Vor den Toren Bratislavas   

erstellt am
21. 01. 08

Der eiserne Vorhang hat jahrzehntelang die Stadtumlandverflechtung zwischen Bratislava und dem österreichischen Grenzgebiet beeinflusst. Seit dem Wegfallen der räumlichen Barriere und dem zunehmenden Ausbau der Verkehrsinfrastruktur gelten die österreichischen Gemeinden vor der slowakischen Hauptstadt als attraktive Wohngegend. RaumplanerInnen der Technischen Universität (TU) Wien setzen sich für einen geplanten und "geordneten" Zusammenwachsprozess auf beiden Seiten ein.
Wien (tu) - "Die Bürgermeister der Grenzlandgemeinden (z.B. Kittsee, Berg) in Niederösterreich und dem Burgenland sind an uns herangetreten mit dem konkreten Auftrag abzuschätzen, was in den kommenden Jahren im Umland von Bratislava in Sachen Raumentwicklung passieren wird und in Folge dessen konkrete Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen", berichtet Projektleiter Thomas Dillinger vom Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung der TU Wien. Besonders südlich der Donau sei laut Meinung der ExpertInnen mit einer stärkeren Verflechtung der Grenzumlandgemeinden mit Bratislava zu rechnen. Petrzalka, ein Stadtteil von Bratislava, reicht fast direkt bis an die österreichische Grenze. Danach folgen Äcker und Wiesen, also hauptsächlich agrarische Struktur. Durch den eisernen Vorhang waren "die Augen" der österreichischen Gemeinden sozusagen immer auf Wien gerichtet. Seit dem Fall der Schengengrenzen und der Eröffnung der Spange Kittsee benötigt man vom gleichnamigen Ort zehn Minuten ins Zentrum von Bratislava. Dillinger: "Das heißt die Bewohner müssen sich jetzt sprichwörtlich umdrehen und ihren Blick nach Bratislava richten. Außerdem handelt es sich hier um eine sehr attraktive Gegend. Wohnen im Grünen und arbeiten in der Stadt, so könnte die zukünftige Entwicklung in diesem Gebiet aussehen."

Das in Zusammenarbeit mit der TU Wien und mecca environmental consulting entstandene Projekt "KOBRA" forcierte vor allem die grenzüberschreitende Kooperation bei den Raumentwicklungsfragen. "Wir haben uns bestehende Ortsentwicklungs- und Flächenwidmungspläne mit den Gemeinden angesehen. Es wurde daraufhin relativ rasch klar, dass die Gemeinden kein 'unkontrolliertes' Zusammenwachsen mit Bratislava wollen. Damit ist beispielsweise gemeint, dass man nicht Bestandteil eines der Stadt vorgelagerten Betriebsgebietes sein möchte", erläutert Thomas Dillinger. Das Stadtumlandmanagement als Instrumentarium in der Raumplanung schlagen die WissenschafterInnen vor, um eine bessere Koordinierung der nationalen Interessen in der Flächenwidmung zu erlangen. "Das ist eine Grundproblematik in der grenzüberschreitenden Raumplanung. Es ist nicht notwendig, dass man die Flächenwidmungspläne gemeinsam macht. Wenn aber Bratislava die Pläne der Grenzumlandgemeinden kennt und umgekehrt, können zumindest Missverständnisse und klar widersprüchliche Raumbeanspruchungen (z.B. Mülldeponie und Wellnesseinrichtung) ausgeschlossen werden", so Dillinger.

Eine punktuelle Maßnahme, die als Leitprojekt für den gemeinsam geplanten Zusammenwachsprozess dienen könnte, wäre der Wiederaufbau einer Fußgängerbrücke über die March zwischen der Gemeinde Schlosshof und dem Ort Devinska Nová Ves auf slowakischer Seite. Nachdem dieser Übergang mit der Errichtung des Eisernen Vorhangs zerstört wurde, gibt es jetzt wieder konkrete Überlegungen eine Holzbrücke an dieser Stelle zu errichten und den Naherholungsraum für Bratislava besser zu erschließen.
 
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