Potsdam-Rehbrücke (idw) - Aromastoffe aus Orangensaft und Reis, die
auch im menschlichen Schweiß zu finden sind, können Pheromonrezeptoren des Typ-1 (VN1-Rezeptoren) aktivieren.
Zu diesem Ergebnis kam ein Forscherteam um Dietmar Krautwurst vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE). Die Wissenschaftler entwickelten ein spezielles Zellkultursystem, mit dem sie die
fünf menschlichen VN1-Rezeptoren erstmalig funktionell charakterisierten. Dabei gelang es ihnen, 19 Duftstoffe
zu identifizieren, die an die Rezeptoren binden und sie so aktivieren. Krautwurst und seine Kollegen veröffentlichten
ihre Ergebnisse jetzt online in der angesehenen Fachzeitschrift The FASEB Journal (Shirokova, E. et al., 2008).
Die gedruckte Version erscheint in der Mai-Ausgabe 2008.
Pheromone sind Substanzen, die von Individuen einer Spezies abgegeben werden und für die biochemische Kommunikation
innerhalb dieser Spezies wichtig sind. Zu ihnen zählen beispielsweise Sexuallockstoffe oder auch Alarmbotenstoffe,
die oft schon im pikomolaren* Bereich wirksam sein können. Das heißt, bereits wenige Moleküle dieser
Substanzen können eine psychologische oder physiologische Reaktion wie eine veränderte Stimmungslage
oder einen beschleunigten Herzschlag auslösen. Auch beim Menschen lassen sich Effekte beobachten, die auf
Pheromone zurückgeführt werden könnten. Bei Frauen, die in engen Wohngemeinschaften leben, synchronisiert
sich beispielsweise der weibliche Zyklus. Wissenschaftler vermuten, dass hierfür eine bislang unbekannte Pheromon-Komponente
im Achselschweiß verantwortlich ist.
Während Mäuse mehr als 180 verschiedene Gene für Pheromonrezeptoren des Typ-1 besitzen, verfügt
der Mensch nur noch über fünf solcher Gene. Ob diese Gene die Baupläne für funktionstüchtige
Rezeptorproteine enthalten und wenn ja, welche Duftstoffe diese Rezeptoren aktivieren, war bislang unbekannt und
Gegenstand vieler Diskussionen. Um zur Klärung beider Fragen beizutragen, entwickelten die DIfE-Wissenschaftler
ein zelluläres Testsystem. Mit diesem untersuchten und verglichen sie die Duftstofferkennung und Signalweiterleitung
aller fünf menschlichen Rezeptoren.
Die Forscher testeten 140 verschiedene Duftstoffe, von denen 19 Substanzen rezeptorvermittelte Signale in den Zellen
des Testsystems auslösten. Bei den identifizierten Duftstoffen handelt es sich zumeist um kurzkettige aliphatische**
Alkohole und Aldehyde. Einige dieser Substanzen kommen im Achselschweiß vor und könnten somit eine Rolle
für die zwischenmenschliche Kommunikation spielen. Da diese Substanzen aber auch maßgeblich das Aroma
von Orangensaft oder gekochtem Reis bestimmen, sind sie gleichzeitig als Schlüsselaromastoffe von Lebensmitteln
zu betrachten.
"Nach unseren Ergebnissen sind alle fünf menschlichen Typ-1-Pheromonrezeptoren prinzipiell funktionsfähig.
Zudem lassen unsere Daten, und auch Befunde anderer Arbeitsgruppen vermuten, dass einige der von uns identifizierten
Duftstoffe sowohl als Aromastoff als auch als Pheromon wirken könnten", erklärt Krautwurst. Ob die
untersuchten fünf Rezeptoren beim Menschen in der Tat eine Rolle für die biochemische, zwischenmenschliche
Kommunikation spielen, könne nach Aussage der Wissenschaftler nur ein Blick auf das Gehirn klären. Denn
das Gehirn entscheidet letztendlich darüber, wie ein Geruch auf uns wirkt - ob wir ihn beispielsweise attraktiv
oder abstoßend finden.
*pikomolar = 10hoch-12 Mol pro Liter/ Ein Mol eines Stoffe entspricht 6 X 10hoch23 Teilchen **aliphatisch
= im Molekül sind nur offene Atomketten vorhanden |