Widrige Rahmenbedingungen sorgen in den kommenden Monaten für kränkelnde Märkte
in Europa und USA. Allmähliche Besserung erst in der zweiten Jahreshälfte erwartet
Wien (rzb) - Seit Jahresmitte 2007 sind die Märkte geprägt von raschen Kursschwankungen.
Ausgelöst von der Hypothekenkrise in den USA erfolgte eine Neubewertung des Risikos durch die Marktteilnehmer
– allen voran durch die Banken. Die Folgen daraus werden auch noch in den kommenden Monaten spürbar sein,
wobei aber während des Frühjahrs 2008 mit einer Entspannung auf den Märkten zu rechnen ist. „Entkrampfend
wirken dabei auch die angekündigten Liquiditätsspritzen der Notenbanken, die bereits im ersten Quartal
für eine merkliche Beruhigung der Geldmärkte sorgen sollten“, erklärte Peter Brezinschek, Chefanalyst
der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB), im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien.
Über die Kredit- und Zinspolitik der Finanzintermediäre finden die geänderten Rahmenbedingungen
auch den Weg in die Wirtschaft. Das schlägt sich sowohl in gedämpften Wachstumsprognosen für die
USA als auch für die Eurozone nieder.
Die erwarteten, notwendigen Ertragsrevisionen lassen auch die Aktienbörsen im ersten Halbjahr 2008 kränkeln.
Sobald diese Revisionen jedoch ein Ende finden, sollte die dann noch immer historisch niedrige Bewertung der Aktien
neue Impulse setzen – die Höchststände von 2007 sollten daher im Jahresverlauf 2008 überschritten
werden.
Welche Entwicklungen dürfen vor diesem Hintergrund 2008 erwartet werden?
- Konjunktur: unterdurchschnittliches BIP-Wachstum: Eurozone 1,8 %, USA 1,7 %
- Zinsen: EZB hält Zinsniveau konstant bei 4,00 Prozent, Fed senkt Leitzins auf 3,75 Prozent
- Währungen: neuerlich steigender Euro in Q1, gefolgt von einer Aufwertung des Dollar
- Renten: auf anfänglich tiefe Renditen bei Staatsanleihen folgen deutliche Renditeanstiege
- Aktien: versöhnlicher Jahresausklang nach einem schwierigen ersten Halbjahr
Eurozone: Privater Konsum als Hoffnungsträger
Mit den Investitionen und dem Export geraten im laufenden Jahr zwei der drei tragenden Konjunktursäulen in
der Eurozone unter Druck. Auf Gesamtjahressicht ist daher nur mit einem unterdurchschnittlichen Wachstum von 1,8
Prozent zu rechnen.
Bislang konnten die Unternehmen ihren Kapitalbedarf oftmals aus der Innenfinanzierung oder aus Zwischenkrediten
decken. Zudem geben derzeit noch viele Banken ihre höheren Liquiditätskosten nicht an die Kunden weiter.
Mittelfristig wird sich diese Vorgehensweise jedoch nicht aufrecht erhalten lassen. „Auch für Unternehmen
wird sich die Aufnahme längerfristiger Mittel nicht ewig verschieben lassen“, meinte Brezinschek. Die zunehmende
Nachfrage nach längerfristigen Finanzierungen wird daher mit steigenden Kosten einher gehen. „Das wird Bremsspuren
in der Investitionstätigkeit hinterlassen.“
Einbremsen wird sich auch die Exportdynamik. „Die Gründe dafür sind in der schwächelnden US-Konjunktur
als auch im hohen Eurokurs zu suchen“, erläuterte Brezinschek. „Somit richtet sich die ganze Aufmerksamkeit
auf den privaten Konsum, der die wichtigste Konjunkturstütze im Jahr 2008 sein wird.“
USA: Immobilienmarkt hält Konjunktur in seinem Bann
Während Europas Wirtschaft unter steigenden Finanzierungskosten und dem hohen Euro/US-Dollar-Kurs leidet,
wirft in den USA vor allem der Immobilienmarkt nach wie vor dunkle Schatten. „So haben auch die meisten Indikatoren
aus der Bauwirtschaft ihre Tiefststände noch vor sich“, zeigte sich Brezinschek überzeugt. „Das Rezessionsrisiko
in den USA ist daher zweifellos hoch. Dennoch halten wir eine längere, ausgeprägte Wachstumsschwäche
für wahrscheinlicher als eine abrupte Rezession.“
Zinsen: EZB in Warteposition, Fed im ersten Halbjahr aktiv
Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor einem Dilemma. Einerseits könnten niedrigere Leitzinsen
helfen, die zunehmenden Konjunkturrisiken abzufedern, andererseits erforderten drohende Inflationsgefahren eine
straffe Geldpolitik. „Vor diesem Hintergrund sehen wir wenig Spielraum für Leitzinsänderungen“, prognostizierte
Brezinschek ein konstantes Zinsniveau für 2008.
Anders die Situation in den USA. „Da sich die Kreditkrise noch bis zum Frühjahr hinziehen dürfte und
sich die Konjunkturdaten in den nächsten Monaten noch deutlich abschwächen werden, erwarten wir im ersten
Halbjahr eine weitere Lockerung der Geldpolitik um insgesamt 50 Basispunkte“, so Brezinschek. Damit sollte dann
für den Rest des Jahres allerdings auch in den USA eine Ruhephase in der Zinsentwicklung einsetzen.
Währungen: Euro setzt Höhenflug im ersten Quartal vorerst fort
In den ersten Monaten werden die schlechten konjunkturellen Nachrichten aus den USA weiterhin für
einen starken Euro sorgen. „Angesichts der erwarteten Zinssenkung in den USA kann das gegenüber dem Dollar
im ersten Quartal erneut zu einem Anstieg bis auf die jüngsten Höchststände von rund 1,50 führen“,
meinte Brezinschek.
Für den weiteren Verlauf des Jahres 2008 ist dann allerdings mit einer Gegenbewegung zu rechnen, da die Zinssenkungserwartungen
der Marktteilnehmer aus Sicht des RZB-Chefanalysten überzogen sind. „Wenn sich herausstellt, dass eine Rezession
vermieden werden kann und die übertriebenen Zinssenkungserwartungen ausgepreist werden müssen, werden
wir eine Dollaraufwertung auf 1,40 und darunter erleben.“
Renten: Heftige Preiskorrekturen in der zweiten Jahreshälfte
Der europäische Rentenmarkt steht im ersten Halbjahr 2008 im Spannungsfeld zwischen hoher Inflation und abkühlender
Konjunktur. Während Letzteres an sich unterstützend für Staatsanleihen wirkt, fehlt am Ende doch
die Kursphantasie, da nicht mit Zinssenkungen zu rechnen ist. „Die Renditen der Anleihen dürften somit im
ersten Halbjahr in einer Bandbreite von 3,9 bis 4,5 Prozent seitwärts tendieren“, sagte Brezinschek. Ab Mitte
2008, wenn das Konjunkturbild wieder aufzuhellen beginnt, sollte das Investoreninteresse an Staatsanleihen als
sicherer Hafen wieder nachlassen und die Renditen wieder steigen.
Aufgrund der Rahmenbedingungen in den USA sollten sich US-Staatsanleihen ähnlich wie ihre europäischen
Pendants entwickeln: Bis Jahresmitte ist mit einer Seitwärtsbewegung zu rechnen, auf die – mit der erwarteten
langsamen Konjunkturaufhellung im zweiten Halbjahr – eine heftige und nachhaltige Preiskorrektur folgt.
Corporate Bonds: Im ersten Quartal unter Druck
Unter den Finanzmarktturbulenzen, von denen bislang vor allem Finanzinstitute betroffen waren, leiden zunehmend
auch die Unternehmen. Aktuell werden geplante Anleiheemissionen angesichts der Verunsicherung an den Märkten
und der stark gestiegenen Risikoaufschläge verschoben. „Um ihre geplanten Kapitalmarktmaßnahmen umzusetzen,
warten Emittenten ohne dringenden Refinanzierungsbedarf auf ein günstiges Zeitfenster“, so Brezinschek. Jene
Unternehmen, die jedoch nicht warten können, sehen sich zunehmenden Risikoprämien bzw. einer Verteuerung
der Kredite gegenüber. Gleichzeitig sinkendes Konsumentenvertrauen – insbesondere ausgelöst durch steigende
Verbraucherpreise – werden die Gewinn-Margen unter Druck setzen.
Die massiv angestiegenen Renditeaufschläge bei Investmentgrade- (von 47 auf 111 Basispunkte) und High Yield-Anleihen
(185 auf 495 Basispunkte) preisen bereits den prognostizierten Anstieg der Ausfallsraten bei Unternehmensanleihen
von aktuell unter ein auf über zwei Prozent im Jahr 2008 ebenso ein wie die Verschlechterung der Rating-Drift.
Die Ratingagenturen erteilen derzeit gleich vielen Unternehmen ein Upgrade wie ein Downgrade. Im Jahr 2008 wird
es verhältnismäßig mehr Downgrades geben.
Mehr Transparenz sollte die Veröffentlichung der Jahresergebnisse der Banken in den nächsten Monaten
mit sich bringen. Erst dann dürfte sich die Risikoaversion der Investoren reduzieren. Auch wenn sich zwischenzeitlich
niedrigere Spreads einstellen könnten, auf Sicht von drei Monaten bewertet die RZB sowohl Investmentgrade-
als auch High-Yield-Anleihen noch nicht auf Kauf. Finanztitel werden gegenüber Industrieanleihen erst auf
12 Monats-Sicht besser eingeschätzt, der Einstiegszeitpunkt liegt allerdings noch vor uns.
Aktien: Günstige Bewertungen als Triebfeder
2008 darf der europäische Aktienmarkt nur auf wenig Unterstützung aus dem Umfeld hoffen. Weder aufgrund
der Wirtschaftsentwicklung noch seitens der EZB sind Impulse zu erwarten. Selbst die erwartete Aufwertung des US-Dollars
im Laufe des Jahres wird – bei einem dann nach wie vor hohen Wechselkurs von knapp 1,40 US-Dollar je Euro – kaum
Spuren bei den international tätigen Unternehmen hinterlassen. „Einzig die Bewertungsniveaus stellen nach
wie vor einen wichtigen Unterstützungsfaktor dar“, erklärte Helge Rechberger, Leiter der RZB-Aktienmarktanalyse.
„Insgesamt erwarten wir daher für die kommenden Monate eine verhaltene Entwicklung der europäischen Aktienmärkte.“
Insbesondere im ersten Halbjahr dürfte diese jedoch auch von Abwärtsrisiken begleitet sein.
Außerhalb der Eurozone sollte nach Startschwierigkeiten, die nach Einschätzung Rechbergers bis ins zweite
Quartal reichen können, ein versöhnliches Aktienjahr bevorstehen. Die robuste Konjunkturlage in der Schweiz
und die erwarteten Zinssenkungen in Großbritannien sprächen für diese beiden Märkte. Die Zielwerte
der europäischen Börsen für März/ Dezember 2008: DJ Euro Stoxx 50: 4400/4800; DAX 30: 8000/8700;
FTSE 100: 6300/6900; SMI: 8500/9300.
Die günstigen Bewertungen sollten auch in den USA als Marktstütze dienen. „Insbesondere in Relation zu
Renten befinden sich Aktien auf dem günstigsten Niveau seit Jahren“, betonte Rechberger. Dennoch ist auch
für die US-Börsen weiterhin Gegenwind zu erwarten. Denn während auf der einen Seite Milliardenabschreibungen
der Finanzinstitute zu verbuchen sind, erhöhten sich die Konsensus-Erwartungen hinsichtlich des Gewinnwachstums
der US-Unternehmen auf 15 Prozent. „Darin sind jedoch allfällige Gewinnrevisionen nach unten im ersten Quartal
noch nicht enthalten. Insofern müssen daher in den kommenden Wochen und Monaten Enttäuschungen befürchtet
werden“, meinte Rechberger.
Die Zielwerte der US-Märkte für März/ Dezember 2008: DJ Industrial Average: 13300/14300; S&P
500: 1480/1590; NASDAQ Composite: 2700/2900.
Asset Allocation: 2008 beginnt mit defensiver Ausrichtung
Auf Ebene des Gesamtportfolios führten die Rahmenbedingungen dazu, dass die Aktien- und Anleihenquote kurzfristig
gegenüber der Benchmark auf neutral gesetzt wurden, d.h. 50 Prozent Aktien, 45 Prozent Anleihen, drei Prozent
Alternative Investments und zwei Prozent Cash.
Der noch länger anhaltende negative Nachrichtenfluss aus dem Finanzbereich und die unsichere Konjunkturlage
in den USA machen nach Ansicht der RZB-Experten eine defensive Branchenausrichtung sinnvoll. Dementsprechend läge
in den Sektoren Industrie, defensiver Konsum, Telekom, Versorger und IT das größte Potenzial in den
kommenden Monaten. Hinsichtlich der regionalen Asset-Verteilung erfolgte eine Übergewichtung von Emerging
Markets, wie beispielsweise China, und eine Untergewichtung der etablierten Märkte.
Im Anleihensegment rät Brezinschek zu einer Übergewichtung von inflationsindexierten Euro-Anleihen gegenüber
US-Staatsanleihen. Zunehmende Rezessionsängste in den USA können im Bereich der Unternehmensanleihen
zu einer nochmaligen Ausweitung der Spreads im High-Yield-Segment führen. Im RZB-Musterportfolio wurden daher
europäische Investment-Grade Titel übergewichtet. Euro-Papieren gibt Brezinschek auch bei CEE-Anleihen
den Vorzug: Eurobonds werden im Verhältnis zu Lokalwährungsanleihen deutlich übergewichtet.
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