
Kübler, sei es vorrangig I.S.T. Austria "einfach so unwiderstehlich wie möglich" zu gestalten.
Er selbst sei ein gutes Beispiel: Das Angebot Haim Hararis an diesem Projekt mitzuwirken, sei einfach unwiderstehlich
gewesen.
Martin Nowak, Mitglied des Scientific Board von I.S.T. Austria, führte seine eigenen Erfahrungen in Oxford,
Princeton (Institute for Advanced Study) und (nun) Harvard als Beispiel für erfolgreiche WissenschafterInnen-Suche
an. In Princeton entscheidend sei etwa die Rolle der Kuratoriumsmitglieder, die extrem intensiv an der Entwicklung
des Instituts teilnehmen. Das wertvollste Gut in Princeton ist "das hohe Ausmaß an unbeschränkter
Zeit, die einem gewährt wird" – was allerdings auch beträchtlichen Druck auf den einzelnen Forscher
erzeugen kann. Eine Zusammenfassung seiner Erfahrung, formuliert als Wunschliste: Großzügige Finanzierung
von Post-Doc-Positionen, durchgängige Forschungskarrieren an Universitäten und gezielt recherchierte
und organisierte Bestellungen, abgestimmt auf neue, viel versprechende Forschungsfelder.
Auf I.S.T. Austria übertragen wünschte sich der gebürtige Klosterneuburger Martin Nowak, die Entwicklung
von I.S.T. Austria zum Vorbild für andere (österreichische) Universitäten, Betreuung von Doktoratsstudenten
in Kursen und von zwei Professoren, eine dynamische Führung ohne Einmischung von Fakultäten, gemeinsame
Forschungsprojekte mit Universitäten und Firmen sowie "keine nutzlosen Besprechungen".
Haim Harari, Vorsitzender des Exekutivkommitees von I.S.T. Austria, formulierte seine Überlegungen in je zehn
Prinzipien und Schritten. Die Prinzipien umfassen die internationale Ausrichtung, die ausschließliche Konzentration
auf mehrere Bereiche der Naturwissenschaften, Fokussierung auf Grundlagenforschung, starke Betonung der interdisziplinären
Ansätze (zum Beispiel bei der Hirnforschung), ein Campus statt verstreuter Ansiedlung, eine an Personen und
nicht an Forschungsfeldern orientierte Bestellungsstrategie, die Entwicklung einer Graduate School, die Unterstützung
bei der kommerziellen Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse (inklusive dem entsprechenden Regelwerk), die diversifizierte
Struktur der Einnahmequellen und die Vermittlung der Aktivitäten an die Öffentlichkeit.
Zu den zehn Schritten zum Erfolg zählen laut Harari, Anton Zeilingers ursprüngliche Vision einer Exzellenz-Universität,
klare Regeln für die interne Organisation und die Finanzierung, eindeutige Regularien für die Suche und
die Bestellung von WissenschafterInnen, sowie die Berufung der bzw. des Präsidenten bzw. Präsidentin
und der ersten ProfessorInnen.
In der abschließenden Diskussion betonten alle vier Redner des Nachmittags die eminente Bedeutung richtiger
Bestellung in der Gründungsphase von I.S.T. Austria. Horst Hippler gab zudem zu Bedenken, dass die Kooperation
existierender Forschungseinrichtungen, wie derzeit in der BRD praktiziert, sehr viel schneller eine kritische Masse
entwickeln könnte als die Schaffung neuer Institutionen von Grund auf. Harari, Kübler und Nowak konzedierten,
dass es Gefahren gebe, denen aber ungleich höhere Möglichkeiten gegenüberstünden. Martin Nowak
fasste den Ansatz so zusammen: Unter Beachtung aller Erfolgsfaktoren stünden die Chancen nicht schlecht, dass
eines nicht allzu fernen Tages, seine als Sanitäter beim Roten Kreuz in Klosterneuburg gemachte Erfahrung
mit neuen Vorzeichen versehen werden würde. Früher habe man die Menschen gewarnt: "Wenn Du Dich
schlecht benimmst, kommst Du nach Gugging." Wenn alles gut gehe, werde man dereinst einmal sagen: "Wenn
Du Dich weiter so gut entwickelst, kommst Du nach Gugging."
Beim Abendessen im Restaurant Schüttkasten in Klosterneuburg bekannte sich Wissenschaftsminister Johannes
Hahn in seiner Dinner Speech zu dem Projekt I.S.T Austria und ergänzte seine Ausführungen mit weiteren
Beispielen für die Entwicklung von Exzellenzinitiativen in der österreichischen Forschungslandschaft:
Zum einen die Etablierung von Doktoratskollegs an bestehenden heimischen Universitäten, zum anderen die Forcierung
der Entstehung von Exzellenzclustern. Damit soll es österreichischen Universitäten ermöglicht werden,
international wahrnehmbare Schwerpunkte in der Spitzenforschung zu setzen.
Der niederösterreichische Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka hieß die TeilnehmerInnen stellvertretend
für den Gastgeber des Abendessens, Landeshauptmann Erwin Pröll, willkommen. Er erläuterte in seinem
Beitrag die deutlichen Entwicklungsschübe der letzten Jahre im Bereich Wissenschaft, Forschung und Technologie
in Niederösterreich; I.S.T. Austria sei ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategie. Eine Strategie, die
nicht zuletzt mit der Auszeichnung Niederösterreichs mit dem ersten Platz beim "Europäischen Preis
für innovative Regionen" – verliehen durch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso Anfang November
in Udine – anerkannt und gewürdigt wurde.
Der EUSJA Kongress wird am 28. und 29. November in der Akademie der Wissenschaften in Wien fortgesetzt. |