Jungforscher der Uni Graz untersucht Glücksspiel-Boom in der Steiermark   

erstellt am
16. 01. 08

Graz (universität) - Mehr als 50 Wettlokale gibt es allein in Graz, steiermarkweit sind derzeit 4700 Automaten zugelassen, die Umsätze der Sportwetten-Anbieter steigen und steigen: Das Glücksspiel erlebt derzeit eine Renaissance, immer mehr Menschen versuchen, das große Geld im schnellen Spiel zu machen. Ein Nachwuchs-Wissenschafter der Uni Graz hat sich jetzt der Frage nach dem „Warum“ gewidmet und herausgefunden, dass die Hass-Liebe zum Geld daran schuld ist.

Die Glücksspiel-Branche prosperiert: Die Zahl der Wettlokale in der Steiermark steigt, die Menge an Automaten nimmt zu. Auch politisch sorgt das Thema seit geraumer Zeit für Diskussionsstoff, erst Anfang Oktober hat im Landtag eine Enquete zu diesem Thema stattgefunden. Die KPÖ hat 11.000 Unterschriften gesammelt, um diese Art von Glücksspiel einzudämmen.

Der Frage, warum so viele Menschen ihr Geld verwetten, wurde indes wenig Aufmerksamkeit geschenkt – ein Grazer Jungforscher hat sich nun diese Mühe gemacht: In Interviews mit Betroffenen hat der Soziologe Mag. Christian Stiplosek in seiner Diplomarbeit die Beweggründe der „Spielenden“ beleuchtet und so eruiert, warum das Glücksspiel derzeit derart beliebt ist. Sein Ergebnis, kurz gefasst: „Die Grundlage für den Boom im Glücksspiel liegt in einer, im flexiblen Kapitalismus verstärkt auftretenden, intensiven Hass-Liebe der Menschen zum Geld“, sagt der 32-Jährige. Zwar mache sich die Mehrzahl der SpielerInnen keine Illusionen über die Gewinnchancen, gespielt werde aber trotzdem. Auch die Höhe der Einsätze nimmt sich eher bescheiden aus: „Sie liegen zwischen drei und 20 Euro pro Spiel“, sagt Stiplosek. „Die Mehrzahl geht kein Risiko ein. Ihnen ist wichtig, die Kontrolle über das Spiel zu haben. Sie wollen sich unterhalten, ein wenig Spaß haben und den Alltag für kurze Zeit vergessen.“

Das Spiel beherrscht einen großen Teil des Alltags der Befragten: „Die Personen, mit denen ich gesprochen habe, verbringen schon einen wesentlichen Teil in ihrer Freizeit mit dem Spiel bzw. im Spieler-Milieu, ohne aber die Kriterien des süchtigen bzw. pathologischen Glücksspiels voll zu erfüllen.“ Ihr Ziel sei somit nicht der Gewinn selbst – „sie zeigen sich zufrieden, wenn sie pari aussteigen“ –, sondern ein Ausleben von Verbotenem: „Im Glücksspiel, so meine Hauptthese, kann ausgelebt werden, was im Alltags- und vor allem Arbeitsleben, mit seinen subtilen, aber rigiden Zwängen zur Selbstkontrolle, untersagt ist.“

Die massenhafte Zuwendung zum Glücksspiel sei also Ausdruck einer sich im Umbruch befindenden Wohlstandsgesellschaft: Die gesellschaftlichen Veränderungen führen gerade in den weniger privilegierten Schichten, aber auch in den Mittelschichten zu zunehmender Unsicherheit. Immer stärker etabliert sich ein Gefühl der Ausweglosigkeit und Ohnmacht. Aus dieser Sicht ist das Glücksspiel bzw. die Sportwette also nichts anderes als eine so genannte Ventilsitte, ein Ritual, das Unterdrückten dazu dient „Dampf abzulassen“. „Auf der einen Seite wird Geld – als Indikator für den gesellschaftlichen Erfolg – begehrt, geliebt und angestrebt. Auf der anderen Seite wird es aufgrund relativer Deprivation und aufgrund eben seiner uneingeschränkten und übergeordneten Bedeutung gehasst und verachtet“, so der Soziologe. „Die ambivalente Beziehung – also die Hass-Liebe – zum Geld verstärkt den Wunsch, es aufs Spiel zu setzen.“
 
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