Amtseinführung des neuen evangelisch-lutherischen Bischofs Michael Bünker   

erstellt am
28. 01. 08

"Evangelischer Glaube wird sich mit den bestehenden Verhältnissen nie abfinden"
Wien (epd Ö) - "Achtet den Dienst eures Bischofs, steht ihm bei, betet für ihn." Mit diesen Worten wandte sich Bischof i.R. Mag. Herwig Sturm an die mehr als 1700 Gäste, die aus der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich, aber auch aus der reformierten und evangelisch-methodistischen Kirche sowie aus der Ökumene aus dem In- und Ausland zur Amtseinführung des neuen lutherischen Bischofs Hon.-Prof. Dr. Michael Bünker am 27.01. in das Austria Center Vienna gekommen waren.

Für eine missionarische und diakonische Kirche
In seiner Predigt erklärte der neue Bischof, er wolle sich in den kommenden Jahren für eine missionarische und diakonische Kirche einsetzen, und sagte: "Ich lade alle ein aufzubrechen, mich auf diesem Weg zu begleiten." Bünker unterstrich: "Evangelischer Glaube, wie ihn der Apostel Paulus versteht, wird sich mit den bestehenden Verhältnissen nie abfinden, wird nicht resignieren und nicht zynisch werden. Wird auch nicht illusionär über die Realität hinweggehen, sondern sich voll Wachsamkeit und Leidenschaft ausstrecken nach der neuen Welt Gottes."

Bünker, der auf ein im Saal aufgehängtes Bild "Sehnsucht des Grases" von Max Weiler Bezug nahm, verwies darauf, dass Gras ein Bild für paradiesische Zustände sei, zugleich stehe es "für alles, was übergangen und zertrampelt wird, abgemäht, verdorrt, und zubetoniert". In diesem Zusammenhang sagte der Bischof: "Heute jährt sich zum dreiundsechzigsten Mal der Tag, an dem Auschwitz befreit wurde" und erklärte: "Insbesondere gedenken wir der Millionen Jüdinnen und Juden und der Schuld, die die Kirchen gegenüber Israel, dem Volk Gottes im ungekündigten Bund, auf sich geladen haben." Auch die Evangelische Kirche A.B. in Österreich sei "mitschuldig geworden durch Wegschauen und Zutun".

Beides, das Gras des Paradieses und das Gras des Feuerofens, stehe, so Bünker in seiner Antrittspredigt, im Zeichen des Kreuzes Jesu und im Licht seiner Auferstehung. "So nimmt unser Glaube diese Spannung mit hinein in eine große Verheißung, die Gott uns zuspricht", sagte der neue Bischof.

Zuvor hatte Bischof Sturm seinem Nachfolger das bischöfliche Amtskreuz übereicht, das die Schülerin Gerlinde Kramer in der Goldschmiedewerkstatt des Evangelischen Gymnasiums Wien entworfen hatte. In seiner Ansprache betonte Sturm, in der lutherischen Tradition nehme der Bischof sein Amt „personal, kollegial und gemeinschaftlich“ wahr. In diesem Amt werde „die Bewahrung der apostolischen Tradition, die uns allen aufgetragen ist“, sichtbar. Die Bestellungsurkunde für Bischof Bünker hatte der Präsident der Synode A.B. und der Generalsynode, RA Dr. Peter Krömer verlesen.

Gesegnet wurde Bünker von den beiden AssistentInnen der Amtseinführung, der lutherischen Oberkirchenrätin Dr. Hannelore Reiner und dem Generalbischof der Evangelischen Kirche A.B. in der Slowakei, Dr. Milos Klatik. Segensworte sprachen auch der Landessuperintendent der Evangelischen Kirche H.B. in Österreich, Mag. Thomas Hennefeld, die Tiroler Superintendentin Mag. Luise Müller sowie Leopoldine Baierl von der Gehörlosengemeinde.

Für die Bischöfe der Evangelisch-lutherischen Kirchen Deutschlands, Finnlands, Russlands, Polens, Schlesiens, Italiens, Rumäniens, Sloweniens und Ungarns sowie für die reformierten Kirchen der Slowakei und Ungarns sprachen Segensworte der finnische Erzbischof Dr. Jukka Paarma und der sächsische Bischof Jochen Bohl.

"Erlaube den Kindern ein sorgloses Leben."

Auch der Schweizer Pfarrer Thomas Wipf, der Präsident der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), deren Generalsekretär Bünker ist, segnete den neuen Bischof. Ein Segensgebet der Ökumene sprachen der römisch-katholische Weihbischof DDr. Helmut Krätzl und der griechisch-orthodoxe Metropolit Dr. Michael Staikos.

Kinder überbrachten Bünker einen Segenswunsch mit den Worten: "Erlaube den Kindern ein sorgloses Leben. Erlaube es Gott, über dich stets zu wachen und schließe den Dank in dein Beten mit ein."

Reiche musikalische Ausgestaltung
Die Fürbitten in dem Gottesdienst, dessen Liturgie von der Pfarrerin der Ortsgemeinde Kaisermühlen und Kagran, Mag. Elisabeth Kluge, und von Bischof Bünker geleitet wurde und der auch von Brigitte Mikulasek und Valerie Clarke in Gebärdensprache übersetzt wurde, sprachen VertreterInnen der Evangelischen Jugend, des Religionsunterrichts, der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, der Pfarrerinnen und Pfarrer, der Frauenarbeit, der ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, der Weltmission, der Ökumene und der Diakonie.

Der Abendmahlsgottesdienst war musikalisch reich ausgestaltet. Es wirkten mit die Kantorei Oberschützen sowie der Chor und das Bläserensemble des Evangelischen Musikgymnasiums Oberschützen unter der Leitung von Erik Barnstedt und Erich Brunner, der Albert-Schweitzer-Chor, geleitet von Matthias Krampe, und der Ghana Minstrel Choir unter der Leitung von Joe Taylor. VokalsolistInnen waren Ingrid Haselberger (Sopran), Margot Oitzinger (Alt), Gernot Heinrich (Tenor) und Yasushi Hirano (Bass). Die musikalische Gesamtleitung hatte Kirchenkantor Mag. Matthias Krampe.

Die Kollekte des Festgottesdienstens war für Projekte der Presbyterian Church of Ghana bestimmt. Dem Festgottesdienst folgte ein buntes Programm in den Hallen des Austria Centers.
   

Bundesministerin Schmied: Kirchen sind wichtige Partner in Gesellschafts- und Bildungspolitik
„Ich danke Ihnen für das unkonventionelle Kreuz- und Querdenken“, sagte Bundesministerin Claudia Schmied im Austria Center Vienna. Schmied spielte damit auf das neue Buch des Bischofs unter dem Titel „Mit weitem Herzen – Glaube kreuz- und quergedacht“ an, das in diesen Tagen in den Verlagen Evangelischer Presseverband und Tyrolia erschienen ist. Dieses Buch sei eine „beispielgebende Visitenkarte für Sie als Person und Ihre Kirche“, so die Kultusministerin. Der evangelischen Kirche und den Kirchen der Ökumene dankte Schmied für das „konstruktive Klima“ der Zusammenarbeit und das Engagement im interreligiösen Dialog. Die Ökumene habe in Österreich eine gesellschaftliche Kraft „wie in keinem anderen Land Europas“ gewonnen. Die Kirchen, so Schmied, erwiesen sich als wichtige Partner in gesellschafts- und bildungspolitischen Fragen. Am Internationalen Tag des Holocaust-Gedenkens erinnerte Schmied an die wichtige Funktion der Kirchen im Eintreten gegen Rassismus, Antisemitismus und „jede Form der Intoleranz“.

Dass Kirchen in der Wertediskussion oder etwa in der Sorge um Schwache „unverzichtbare Partner“ seien, unterstrich Bundesminister Martin Bartenstein. Besonders dankte Bartenstein, selbst evangelisch, für die Reaktionen der Kirchen und Glaubensgemeinschaften auf die Äußerungen im Grazer Wahlkampf. Besonnenheit habe „in diesen kritischen Tagen“ Schlimmeres verhindert.

„Wir wollen eine tolerante und solidarische Gesellschaft für uns alle haben,“ sagte der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Anas Schakfeh, Integration bedeute wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger des Landes wahrgenommen zu werden, „nicht mehr und nicht weniger“.

„Ökumene darf nicht stagnieren“, sagte der römisch-katholische Weihbischof Helmut Krätzl in der von Superintendentin Luise Müller und Superintendent Weiland moderierten Interviewrunde nach dem Gottesdienst. In wichtigen Fragen müsse noch Einheit entstehen, „aber nicht alles, was unterschiedlich ist, muss trennend sein“, so Krätzl, der in Vertretung von Kardinal Christoph Schönborn die Glückwünsche der römisch-katholischen Kirche überbrachte.

Dass jeder Bischof mit den Herausforderungen seiner Zeit konfrontiert werde, daran erinnerte der Präsident der lutherischen Synode, Peter Krömer. In seiner Amtszeit hat Krömer bereits mit den beiden Vorgängern Bünkers im Bischofsamt, Bischof Knall und Bischof Sturm, zusammengearbeitet. Angesichts der großen Fragen wie Klimawandel, Globalisierung und Integration gelte es, dem Bischof „guten Mut“ zu wünschen.

„Egal, wie groß oder klein eine Kirche ist. Keine hat das Monopol, Kirche Jesu Christi zu sein“, bekräftigte die norwegische Pfarrerin und Vizepräsidentin der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), Stephanie Dietrich. Ähnlich auch der sächsische Landesbischof Jochen Bohl, der die Glückwünsche der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD und VELKD) überbrachte: „Die Verheißungen Jesu Christi, die den Kirchen gelten, werden nicht nach Größe gestaffelt“, so Bohl.
 
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