Das Filmarchiv-Austria im Jänner 2008   

erstellt am
04. 01. 08

Wien (filmarchiv) - 2008 ist wieder ein „Geschichtsjahr“ – und damit eine besondere Herausforderung für die Filmarchivarbeit. Neben dem 90-jährigen Gründungsjubiläum der Republik gilt es, der Zäsur „1938“ zu gedenken. Die zum „Anschluss“ führenden politischen Umbrüche bildeten sich in der Filmlandschaft besonders drastisch ab und führten zu einem ungeahnten Exodus der Filmkreativen, Fluchtpunkt war meist Hollywood. Im Jänner-Programm setzt das Filmarchiv einen mehrteiligen Schwerpunkt zur österreichischen Filmemigration.

Paul Henreid
Filmschau zum 100. Geburtstag
9. bis 20. Jänner 2008, Metro Kino

Anlässlich seines 100. Geburtstages ehren wir den Hollywood-Beau Paul Henreid mit einer ersten größeren Filmschau in Wien. Henreid, eigentlich Paul von Herrnried Ritter von Wasel-Waldingau, wurde am 10. Jänner 1908 als Sohn eines Bankiers und Geheimrates am Hofe Kaiser Franz Josefs in Triest geboren. Sein Schaffen als Schauspieler, Regisseur und Produzent beschreibt einen Bogen von den frühen dreißiger Jahren im deutschen und österreichischen Film bis zu amerikanischen TV-Filmen und Serien der frühen siebziger Jahre. Dazwischen liegen die Emigration, die ihn zunächst nach England führt, erfolgreiche Bühnen- und Filmauftritte eröffnen ihm den Weg an den Broadway und von dort in das Filmmekka Hollywood. Dort gefiel Henreid als »continental lover« ebenso wie als Hollywoodbösewicht oder zurückhaltend-kühler Widerstandskämpfer gegen die Nazis. Die Filmschau folgt seinem Aufstieg zum Weltstar, beginnend mit einem seiner ersten Filme, hohe schule, gedreht 1934 in Wien, zeigt seinen englischen Erfolgsfilm NIGHT TRAIN TO MUNICH und die zahlreichen, mittlerweile zu Klassikern des amerikanischen Kinos avancierten Produktionen wie NOW, VOYAGER, CASABLANCA, The conspirators oder seinen letzten großen Kinoerfolg OPERATION CROSSBOW. In Bernhard Frankfurters ON THE ROAD TO HOLLYWOOD, einem Roadmovie durch die Geschichte des öster-reichischen Filmexils, tritt Paul Henreid nochmals vor die Kamera. 1992 verstarb Paul Henreid in Santa Monica.

Die Filmschau Paul Henreid ist ein Kooperationsprojekt mit SYNEMA, kuratiert wird das Programm von Brigitte Mayr und Michael Omasta.


Berthold Viertel
Filmschau
22. Jänner bis 5. Februar 2008, Metro Kino
Das Ehepaar Berthold und Salka Viertel (der Schauspielerin und Drehbuchautorin hat das Filmarchiv Austria bereits im April 2004 einen Schwerpunkt gewidmet) gehörte in Hollywood zu den zentralen Persönlichkeiten des deutschsprachigen Exils. Der 1885 in Wien geborene Berthold Viertel entstammt einem wohlhabenden, gutbürgerlich-jüdischen Elternhaus. Bereits als Siebzehnjähriger schloss er sich Viktor Adler, einem der Gründer der Sozialdemokratie in Österreich. Gerade Dreißig inszenierte er seine ersten Stücke an der Freien Volksbühne in Wien. Nach dem Ersten Weltkrieg wird er sich als einer der Pioniere des expressionistischen deutschen Theaters in die Geschichte eintragen. Anfang der zwanziger Jahre arbeitete er zum ersten Mal für den Film, für die UFA inszenierte er die Henrik-Ibsen-Verfilmung NORA, DIE PERRÜCKE sowie DIE ABENTEUER DES ZEHNMARKSCHEINES (1926), ein Großstadtkaleidoskop nach Béla Balázs. Zusammen mit Carl Mayer verfasste er noch in Berlin das Buch zu Friedrich Wilhelm Murnaus FOUR DEVILS ehe er 1928 mit seiner Frau Salka und den drei Söhnen nach Amerika emigrierte. Sein Regiedebüt gab er mit dem letzten Fox-Stummfilm THE ONE WOMEN IDEA (1928).

Obwohl Berthold Viertel mit seiner Regiearbeit durchaus Beachtung fand, sah er seine künstlerisch-literarischen Ansprüche in zunehmendem Widerspruch zu den Sachzwängen und Produktionsabläufen der kommerziellen Filmindustrie. Auch bei Paramount, wo er für drei Filme verpflichtet wurde, kam es zu Auseinandersetzungen mit dem Management, nach dem Ausbleiben des finanziellen Erfolgs kehrte Viertel 1932 desillusioniert alleine nach Europa zurück. In Paris verhandelt er mit Alexander Korda über Filmprojekte, auch in Deutschland werden noch Filmpläne geschmiedet. Mit Hitlers Machtübernahme musste er jedoch erneut emigrieren, zunächst nach London, wo weitere drei Filme entstehen, später nach New York. 1942 nahm der nach der Okkupation Österreichs staatenlose Viertel die US-Staatsbürger-schaft an, das Filmskript Das gestohlene Jahr (Verfilmung erst 1950 mit Oskar Werner in der Hauptrolle), das er im Sommer 1940 mit Stefan Zweig in New York verfasste, wurde seine letzte Filmarbeit. Im Dezember 1948 kehrte Berthold Viertel nach Wien zurück, wo er sich trotz finanzieller Schwierigkeiten intensiv der Theaterarbeit u.a. am Wiener Burgtheater widmete.

Mit der Filmarchiv-Retrospektive wird an einen heute nahezu vergessenen Wiener Künstler und Intellektuellen erinnert, dessen Einfluss weit über die eigene Filmarbeit hinaus ging.

Peter Viertel
Filmschau
25. Jänner bis 5. Februar 2008, Metro Kino
Peter Viertel kam schon als 8-jähriger nach Hollywood, das elterliche Haus in Santa Monica führte ihn schon früh in das Milieu der europäischen Künstleremigranten ein, wo Franz Werfel, Thomas Mann, Berthold Brecht, aber auch Greta Garbo regelmäßig zu Gast waren. Peter Viertel schlug den Weg eines Schriftstellers ein und übernahm Aufträge als Drehbuchautor und »Scriptdoctor«. So erarbeitete er nach einer Hitchcock-Story das Buch zu SABOTEUR. Ab 1948 entwickelte Viertel in der Schweiz weitere Filmstoffe, u.a. zu Litvaks DECISION BEFORE DAWN. Für John Huston überarbeitete er ein Skript für THE AFRICAN QUEEN, die Geschichte der Entstehung dieses legendären Streifens floss in den Roman White Hunter, Black Heart ein und wurde von Clint Eastwood 1990 verfilmt. Bekannt wurde Viertel auch mit seinen Drehbücher zu den Hemingway-Stoffen Fiesta und The old man an the sea. Diese Filmschau schließt den Bogen über nahezu 70 Jahre Filmgeschichte, welche die Familie Viertel von den frühen Zwanziger Jahren bis zum Ende des 20. Jahrhunderts beschrieb.

Informationen: http://www.filmarchiv.at
 
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