Internationales Forscherteam um Freiburger Quantenphysiker beschreibt
erstmals den Verbrauch quantenmechanischer "Verschränkung"
Freiburg (idw) - Die Revolution der Informationstechnologien findet bereits statt: Die Quantenmechanik
- jene ebenso merkwürdige wie fundamentale Theorie, die die mikroskopische Welt der kleinsten Teilchen beschreibt
- hält Einzug in die Kommunikation und Verschlüsselung großer Datenmengen, und womöglich bald
auch in ihre Verarbeitung auf geeigneten (Quanten-) Rechnerarchitekturen. Information wird hier in "Quanten-Bits"
- analog den Bits 0 und 1 einer konventionellen Rechenmaschine - kodiert; Photonen, Atome, Ionen oder andere Quantenobjekte
dienen als physikalische Träger dieser elementaren Einheit. Für den letzten Schritt zum Quantencomputer
fehlt bisher aber ein hinreichendes Verständnis der grundlegenden Ressource der Quanteninformationstechnologie,
der "Verschränkung" der die Quanten- Bits darstellenden Teilchen. Diese garantiert eine in der uns
umgebenden, mikroskopischen Welt unerreichbar starke Korrelation der Quantenbits im Laufe der Ausführung eines
Quantenalgorithmus, und erlaubt somit eine Synchronizität, die sich auf herkömmlichen, "klassischen"
Supercomputern nicht erzielen lässt.
Doch Verschränkung ist ein zartes Pflänzchen und höchst fragil: Jeder unkontrollierte Umgebungseinfluss,
und sei es das leise Zittern eines Labortisches, macht sie zunichte, weswegen die heutigen experimentellen Vorläufer
von Quantencomputern sehr sorgsam gegen die Umgebung abgeschirmt werden müssen. Die für die tatsächliche
Realisierung eines Quantencomputers entscheidende Gretchenfrage ist daher jene nach der Zeitskala, auf der sich
Verschränkung unter realistischen Bedingungen konservieren lässt: binnen dieser Zeitspanne muss die gewünschte
algorithmische Aufgabe gelöst sein. Ein internationales Forscherteam um die Freiburger Quantenphysiker Markus
Tiersch, Fernando de Melo und Andreas Buchleitner legt nun in der Zeitschrift Nature Physics (online Publikation
23. Dez. 2007) eine einfache Formel vor, die erstmals die Abschätzung der Lebensdauer dieser grundlegenden
Ressource der Quanteninformationsverarbeitung unter sehr allgemeinen Bedingungen ermöglicht.
"Bisher hatten wir nur Einzelergebnisse für bestimmte Spezialfälle, ohne systematisches Verständnis",
sagt Andreas Buchleitner, "Dies war sicher dem Umstand geschuldet, dass die sehr abstrakte Eigenschaft 'Verschränkung'
sich unserer Intuition noch weitgehend entzieht. Mit unserer Formel bringen wir nun erstmals eine relativ große
und für die Anwendung - etwa in der Kryptographie - relevante Klasse von Szenarien unter einen Hut",
freut sich der Physiker. "Dank ihrer einfachen Struktur hat die Formel fast schon Lehrbuchcharakter."
Doch die Freiburger Quantenmechaniker und ihre Kollegen aus Aachen, Brasilien und Südafrika sind lange noch
nicht zufrieden. Es handle sich hier lediglich um den allerersten Schritt - die Formel gilt nur für aus zwei
Quantenbits konstruierte Quantencomputer.
Das nächste Ziel ist die Verallgemeinerung für wirklich große Register von Quantenbits - in einem
richtigen Quantencomputer müssen tausende solcher Bausteine miteinander verschränkt werden: "Damit
nähern wir uns letztlich dem makroskopischen Grenzfall - ob quantenmechanische Interferenzeffekte sich auf
diesem Komplexitätslevel noch identifizieren und gar nützen lassen, ist eine der spannendsten und anspruchvollsten
Fragen der aktuellen Grundlagenforschung", so Buchleitner. Sei die Antwort hierauf positiv, eröffneten
sich völlig neue Fragestellungen bis hin zur Rolle der Quantenmechanik in belebter Materie. |