Kontrollierte Zufälligkeit verbessert Richtungshören mit Cochleaimplantaten / Publikation
in PNAS
Wien (öaw) - Cochleaimplantate (CIs) aktivieren den Hörnerv mittels im Innenohr eingebauter
Elektroden. Ist die Stimulation jedoch zu regelmäßig, geht die beidohrige Hörverarbeitung des Gehirns
drastisch zurück. Diese wird jedoch für das gezielte Richtungshören benötigt. In der Online-Ausgabe
der US-Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)" zeigen Forscher des Instituts
für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), wie dem entgegengewirkt
werden kann. Sie stimulieren den Hörnerv nach einem zufälligen Muster, welches die Richtungsinformation
beibehält. Das Richtungshören kann damit verbessert werden.
Cochleaimplantate (CIs) können gehörlosen oder hochgradig schwerhörigen Menschen ihr Hörvermögen
wiedergeben. Dabei werden akustische Signale in elektrische Pulse umgewandelt, welche die Hörnervenzellen
in der Hörschnecke (Cochlea) mittels einer implantierten Elektrode direkt anregen. Damit erreichen viele CI-Träger
eine hohe Sprachverständlichkeit.
Eine weitere wichtige Funktion des Gehörs ist die Lokalisation - also die Richtungsbestimmung - von Schallquellen.
Dafür ist die Auswertung der an beiden Ohren ankommenden akustischen Signale notwendig, insbesondere der bei
seitlichem Einfall einer Schallquelle auftretenden Laufzeitdifferenzen zwischen den Ohren (engl: interaural time
difference, ITD). Um CI-Trägern das Richtungshören zu ermöglichen, wurde vor mehreren Jahren begonnen,
CIs beidseitig zu implantieren. Dies führte tatsächlich zu einer Verbesserung der Lokalisation von Schallquellen.
Derzeitige CI-Systeme haben das Problem, dass die Sprachsignalübertragung hohe Pulsraten erfordert, die nachteilig
sind für die Wahrnehmbarkeit von ITDs und somit der Richtungsinformation.
Eine Lösung für dieses Problem wurde am Institut für Schallforschung der ÖAW gefunden. Der
Psychoakustiker Bernhard Laback entwickelte zusammen mit seinem Kollegen Piotr Majdak folgende Hypothese: Der Grund
für die schlechte Wahrnehmbarkeit von ITDs bei hohen Pulsraten liegt darin, dass die beidohrige Hörverarbeitung
des Gehirns gewissermaßen "einschläft". Ursache ist die bei elektrischer Anregung des Hörnervs
typische Regelmäßigkeit der neuronalen Reaktion. "Unsere Idee war daher, durch die Einführung
einer Art kontrollierten Zufälligkeit in der Zeitstruktur der elektrischen Anregungspulse das beidohrige Gehör
wach zu halten", erklärt Bernhard Laback. Kontrolliert wird die Zufälligkeit unter anderem dadurch,
dass sie zwischen den beiden Ohren koordiniert wird.
In Experimenten mit CI-Trägern konnten die Forscher zeigen, dass die Wahrnehmbarkeit von ITDs durch die Einführung
kontrollierter Zufälligkeit tatsächlich wesentlich verbessert werden kann. Laback: "Die Ergebnisse
der Studie können direkt in die Entwicklung neuer CI Systeme einfließen." Auch geben sie neue Einblicke
in die neuronale Verarbeitung von Richtungsinformation: Kontrollierte Zufälligkeit in der Zeitstruktur hält
das beidohrige Gehör "wach". |