Wissenschaftler der TU Berlin lassen "künstliche" Knorpel
wachsen
Berlin (idw) - Wie entsteht eigentlich ein Knorpel? Mit gutem Grund geht Mark Rosowski vom Institut
für Biotechnologie der TU Berlin dieser Frage nach: Verletzungen und Erkrankungen am Knorpelgewebe der Gelenke
verursachen oft starke Schmerzen, während die Chancen auf Heilung von Rheuma und Arthrose mit herkömmlichen
Methoden meist nur gering sind. Lässt man dagegen Knorpelgewebe im Labor wachsen und transplantiert es anschließend,
sehen die Chancen schon besser aus. Genau deshalb versuchen Mark Rosowski und andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
am Deutschen Rheumaforschungszentrum auf dem Gelände der Universitätsklinik Charité im Zentrum
Berlins, solche "künstlichen" Knorpel zu züchten.
Als Ausgangsmaterial nehmen sie dazu menschliche Knorpelzellen. Diese von Zellbiologen Chondrozyten genannten Zellen
verändern im Labor aber rasch ihr Aussehen und verwandeln sich in eine Art Vorläuferzellen. Diese können
sich im Organismus in Chondrozyten, aber auch in Muskel- oder Fettzellen sowie in Sehnen verwandeln. Im Labor aber
gelingt diese Rückverwandlung in Knorpelzellen nicht so recht. "Erst wenn die Zellen die richtige dreidimensionale
Umgebung haben, können sie zu Knorpelgewebe wachsen", erklärt Mark Rosowski. Genau diese räumliche
Umgebung aber haben sie in den Kulturflaschen nicht, in denen im Labor normalerweise Zellen wachsen. Die Zellen
sinken durch die Nährflüssigkeit auf den Flaschenboden und bilden dort eine Schicht, die nur so dick
ist wie eine einzige Zelle. Ein solcher "Monolayer" hat aber nur zwei räumli-che Dimensionen, weil
ihm die Höhe fehlt - ein Knorpelgewebe kann so kaum wachsen.
Biologen kennen "Tricks", die den Vorläuferzellen auf die Sprünge helfen könnten: So können
sie die Zellen zu einer Art Mini-Ball formen oder sie geben so viele Zellen in eine Kulturflasche, dass sich am
Boden mehrere Zellschichten übereinander lagern. Auf diese Weise erzwingen sie zwar eine dreidimensionale
Struktur, natürlich sind die Verhältnisse jedoch kaum. Viel besser ist das Ergebnis, wenn die Zellen
sich selbst ihre natürliche Struktur suchen können. Dazu gibt Mark Rosowski die Vorläuferzellen
in eine winzige Kapsel aus Zuckerpolymeren, die nur zirka einen halben Zentimeter Durchmesser hat. Wie von selbst
beginnen sich die Zellen dort aneinander festzuhalten und bilden eine dreidimensionale Struktur. "In dieser
Struktur stellen sich die Vorläuferzellen offensichtlich gegenseitig die Signale zur Verfügung, die für
die Umwandlung in normale Chondrozyten notwendig sind", erklärt Mark Rosowski. In der Kapsel wächst
so eine Art Knorpelgewebe, das Ärzte verwenden, um kleinere Risse und Schäden zu heilen. Allerdings können
sich die hohen Kosten einer solchen Therapie bisher nur Spitzensportler und sehr wohlhabende Menschen leisten.
Obendrein hilft diese Transplantation bei großen Schäden, wie sie bei Altersarthrose oder Rheuma auftreten,
kaum. "Vermutlich liefert bei Sportverletzungen das noch vorhandene gesunde Knorpelgewebe die Informationen
für das richtige Wachsen der transplantierten Chondrozyten", erläutert Rosowski. Dieses gesunde
Gewebe fehlt bei großen Schäden. Im Labor aber wachsen die Chondrozyten nur zu einem Gewebe, das viel
lockerer als ein natürlich gewachsener Knorpel im Körper ist. Im Organismus selbst geben noch eine ganze
Reihe von Signalen wichtige Informationen an die Chondrozyten, mit deren Hilfe das richtige Gewebe erst entsteht.
Einige dieser Botenstoffe kennt man, weiß aber nicht, in welcher Konzentration und zu welcher Zeit sie wirken
müssen, um einen festen Knorpel wachsen zu lassen. Gibt Mark Rosowski eine Mischung solcher Signalstoffe in
die Kapseln mit den Chondrozyten, stellt er als erstes Ergebnis fest: "Das Wachstum und Verhalten der Zellen
verändert sich." Bis er und seine Kollegen die beste Zusammensetzung der Signalstoff-Mischung kennen,
dürfte aber noch einige Zeit vergehen, dämpft der Forscher zu große Erwartungen. |