Reisefreiheit und Sicherheit   

erstellt am
21. 12. 07

Wien (bmi) - Seit 21. Dezember 2007 gibt es an Österreichs Grenzen zur Slowakei, zu Slowenien, Tschechien und Ungarn keine Grenzkontrollen mehr. Die Schengen-Erweiterung bringt mehr Freiheit in einem gemeinsamen Raum der Sicherheit.

Seit 21. Dezember 2007 können die Land- und Seegrenzen zu Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn aus anderen Schengen-Ländern ohne Grenzkontrollen überschritten werden. Ab Ende März 2008 wird das auch für die Flughafengrenzen gelten.

Staus und lange Wartezeiten an den Grenzen gehören damit der Vergangenheit an. Gleichzeitig wurde die polizeiliche Zusammenarbeit mit den neuen Schengen-Staaten verstärkt. "Österreich hat sich auf die historische Schengenerweiterung 2007 sehr gut vorbereitet. Sie bringt uns allen mehr Freiheit in einem gemeinsamen Raum der Sicherheit", erläuterte Innenminister Günther Platter. Das neue Sicherheitssystem bedeutet bessere Chancen im gemeinsamen Kampf gegen die grenzüberschreitende Kriminalität, den internationalen Terrorismus und die illegale Migration.

Doppelter Sicherheitsgürtel
Um Reisefreiheit und größtmögliche Sicherheit für die Bewohner Österreichs zu gewährleisten, wurde vom Innenministerium ein umfassendes Sicherheitskonzept (Schengen Neu – grenzen.los. sicher) erarbeitet und umgesetzt. Wesentliche Maßnahmen waren und sind:

  • die Unterstützung der neuen Schengen-Staaten beim Aufbau der neuen Außengrenzsicherung sowie bei ihrer Eingliederung in das gemeinsame System der Polizeikooperation ("Schengener Informationssystem");
  • die Verstärkung der polizeilichen Zusammenarbeit mit den Nachbarländern, insbesondere beidseits der Binnengrenzen sowie durch das "Operative Netzwerk Mitteleuropa";
  • die Schaffung eines zusätzlichen Sicherheitsgürtels im grenznahen Bereich in Österreich.

Für Österreich wird es damit einen doppelten Sicherheitsgürtel geben – jenen an der neuen Schengen-Außengrenze und den breiten Sicherheitsgürtel auf beiden Seiten unserer Binnengrenzen. Auf dieser Grundlage wird die Schengen-Erweiterung aus der Sicht Österreichs durch vier Maßnahmen abgesichert:

Moderne Außengrenzsicherung
Die neuen Schengenmitglieder haben in den letzten Jahren hochmoderne Außengrenzsicherungen auf dem neuesten Stand der Technik aufgebaut. Dabei wurden sie von Österreich und anderen Schengen-Ländern unterstützt. Die Fortschritte wurden in einem zweijährigen Prozess evaluiert. Dieser bestand aus unzähligen, strengen Kontrollen vor Ort, der Definition von notwendigen Verbesserungen und aus Nachkontrollen. Zur Sicherheit der Außengrenzen trägt auch die Europäische Grenzschutzagentur Frontex wesentlich bei.
Die Agentur mit Sitz in Warschau hat im Oktober 2005 den operativen Betrieb aufgenommen und wirkt mit verschiedenen Maßnahmen auf ein einheitliches und hohes Niveau bei der Grenzüberwachung und der Personenkontrolle hin:

  • Frontex erstellt Risikoanalysen, etwa zur illegalen Migration aus dem Umfeld der EU.
  • Die Agentur koordiniert gemeinsame Operationen der Mitgliedstaaten zur Grenzsicherung, wie sie beispielsweise an Flughäfen, im Mittelmeer oder im östlichen Grenzbereich stattfinden.
  • In Krisensituationen kann das für die Grenzsicherheit verantwortliche EU-Land künftig ein EU-Unterstützungsteam bei Frontex anfordern (Rapid Border Intervention Team – RABIT).
  • Frontex unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Erreichung einheitlicher, hoher Ausbildungsstandards und bei der Organisation von Rückführungen (z. B. gemeinsame Charterabschiebungen auf dem Luftweg).


Österreich gestaltet die Politik von Frontex wesentlich mit und stellt den Vorsitzenden des Frontex-Verwaltungsrats, der die Arbeit der Agentur steuert. Außerdem hat Österreich den Kernlehrplan für die Ausbildung entwickelt und österreichische Experten sind bei Frontex in Warschau vertreten. Im Anlassfall stellt Österreich einen Hubschrauber, acht Wärmebildfahrzeuge und zwei mobile Büros (Schengenbusse) inklusive Bedienungspersonal zur Verfügung. Zudem wird in Österreich ein größerer Pool von Grenzpolizei-Experten aufgebaut, die an Einsätzen von EU-Unterstützungsteams teilnehmen können.
In besonderen Situationen können die Kontrollen an den österreichischen Grenzen vorübergehend wieder eingeführt werden. Das ist etwa während der Fußball-Europameisterschaft EURO 2008 punktuell und befristet geplant.

Schengener Informationssystem
Die neuen Schengen-Länder sind bereits seit September 2007 in das Schengener Informationssystem (SIS) eingebunden, ein computergestütztes Informations- und Fahndungssystem, das sekundenschnelle Abfragen von Fahndungen im gesamten Schengenraum ermöglicht, etwa nach Straftätern, Personen, denen die Einreise verweigert wird, Abgängigen, Waffen, gestohlenen Fahrzeugen und Dokumenten. Das SIS zeigt an, ob und warum eine Person oder eine Sache gesucht wird, welche Maßnahmen einzuleiten sind und ob Personen gewaltbereit oder bewaffnet sind. Zugriffsberechtigt auf das SIS sind die Sicherheitsbehörden der Schengen-Länder. Das SIS besteht aus der Datenbankzentrale, die Frankreich im Süden von Straßburg betreibt (C-SIS), einem Ausfallsystem, das in St. Johann im Pongau (Salzburg) angesiedelt ist, einem EU-weiten, gesicherten Netzwerk und einem zentralen Standort in jedem Teilnehmerstaat (N-SIS).

In Österreich wurden damit seit 1997 etwa 33.000 Erfolge zu ausländischen Personenfahndungen erzielt und über 10.000 Erfolge zu Sachenfahndungen. Die neuen Schengenländer haben in den ersten drei Monaten rund eine Million zusätzliche Fahndungen in das System gestellt, darunter 2.500 Haftbefehle. Österreichs Polizisten können auf diese Daten direkt online zugreifen, genauso umgekehrt die Polizisten in den anderen Schengen-Ländern auf österreichische Daten. In den ersten Wochen konnten aufgrund der österreichischen Ausschreibungen 35 Personen in den neuen Schengenländern festgenommen werden; dazu kamen 14 Festnahmen in Österreich aufgrund der Ausschreibungen der neuen Schengen-Länder.

Das SIS der ersten Generation wurde für die Aufnahme der neuen Schengenstaaten technisch angepasst: In das "SISone4ALL" sind alle Schengenländer eingebunden. An der Nachfolgegeneration SIS II wird derzeit gearbeitet. Diese wird zum Beispiel die Abfrage von Fingerabdrücken und anderen biometrischen Daten ermöglichen.

"Operatives Netzwerk Mitteleuropa"
Um die Schengen-Erweiterung optimal abzusichern, hat Österreich die Initiative zur Schaffung eines "Operativen Netzwerks Mitteleuropa" ergriffen. Auf dieses Ziel haben sich die Innenminister des "Forums Salzburg" im Sommer 2007 unter österreichischem Vorsitz in Innsbruck geeinigt. Österreich handelte mit seinen vier neuen Schengen-Nachbarn Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn bilaterale Vereinbarungen zur Umsetzung dieses Vorhabens aus, die im Herbst 2007 unterzeichnet wurden.

Maßnahmen im Rahmen des "Operativen Netzwerkes Mitteleuropa" sind:

  • gemeinsame Sicherheitskonzepte und regelmäßige gemischte Polizeistreifen in den Grenzregionen;
  • gemeinsame Schwerpunktaktionen, bei Bedarf auch an den EU-Außengrenzen;
  • eine enge Zusammenarbeit im Rahmen von Frontex und die Vorbereitung gemeinsamer Aktivitäten in diesem Rahmen;
  • ein verstärkter Informationsaustausch und der Ausbau der bestehenden polizeilichen Kontaktdienststellen zu umfassenden Polizeikooperationszentren;
  • die Prüfung einer Vernetzung dieser Zentren sowie die allfällige Einbeziehung von weiteren Staaten, insbesondere aus dem "Forum Salzburg".

"Die wesentlichen Pfeiler des Netzwerks stehen bereits. Das ist eine Sicherheitsmaßnahme, die Österreich und seine Partner ganz bewusst zusätzlich ergreifen. Man kann ihr Vorbildcharakter für andere EU-Staaten zumessen", betonte Platter.

Sicherheit im Grenzraum
In Grenznähe wird ein breiter Sicherheitsgürtel aufgebaut. Dieser setzt sich in den Grenzregionen der neuen Schengen-Nachbarn fort, vor allem durch die grenzüberschreitende Kooperation.

Der Großteil der bisher an der Grenze eingesetzten 2.650 Grenzpolizisten bleibt vorerst im grenznahen Bereich. Sie stellen eine wichtige "Ausgleichsmaßnahme" für den Abbau der Grenzkontrollen dar. Darüber hinaus werden an den Transitrouten (Straße, Schiene) sowie in Ballungszentren kriminal-, verkehrs- und fremdenpolizeiliche Kontrollmechanismen eingerichtet.

Während einer mehrmonatigen Übergangszeit werden die kriminal- und fremdenpolizeilichen Auswirkungen der Schengenerweiterung analysiert. In diesem Zeitraum leistet das Bundesheer in den Regionen zur Slowakei und zu Ungarn mit 1.500 Soldaten Assistenz. Diese werden beobachten und melden und beim Objektschutz mitwirken.

Nach einer Evaluierung der Sicherheitssituation wird das Netz der polizeilichen Ausgleichsmaßnahmen ab Herbst 2008 zielgerichtet ausgebaut, insbesondere mit der Einrichtung weiterer Schwerpunktdienststellen.

"Wir werden also in Österreich keinen schlagartigen Systemwechsel erleben, sondern eine lageangepasste Umstellung auf das neue Sicherheitssystem. Ziel ist vor allem auch die Erhaltung des hohen Sicherheitsniveaus in den Grenzregionen", erklärte Platter.

Grenzabbau und Sicherheit
Das am 14. Juni 1985 im Luxemburger Ort Schengen unterzeichnete "Schengener Abkommen" bildet die Grundlage für die schrittweise Abschaffung der Grenzkontrollen und den Aufbau einer gemeinsamen Polizeikooperation. Der Kernsatz lautet: "Die Binnengrenzen dürfen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden." Konkrete Regelungen zum Abbau der Grenzkontrollen und zum Aufbau polizeilicher Ausgleichsmaßnahmen wurden 1990 im Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) getroffen.
1995 wurden die ersten Grenzen abgebaut, und zwar zwischen den Schengen-Gründungsmitgliedern Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden sowie zwischen Spanien und Portugal.

Für Österreich, seit 1995 EU-Mitglied, erfolgte die vollständige Schengen-Inkraftsetzung und damit die Aufhebung der Grenzkontrollen zu Deutschland und Italien mit 1. April 1998. Griechenland setzte das Abkommen bis 2000 vollständig um. Seit März 2001 gibt es auch keine Grenzkontrollen mehr zu Dänemark, Finnland, Schweden, Island und Norwegen. Seit 21. Dezember 2007 wird an den Land- und Seegrenzen zu Slowenien, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Polen, Lettland, Litauen, Estland und Malta nicht mehr kontrolliert; mit Ende März 2008 fallen auch die Kontrollen an den Flughäfen in den neuen Schengen-Staaten. Damit sind 22 EU-Staaten sowie Island und Norwegen Schengen-Vollmitglieder.

Ursprünglich wurde Schengen als freiwillige Zusammenarbeit einzelner EG-Länder umgesetzt. Seit dem Vertrag von Amsterdam, der 1999 in Kraft getreten ist, gehört das Abkommen zum verpflichtenden EU-Recht. Ausnahmen erwirkt haben damals Großbritannien und Irland. Auch zu Zypern und den EU-Neulingen Rumänien und Bulgarien gibt es vorerst weiter Grenzkontrollen. Die Nicht-EU-Staaten Schweiz und Liechtenstein sollen zu Schengen assoziiert werden und möchten ihre Grenzen bis November 2008 abbauen.

Die Schengen-Regeln wurden in den vergangenen Jahren überarbeitet. Sie sind in verschiedenen neuen EU-Rechtsvorschriften aufgegangen. Der wichtigste neue Rechtsakt ist der Schengener Grenzkodex. Er stellt eine Weiterentwicklung des Schengener Durchführungsübereinkommens dar.

Im Rahmen der Schengen-Kooperation werden die Kontrollen an den Schengen-Außengrenzen und die Polizeikooperation im Schengenraum deutlich verstärkt. Teil der Zusammenarbeit sind eine einheitliche Visumpraxis und Regelungen für Zuständigkeiten bei der Behandlung von Asylanträgen. Im Gegenzug erfolgt der Abbau der Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedstaaten. Zentrales Instrument der polizeilichen Zusammenarbeit im Schengen-Raum ist das Schengener Informationssystem (SIS), über das die Mitgliedsländer Fahndungsdaten austauschen.

Reisedokument weiterhin erforderlich
Innerhalb des Schengen-Raums gibt es zwar keine Grenzkontrollen mehr, dennoch ist bei einem Grenzübertritt ein Reisedokument (Reisepass, Personalausweis) mitzuführen. Das ist schon deshalb nötig, damit man sich bei allfälligen Kontrollen ausweisen kann. Solche Polizeikontrollen, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheiden, sind nach der Schengenerweiterung weiter möglich und sinnvoll (vor allem im Landesinneren). Das gilt genauso für Ausländer in Österreich: Diese sind verpflichtet, die für den Nachweis ihrer Identität oder ihres Aufenthaltsrechts maßgeblichen Dokumente mit sich zu führen oder in geringer Entfernung (etwa im Hotel) zu verwahren, sodass sie auf Verlangen schnell geholt werden können.

 
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