France Cukjati zur europäischen Dimension einer Nachbarschaft
Wien (pk) - Im Rahmen seines Besuchs bei Nationalratspräsidentin Barbara Prammer im Hohen Haus
referierte der Präsident der Nationalversammlung der Republik Slowenien France Cukjati am 17.01. über
die "Europäische Dimensionen der österreichisch-slowenischen Nachbarschaft" und stellet sich
im Anschluss daran der Diskussion mit einem prominent besetzten Podium unter der Moderation von Miroslav Polzer,
dem Leiter des Österreichischen Wissenschaftsbüros Ljubljana. In allen Wortmeldungen klang Begeisterung
über die enorme Dynamik in der Entwicklung der Beziehungen zwischen Österreich und Slowenien in Wirtschaft,
Kultur und Politik an sowie Zuversicht und Optimismus für eine gute gemeinsame Zukunft in Europa.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer zeigte ihre Bewunderung für die Erfolgsgeschichte Sloweniens,
erinnerte an den Beitritt zur EU, zur EURO-Zone und kürzlich zum Schengen-Raum, machte auf die hervorragenden
Wirtschaftsdaten aufmerksam und nannte die besonderen Herausforderung, vor denen Slowenien in seiner EU-Ratpräsidentschaft
stehe: die Ratifizierung des Lissabonner Vertrags und wichtige Entscheidungen im Rat der Europäischen Union.
"Österreich wird an ihrer Seiten stehen", sagte die Nationalratspräsidentin ihrem slowenischen
Amtskollegen zu. Denn aus der Tatsache, dass die Slowenen Österreich ihr als ihr liebstes Nachbarland nennen,
erwachse Österreich ein besonderer Auftrag, meinte Prammer. Überdies sei Slowenien der zwölftgrößte
Außenhandelspartner Österreichs und Österreich der größte Investor in Slowenien sowie
dessen drittwichtigster Exportmarkt. Präsidentin Prammer zeigte sich zuversichtlich für eine gute Weiterentwicklung
der österreichisch-slowenischen Beziehungen und sah es als ein gutes Zeichen und als den richtigen Weg an,
wenn in Kärnten immer mehr deutschsprechende Kinder in slowenischsprachige Kindergärten und Schulen zu
gehen, um dort Slowenisch zu lernen.
Präsident France Cukjati stellte einleitend fest, es wäre einfach unvernünftig, würden Österreich
und Slowenien die enormen Möglichkeiten nicht nützen, die in der Zusammenarbeit der beiden Länder
lägen. Der Warenhandel nehme jährlich um 20 % bis 30 % zu, Österreich sei 2006 der viertgrößte
Exportpartner und drittgrößter Importpartner Sloweniens gewesen. Der gemeinsame Dienstleistungssektor
umfasse 1 Mrd. € und die Bedeutung des Adriahafens Koper nehme auch für Österreich permanent zu. Daher
sei die Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa ein wichtiges Thema der slowenischen
EU-Präsidentschaft, sagte Cukjati und erinnerte daran, dass unter dem Titel "Interreg" regionale
Kooperationen von der EU mit 67 Mill. € und jeweils von Österreich und Slowenien mit 12 Mill. € gefördert
werden. Durch Nutzung des gemeinsamen Potentials der Regionen in Nordslowenien, Steiermark und Kärnten können
Österreich und Slowenien ihre Wettbewerbsfähigkeit gemeinsam stärken, zeigte sich der slowenische
Parlamentspräsident überzeugt. In der Förderung des Tourismus sowie von kleineren und mittleren
Unternehmen sah Präsident Cukjati große Entwicklungschancen für beide Länder. Es sei daher
angebracht, diese Unternehmen administrativ zu entlasten, ihren Zugang zu Risikokapital zu erleichtern und ihre
Kooperation mit Universitäten zu fördern, um den Wissenstransfer zu beschleunigen und Barrieren bei der
Kooperation von KMU zu überwinden. Die Politik habe dabei die Aufgabe, Misstrauen im Umgang der Menschen zu
überwinden und Vertrauen zu schaffen. "Wir haben gemeinsame Traditionen und gemeinsame Interessen, gute
nachbarschaftliche Beziehungen versprechen uns eine gute Zukunft", schloss Präsident Cukjati.
Bernard Sadovnik (Obmann des Alpe Adria Zentrums für grenzüberschreitende Zusammenarbeit - AACC) unterstrich
einleitend die Rolle der slowenischen Volksgruppe in Kärnten als Brücke zwischen Österreich und
Slowenien und sprach sich dafür aus, diese Humanressource und ihre Sprachkompetenzen bei der wirtschaftlichen
Kooperation verstärkt zu nützen. Österreich und Slowenien seien willkommene Partner auf dem Balkan
und in Südost-Europa und sollten diesen Vorteil gemeinsam nützen. Der AACC verfolge das Ziel, die wirtschaftliche
Kooperation auf der Ebene von Gemeinden, Regionen und Ländern in Kärnten, Slowenien und Friaul-Julisch-Venetien
zu fördern und den Know-how-Transfer zu unterstützen. Mit Freude registrierte Sadovnik, dass der Wille
zur Mehrsprachigkeit, und damit die kulturelle Vielfalt in Österreich und in Slowenien stark zunehmen.
Gerhard Draxler (Landesdirektor des ORF Steiermark) blickte zurück auf 25 Jahre österreichisch-slowenischer
Beziehungen auf dem Gebiet gemeinsamer Medienproduktionen und erinnerte insbesondere an das Alpen-Donau-Adria-Magazin,
in dem Journalisten aus der Schweiz, Kroatiens, Sloweniens, Österreichs und Bayerns bereits in Zeiten des
Kalten Kriegs und der Systemkonfrontation für ein Millionenpublikum zusammenarbeiteten und einen wesentlichen
Beitrag zu den politischen Umwälzungen in Europa geleistet haben. Jüngstes Produkt des ORF-Steiermark
zur Förderung des kulturellen Dialogs ist die Initiative "Miteinander slowenisch g'redt" zur Förderung
der Mehrsprachigkeit.
Caspar Einem (Präsident der österreichisch-slowenischen Gesellschaft) schilderte in launigen Anekdoten
die guten Erfahrungen, die er als Staatssekretär und Innenminister bei der Zusammenarbeit mit seinem slowenischen
Amtskollegen Andrej Ster seit Mitte der neunziger Jahre gemacht habe und machte seine Bewunderung für die
enorme Entwicklung des südlichen Nachbarlandes deutlich. Die Unterkünfte, die Österreich nach seinem
EU-Beitritt an der südlichen Staatsgrenze errichte, seien bewusst aus Holz gebaut worden, berichtete der ehemalige
Innenminister, weil ihm von Anfang an klar gewesen sei, dass man sie bald wieder entfernen werde, sagte Einem.
"Slowenien sei für Österreich ein Partner, wie wir keinen besseren haben könnten".
Franc Kangler (Bürgermeister der Stadt Maribor) schilderte die gute wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit
der Schwesternstädte Maribor und Graz und warb nachdrücklich um Unterstützung für die Bewerbung
Maribors als Europäische Kulturhauptstadt 2012. Maribor plane als Kulturhauptstadt Kooperationen mit mehreren
slowenischen Städten, aber auch mit dem kroatischen Varazdin, und erwarte eine "kulturelle Explosion"
für die ganze Region, wenn es den Zuschlag durch die Europäische Union erhalte.
Marjana Kreitner Lozina (Koordinationsbüro Euregio Nordostslowenien-Steiermark) informierte über die
Tätigkeit der beiden "Euregio"-Büros in Graz und Maribor, die sich der Entwicklung und Förderung
grenzüberschreitender wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Projekte widmen. Konkret gehe es dabei
um die Vernetzung von Institutionen, Behörden und Forschungseinrichtungen, um die Sammlung gemeinsamer Daten
und um die Überwindung von Barrieren beim Kontakt zwischen den Menschen.
Ernest Petric (Botschafter Sloweniens in Österreich) sprach von einer außergewöhnlichen Zeit, die
Slowenien seit seinem Beitritt zum Schengen-Raum und seit der Übernahme der EU-Präsidentschaft erlebe.
Er sei stolz darauf, gemeinsam mit österreichischen Politikern im Budgetsaal des Parlaments sprechen zu können,
in einem Raum, wo bereits am Beginn des 20. Jahrhunderts "unsere Vorfahren gemeinsam politische Entscheidungen
getroffen haben". Nach einer bewegten Geschichte als Provinz Österreichs, als Teil eines Königreichs,
nach Faschismus und Kommunismus "sitzen wir uns heute auf gleicher Augenhöhe gegenüber", alle
Unterschiede im Status Sloweniens gegenüber seinen Nachbarländern seien nun überwunden, sagte Petric.
Österreich und Slowenien können nun im gemeinsamen Haus Europa ihre gemeinsamen Erfahrungen mit dem Zusammenleben
in multinationalen Staaten einbringen, sagte Botschafter Petric und schloss mit der Bitte, die noch offene Frage
in Kärnten zu lösen.
Barbara Weitgruber (Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung) berichtete von der Kooperation zwischen
den Universitäten Graz und Maribor sowie der beiden Akademien der Wissenschaften, insbesondere bei der Förderung
des Studentenaustauschs, bei der Vermittlung von Erasmus-Stipendien und bei der Aufarbeitung von Problemen in der
gemeinsamen Geschichte der beiden Länder durch Historiker. Ein wichtiges Ziel der Kooperation sei die Heranführung
des Westbalkan-Raums an den europäischen Wissensraum. Für Fortschritte in diese Richtung biete die slowenische
Ratspräsidentschaft große Chancen.
Wolfgang Pirklhuber resümierte als Obmann der Parlamentarischen Gruppe Österreich-Slowenien die Podiumsdiskussion,
indem er die Bedeutung der vielen kleinen Schritte unterstrich, aus denen das Projekt Europa bestehe und gab aus
persönlicher Erfahrung seiner Freude darüber Ausdruck, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit
die Voraussetzung für das bessere Kennenlernen von Menschen schaffe.
An einem Büchertisch hatten die Teilnehmer der Veranstaltung Gelegenheit, in den zahlreichen slowenischen
Publikationen der Verlage Drava, Wieser und Hermagoras/Mohorjeva zu schmökern. |