Unsicherheit in den Märkten sorgt für holprigen Start   

erstellt am
16. 01. 08

Liquiditätsproblematik der etablierten Märkte wirft ihre Schatten auf Österreich und CEE
Wien (rzb) - Die in den USA ausgelöste Liquiditätsklemme, in der sich die Finanzmärkte derzeit befinden, wirft lange Schatten. Allerdings werden Österreich und die Länder Zentral- und Osteuropas (CEE) von dieser Entwicklung weitgehend verschont bleiben. "Die Übertragungsmechanismen über Kredit- und Zinsverteuerungen sind wegen der geringen Finanzintermediation in CEE und der guten Ertragslage der Unternehmen bzw. steigender Haushaltseinkommen weit weniger ausgeprägt", erklärt Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB). Dennoch werde die Kreditverteuerung für Konsumenten und Unternehmen auch in CEE ein Thema für die Konjunktur.

Enge Verflechtung mit der Eurozone prägt CEE-Konjunkturprognosen

Die bisherigen direkten Auswirkungen der vom US-Hypothekenmarkt ausgehenden Finanzmarktturbulenzen auf die CEE-Länder waren laut Brezinschek kaum nennenswert. Selbst indirekte Folgen waren lediglich wenige zu verzeichnen: So werden etwa CEE-Währungen nunmehr differenzierter betrachtet – das gilt vor allem für die rumänische Leu, die um knapp 20 Prozent gegenüber ihren Vorjahres-Höchstständen verlor. Darüber hinaus hat sich – aufgrund der weltweit geringen Bereitschaft der Banken, sich gegenseitig Geld zu leihen – die Kreditschöpfung jener kleineren lokalen Institute aus der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (CIS) deutlich verschlechtert, die in hohem Maße von der Refinanzierung über den Finanzmarkt abhängig sind.

Angesichts der reduzierten Wachstumsaussichten für die Eurozone besteht für Brezinschek kein Zweifel, dass davon auch die Wachstumszahlen für die CEE-Länder tangiert werden. Den Konjunkturprognosen 2008 für Österreich (2,5 Prozent) und CEE (CE: 5,0 Prozent; SEE: 5,5 Prozent; CIS: 5,5 Prozent) liegt daher ein nach unten revidiertes Eurozonen-Wachstum von 1,8 Prozent zugrunde. "Mit Ausnahme Ungarns bleibt das Wachstum aber sowohl in Österreich, als auch in CEE über dem Potenzialwachstum", zeigt sich Brezinschek auf Jahressicht zuversichtlich.

Inflation führt zu einer Ausweitung der Zinsdifferenz gegenüber der Eurozone

Die Entwicklung der Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise sowie die hohen Lohnsteigerungen treiben die Inflation in der gesamten Region weiter an. Während daher die Zinsen nach Einschätzung Brezinscheks in Polen, Tschechien und Rumänien deutlicher angehoben werden, wird die Zinssenkung in Ungarn noch auf sich warten lassen. "Die Ausweitung der Zinsdifferenz wird die meisten Ostwährungen stützen, wenngleich bei Ländern mit hohen Leistungsbilanzdefiziten Schwäche zum Euro eintreten dürfte."

Österreich: Konjunkturentwicklung füllt die Staatskasse
Auf Basis der bisher bekannten Daten dürfte 2007 aus Konjunktursicht das beste Jahr seit 1999 gewesen sein (BIP 2007e: 3,4 Prozent). "Doch die Bäume wachsen nicht in den Himmel", betont Brezinschek. Österreich sollte zwar dem internationalen Trend trotzen und so noch vom bestehenden Konjunkturmomentum bis ins erste Halbjahr 2008 hinein profitieren können.

Dennoch würden die gedämpften Aussichten für die Eurozone und die schlechten Nachrichten aus den USA auch an der heimischen Wirtschaftsentwicklung nicht spurlos vorüber gehen. "Wir haben daher unsere Prognose von 2,7 auf 2,5 Prozent gesetzt", berichtet der Chefanalyst der RZB. Damit läge die Entwicklung des BIP selbst in einem international schwierigen Umfeld bereits zum vierten Mal in Folge über dem Potenzialwachstum – darunter versteht man die langfristige BIP-Entwicklung bei normaler Auslastung der vorhandenen Kapazitäten – von 2,2 Prozent.

Von dieser guten konjunkturellen Entwicklung profitiert auch der öffentliche Haushalt. So könnte das Budgetdefizit schon heuer bereits nur 0,3 Prozent des BIP betragen, 2009 könnte knapp ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden. "Somit wären die Voraussetzungen für eine steuerliche Entlastung der Österreicher geschaffen", meint Brezinschek.

ATX: Anleger müssen sich auf größere Kursausschläge einstellen
Die weltweit starke Vertrauenskrise in den Finanzsektor und die Sorge um die US-Konjunktur haben auch Auswirkungen auf den österreichischen Markt. Die Marktenge, die geringere Liquidität und die Indexzusammensetzung haben sich auf den ATX überdimensional ausgewirkt. Vor allem zyklische Werte wie Andritz, Wienerberger oder Palfinger waren davon betroffen.

Obwohl Birgit Kuras, Chefanalystin der Raiffeisen Centrobank AG, auch 2008 von einer positiven Entwicklung der Unternehmen ausgeht und ein 12-prozentiges Gewinnwachstum (nach 25 Prozent im abgelaufenen Jahr) bei österreichischen Unternehmen erwartet, wird das Börseumfeld in den nächsten Monaten von US-Rezessionsängsten und Folgeerscheinungen der US-Hypothekarmarktkrise maßgeblich mitbestimmt werden.

Kuras erwartet daher für den ATX, vor allem für das erste Quartal dieses Jahres, weiterhin turbulente Zeiten und empfiehlt Anlegern sich auf deutlich größere Kursausschläge einzustellen. Die attraktiven Bewertungsniveaus sind für die weitere Entwicklung des österreichischen Aktienmarktes allerdings eine positive Ausgangslage.

Für den Leitindex der Wiener Börse prognostiziert Kuras 4.200 Zähler gegen Ende des ersten Quartals 2008. Bis zum Jahresende sollte ein ATX-Anstieg bis auf 5.000 Punkte möglich sein.

CEE-Aktienmärkte: vorerst nur geringer Risikoappetit

Die Schwächephase der etablierten Märkte wird sich in den nächsten Monaten auch in der Entwicklung der CEE-Börsen widerspiegeln. "Wir rechnen mit einer Fortsetzung des holprigen Starts im ersten Quartal", so Brezinschek. "Mit der Normalisierung der Liquiditätskosten sollte sich der Risikoappetit insbesondere in der zweiten Jahreshälfte aber in nennenswerten Kurszuwächsen positiv bemerkbar machen."

RZB EmEurope Risikoindex
Die Risikobereitschaft der Investoren ist ein wichtiger Bestimmungsfaktor für die Finanzmarktentwicklung. Sie bestimmt über die Risikoprämie den Kursverlauf mit. Steigt die Bereitschaft, in riskante Wertpapiere zu investieren, werden deren Preise anziehen. Nimmt die Risikoneigung hingegen ab, fallen dementsprechend im Gegenzug auch die Wertpapierkurse. Diese Risikobereitschaft misst der RZB EmEurope Risikoindex.

Die Risikobereitschaft hat seit 2003 rasant zugenommen und verharrt seit 2005 auf hohem Niveau. Dieses bildet das strukturelle Niveau, um das der Risikoindex schwankt. Aktuell deutet der RZB EmEurope Risikoindex eine Stagnationsphase mit unterdurchschnittlichen Erträgen an.

Welche Märkte scheinen auf Gesamtjahressicht derzeit besonders erwähnenswert?

Russland: Vorzeichen für das Aktienjahr 2008 stehen gut
2007 war mit einer Wertentwicklung des Leitindex RTS von 17,1 Prozent ein durchaus erfreuliches Aktienjahr in Russland. Das heurige Jahr wird zumindest in den ersten Monaten – nicht zuletzt aufgrund des erwarteten Ölpreisrückganges – etwas gemächlicher anlaufen. "Dennoch stehen die Vorzeichen für ein neuerlich erfreuliches Börsenjahr gut", versichert Brezinschek. So gelte etwa der Putin-nahe Kandidat Dimitri Medwedew als klarer Favorit für die Präsidentschaftswahl im März 2008. Wird Medwedew gewählt, ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser die auf Wachstum und Investitionen ausgerichtete Wirtschaftspolitik des amtierenden Präsidenten fortführt. "Damit wären wichtige Rahmenbedingungen für eine gut geschmierte Börse erfüllt", so Brezinschek.

Zielwerte für den RTS für März/Dezember 2008: 2400/2650.

Polen: Kapitalmarkt baut auf solide Fundamentaldaten

Vor dem Hintergrund knapper Liquidität, hoher Marktgewichtung der Banken und den zuvor stark gestiegenen Bauwerten dürfte der polnische Aktienmarkt im ersten Quartal noch in Mitleidenschaft gezogen sein. "Die guten Fundamentaldaten stellen aber eine solide Basis für einen Kursaufschwung im Jahresverlauf dar", meint Brezinschek. Sinkende Arbeitslosigkeit und steigende Löhne heizen den Konsum und die bereits rege Investitionstätigkeit weiter an. Gleichzeitig resultieren daraus aber auch nicht unerhebliche Gefahren für die Inflationsentwicklung. Brezinschek: "Unser Szenario einer Inflation von durchschnittlich 3,1 Prozent für 2008 wackelt ganz erheblich."

Vor dem Hintergrund einer günstigen Bewertung (KGV 2008f: 11,8) und der neuen kapitalmarktfreundlichen Regierung sehen die Zielwerte für den WIG 20 wie folgt aus: 3160/3950.

Ungarn: Bescheidene BIP-Entwicklung als Preis der Untätigkeit

Auf Basis der bislang verfügbaren Daten zeichnet sich für Ungarns Wirtschaft 2007 mit 1,7 Prozent als Folge des Budgetsanierungskurses der ungarischen Regierung eine harte Landung ab. Für das laufende Jahr ist Brezinschek jedoch verhalten optimistisch und erwartet mit 2,5 Prozent eine leichte Erholung. "Durch das Ausbleiben weiterer Sparmaßnahmen kann der freie Fall der Inlandsnachfrage heuer zumindest gestoppt und vielleicht sogar eine Trendwende erreicht werden." Die Entwicklung der ungarischen Börse sollte daher zwar positiv, im Vergleich mit ihren regionalen Pendants jedoch deutlich schwächer sein. Als Argumente für den ungarischen Markt sieht Brezinschek – ähnlich wie in Polen – die vergleichsweise günstige Bewertung (KGV 2008f: 11,4) sowie die Verbesserung des makroökonomischen Umfelds und des Gewinnwachstums (2008f: 10,2 Prozent).

Zielwerte 2008 für den BUX: 25000/29500.

Branchenfokus in Österreich und CEE
Angesichts des von Unsicherheit geprägten Börsenklimas gibt Stefan Maxian, Head of Company Research der Raiffeisen Centrobank AG. bei der Branchenauswahl defensiven Sektoren den Vorzug.

Telekom
Krisenresistente Cash Flows, hohe Dividendenrenditen von durchschnittlich 5,5 Prozent und Effizienzsteigerungspotenziale machen Telekomwerte auch in unsicheren Zeiten durchaus attraktiv. Die tschechische Telefonica O2 CR steht laut Maxian aufgrund der mehr als
7,5-prozentigen Dividendenrendite, einer möglichen Sonderdividende wegen des raschen Abbaus des Schuldenstandes und der Stabilisierung der Festnetzerträge auf der Empfehlungsliste.

Versorger
Steigende Primärenergiepreise, aber auch eine Normalisierung der Wetterlage waren Basis der durchaus positiven Kursentwicklung der Versorgeraktien. Maxian erwartet auch im ersten Quartal 2008 anhaltend hohe Strompreise – vor allem, da die zweite Phase des CO2-Zertifikatehandels gerade beginnt, in der die Zuteilung an die Unternehmen knapper ausgefallen ist, als erwartet. Sein "Top Pick" im Versorgersektor ist die EVN. Das derzeit einstellige KGV (nach Bereinigung um den Marktwert der Beteiligung am Verbund) sieht Maxian als günstiges Einstiegsniveau.

Finanzwerte
Hier wird erst nach Vorlage von geprüften Jahresabschlüssen den Spekulationen über den tatsächlichen Wertberichtigungsbedarf und damit der Vertrauenskrise ein Ende gesetzt werden können. Bis dahin wird eine verhaltene Sektor-Perfomance erwartet. Maxian ortet, dank ihres überdurchschnittlichen Wachstums in Osteuropa, insbesondere in der Wiener Städtischen Potenzial.

Öl
Der hohe Ölpreis und starke Raffineriemargen ermöglichte Öl- & Gas-Unternehmen in CEE, ihre Gewinnziele trotz des schwachen USD zuletzt zu überbieten. Die stärkste Empfehlung in diesem Sektor erhält die tschechische Unipetrol. Durch den derzeitigen Raffinerieausbau werden sich die Produktionskapazitäten um 25 Prozent erweitern, und eine flexiblere Produktionssteuerung ermöglicht eine schnellere Reaktion auf schwankende Nachfragesituationen. Die starke Finanzsituation nach Beteiligungsverkäufen erlaubt darüber hinaus Zukäufe.

Bau
Obwohl der Bausektor derzeit nicht zu den Branchenfavoriten zählt, ist die STRABAG SE auf der Empfehlungsliste. Seit dem IPO trugen neu gewonnene Aufträge in Russland zu einem Rekordauftragsbestand von rund 10,8 Milliarden Euro und zu einer höheren Visibilität des Russlandgeschäfts bei. Zusätzlich steigert das kürzlich geschlossene Joint Venture in der Ukraine die CIS-Fantasie.
 
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