Innsbruck (universität) - Eine neue Methode zur Kontrolle des Bindungszustands von ultrakalten Molekülen
haben Forscher um Prof. Johannes Hecker Denschlag und Prof. Rudolf Grimm vom Institut für Experimentalphysik
der Universität Innsbruck entwickelt. Sie können damit quasi durch die verschiedenen Bindungszustände
der Moleküle navigieren. Darüber berichten die Innsbrucker Quantenphysiker in der Fachzeitschrift Nature
Physics.
Die Untersuchung von Atomen und Molekülen bei extrem tiefen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (-273,15
Grad Celsius) zählt heute zu den spannendsten Gebieten der Physik. Die Innsbrucker Quantenphysiker um Wittgenstein-Preisträger
Rudolf Grimm sind hier weltweit führend. Aus seiner Arbeitsgruppe hat nun ein Team um Johannes Hecker Denschlag
eine neue Methode entwickelt, mit der die Teilchen noch genauer untersucht werden können.
Navigieren durch die Bindungszustände
Die Bindungsenergie eines Moleküls kann zahlreiche diskrete Werte annehmen. Diese quantisierten Bindungszustände
sind für die Experimentalphysiker von großem Interesse. „Ein Fernziel ist es, im Experiment ein ultrakaltes
Molekül in den Grundzustand zu versetzen“, erklärt Johannes Hecker Denschlag. „Was bei Atomen längst
Routine ist, hat mit Molekülen noch niemand geschafft. Denn Moleküle sind wesentlich komplexere Gebilde
und deshalb viel schwerer zu kontrollieren.“ Die neue Methode erlaubt es nun, durch dynamisches Anlegen von Magnetfeldern
und das Einstrahlen von Radiowellen die Teilchen von einem Energieniveau auf das benachbarte zu befördern.
„Das ermöglicht uns ein relativ freies 'Cruisen' durch die unterschiedlichen Niveaus der Bindungsenergie,
die für den Physiker tatsächlich eine Art 'Straßennetz' bilden. In unserem Experiment haben wir
zum Beispiel ein sehr schwach gebundenes Molekül aus zwei Rubidium-Atomen über neun 'Kreuzungen' in einen
stärker gebundenen Zustand überführt“, erzählt Hecker Denschlag, dem diese elegante 'Zähmung'
der Moleküle sichtlich Spaß macht.
Auch für komplexe Moleküle interessant
Bisher konnten Moleküle zwar kontrolliert in bestimmte Quantenzustände gebracht werden. Die neue
Technik erlaubt es nun aber, durch unterschiedliche Energieniveaus zu navigieren und die Moleküle so in immer
neue Bindungszustände zu versetzen. „Das bietet uns im Experiment mit ultrakalten Molekülen ganz neue
Möglichkeiten“, freut sich auch Rudolf Grimm. Es können nun noch genauere Messungen durchgeführt,
die Kollision von Teilchen untersucht und die Moleküle sehr kontrolliert in einen beliebigen Bindungszustand
überführt werden. Dies stößt auch die Tür in Richtung Chemie am absoluten Nullpunkt weit
auf. „Irgendwann einmal wird diese Methode auch auf sehr komplexe Moleküle anwendbar sein. Dies könnte
dann zum Beispiel auch für Fortschritte in der Nano- oder Biotechnologie interessant sein“, gibt Johannes
Hecker Denschlag einen Ausblick in die Zukunft. Die aktuelle Arbeit entstand am Institut für Experimentalphysik
der Universität Innsbruck und wurde vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF unterstützt. |