Grundsätzliche Reform wieder verschoben
Wien (wifo) - Im Dezember 2007 wurde nach vorgezogenen Verhandlungen zwischen den Finanzausgleichspartnern
das neue Finanzausgleichsgesetz (FAG) 2008 verabschiedet. Der seit 2005 geltende Finanzausgleich wird somit ein
Jahr früher als geplant durch eine neue Vereinbarung ersetzt, die sechs statt bisher vier Jahre gelten wird.
Erforderlich war dieses Vorziehen durch die Notwendigkeit, zwischen den Gebietskörperschaften eine Einigung
über ihre jeweilige Beteiligung an der Finanzierung verschiedener Reformpakete der Bundesregierung (insbesondere
der Mindestsicherung sowie der 24-Stunden-Pflege) herbeizuführen.
Die Neuregelungen im Rahmen des FAG 2008 berühren im Wesentlichen drei Bereiche: den vertikalen Finanzausgleich,
den horizontalen Finanzausgleich auf der Ebene der Gemeinden sowie die gemeinsame Finanzierung in einigen Aufgabenbereichen,
in denen sowohl dem Bund als auch den Ländern und Gemeinden Kompetenzen bzw. Zuständigkeiten zukommen.
Der einnahmenseitige Finanzausgleich ist in Österreich von einer sehr starken Verbundkomponente geprägt:
Mit über 90% wird der weitaus überwiegende Anteil der gesamtstaatlichen Steuereinnahmen als gemeinschaftliche
Bundesabgaben erhoben, die auf der Grundlage eines Verteilungsschlüssels auf die Gebietskörperschaften
verteilt werden. Auch im FAG 2008 wurde auf eine Stärkung der subnationalen Abgabenautonomie verzichtet. Die
Neuregelung leistet somit keinen Beitrag zur Ausdehnung der institutionellen Kongruenz – und mithin des Bandes
zwischen Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung –, aus der eine Steigerung der Effizienz der föderalen
Aufgabenerfüllung zu erwarten wäre.
Allerdings wurden im Bereich der Bundestransfers an Länder und Gemeinden Änderungen vereinbart, die die
fiskalische Autonomie auf den subnationalen föderalen Ebenen erweitern. So werden die wesentlichen Transfers
des Bundes an Länder und Gemeinden in zumeist nicht zweckgebundene Ertragsanteile umgewandelt. Die betroffenen
Transfers des Bundes an die Länder haben ein Gesamtvolumen von gut 3.912 Mio. Euro. Davon sind zwei Drittel
derzeit zweckgebunden: in Form des Investitionsbeitrags für Wohnbau, Umwelt und Infrastruktur, der Finanzzuweisungen
in Agrarangelegenheiten, für umweltschonende und energiesparende Maßnahmen und für Zwecke des öffentlichen
Personennahverkehrs sowie der Zuschüsse für Umweltschutz und für Straßen. Die umzuwandelnden
Bundestransfers an die Gemeinden (Bedarfszuweisungen zum Haushaltsausgleich, für Ausgliederungen und Schuldenreduzierungen
sowie an Spielbankgemeinden) werden 2007 etwa 120 Mio. Euro betragen und sind nicht zweckgebunden. Ein unbestrittener
Vorteil der Ablöse von Bundestransfers durch Ertragsanteile ist die dadurch bewirkte leichte Ausdünnung
des engmaschigen Transfernetzes zwischen den föderalen Ebenen.
Während das FAG 2008 die horizontale Verteilung der Ertragsanteile auf der Ebene der Länder unberührt
lässt, wird ab 2011 neuerlich der abgestufte Bevölkerungsschlüssel zugunsten der kleineren Gemeinden
(Bevölkerungszahl bis 10.000) verändert. Der Vervielfacher für die kleineren Gemeinden wird auf
1 21/34 erhöht. Dadurch geht das Spannungsverhältnis zwischen den kleineren und den größten
Gemeinden (Bevölkerungszahl über 50.000 und Wien), für die ein Vervielfacher von 2 1/3 gilt, weiter
zurück: von 1 : 1,55 auf 1 : 1,44. Diese wiederholte Besserstellung der kleineren gegenüber den größeren
Gemeinden stößt in der einschlägigen akademischen Diskussion verstärkt auf Kritik. So berücksichtige
der abgestufte Bevölkerungsschlüssel bereits jetzt Ballungskosten – d. h. überdurchschnittlich hohe
bzw. mit der Gemeindegröße steigende Pro-Kopf-Ausgaben für die Bereitstellung öffentlicher
kommunaler Leistungen – nur unzureichend. Auch sollten durch eine geeignete Ausgestaltung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels
Anreize für Gemeindefusionen und -kooperationen gesetzt werden, die die Realisierung von Größenvorteilen
ermöglichen. Die empirische Evidenz bezüglich der Existenz von Skaleneffekten ist allerdings nicht ganz
eindeutig. Die Kosten- bzw. Ausgabenverläufen nach Gemeindegrößen sollten daher vor der für
2011 vorgesehenen Reform des abgestuften Bevölkerungsschlüssels im Detail analysiert werden.
Keine Veränderungen sind zunächst in der Aufgaben- bzw. Ausgabenverteilung zwischen den Gebietskörperschaften
vorgesehen. Dies impliziert auch den Fortbestand sämtlicher Mischfinanzierungen, an denen Bund und Länder,
teils auch die Gemeinden, beteiligt sind. Hier ist lediglich in zwei Bereichen eine Aufstockung der Finanzzuweisungen
des Bundes an die Länder vorgesehen: Zusätzlich zu der bereits im FAG 2005 vereinbarten Erhöhung
des Kostenersatzes für das Landes- und Religionslehrpersonal um 12 Mio. Euro jährlich erhalten die Länder
in der ersten Etappe des Finanzausgleichs 12 Mio. Euro und in der zweiten Etappe 13 Mio. Euro pro Jahr zur Abgeltung
des Mehraufwandes aus Strukturproblemen. Das System der Landeslehrpersonalfinanzierung selbst wird nicht angetastet
– und damit auch nicht das Problem, dass in diesem Bereich Finanzierungsverantwortung und Ausgabenverantwortung
besonders stark auseinanderfallen. Auch wurde eine Kofinanzierungsregelung für den Ausbau der Kinderbetreuung
und der Frühkindpädagogik bzw. Sprachförderung zwischen Bund und Ländern für die Jahre
2008 bis 2010 vereinbart: Die Länder werden in diesem Zeitraum insgesamt mindestens 20 Mio. Euro beitragen,
die vom Bund durch Zweckzuschüsse in derselben Höhe ergänzt werden. Außerdem erhalten die
Länder jährlich zusätzlich 100 Mio. Euro zur Spitalsfinanzierung, die gemäß der Ertragsanteilsdynamik
valorisiert werden. Anders als im FAG 2005, der mit den Maßnahmen zur Spitalsfinanzierung gleichzeitig Einsparungsmaßnahmen
in gleicher Höhe vorsah, wurde jedoch darauf verzichtet, die Länder im Gegenzug zu kostensenkenden Maßnahmen
zu verpflichten.
Zur Dämpfung der Ausgabendynamik auf Länderebene wurde in den Finanzausgleichsverhandlungen beschlossen,
die Verwaltungsreform II fortzuführen. Sie soll Personaleinsparungen und eine Vereinheitlichung der Abgabenordnung,
eine finanziell gleichwertige Umsetzung der Pensionsreform des Bundes durch die Länder, die Einführung
eines Pensionskontos mit Kostentragung der Länder für den Landeslehreranteil, die kostenneutrale Abschaffung
der Selbstträgerschaft sowie die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Prüfung und Umsetzung der jüngst
vorgelegten Vorschläge des Rechnungshofes zur Verwaltungsreform umfassen. Allerdings wurden diese Maßnahmen
zu einem großen Teil weder zeitlich noch inhaltlich konkretisiert oder fixiert.
Zusammen mit dem FAG 2008 wurde zwischen den Finanzausgleichspartnern auch ein neuer innerösterreichischer
Stabilitätspakt vereinbart, der dieselbe Laufzeit aufweist wie der Finanzausgleich. Demnach soll das gesamtstaatliche
Defizit von 0,9% des BIP 2008 bzw. 0,2% 2009 in den Jahren 2010 bis 2013 in einen Überschuss von jeweils 0,4%
des BIP übergeführt werden. Angesichts der jüngsten Maastricht-Notifikation von Ende September 2007,
mit der für das Jahr 2006 ein gesamtstaatliches Defizit von 1,4% des BIP gemeldet wurde, scheinen die Budgetziele
nicht einfach zu erreichen. Umso dringlicher wäre vor diesem Hintergrund eine zeitliche und inhaltliche Konkretisierung
der Maßnahmen im Rahmen der Verwaltungsreform II, die auch auf Länderebene für erhebliche Einsparungen
sorgen sollen.
Quelle: WIFO
Autorin: Margit Schratzenstaller-Altzinger |