Innsbrucker Neurologie erforscht Therapie zur Behandlung der "Friedreich Ataxie"
Innsbruck (universität) - Die "Friedreich Ataxie" ist die häufigste erbliche
Koordinationsstörung (Ataxie) beim Menschen. Auf der Suche nach einer Therapie gegen diese bisher noch nicht
heilbare Krankheit legen Innsbrucker Neurologen in Zusammenarbeit mit Wiener Biochemikern einen international beachteten
Erfolg vor. "Nature" berichtet über die Pilotstudie der Innsbrucker Gruppe in der aktuellen Ausgabe
des Journals "Nature Clinical Practice Neurology" als "Research Highlight".
"Bei Menschen, die an Friedreich Ataxie leiden, ist - genetisch bedingt - das Protein Frataxin verändert.
Ein Funktionsverlust bzw. ein zu geringer Gehalt an Frataxin führt in den Mitochondrien, die für die
Energiebereitstellung in allen Zellen des menschlichen Körpers verantwortlich sind, zu einer Zunahme des ´oxidativen
Stresses` und zu einer Eisenüberladung sowie letztlich zu frühem Zelltod", erklärt Priv. Doz.
Dr. Sylvia Bösch von der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie. Die Arbeitsgruppe rund um
Bösch an der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. Werner
Poewe hat im Zuge einer weltweit ersten klinischen Pilotstudie zwölf Patienten mit Friedreich Ataxie zwischen
26 und 55 Jahren mit "rekombinantem menschlichen Erythropoietin" (rhuEPO) behandelt. Nach den Resultaten
der Pilotstudie konnte durch diese Behandlung der Frataxin-Gehalt erhöht und damit ingesamt die gesundheitliche
Verfassung der betroffenen Patienten verbessert werden.
"Die Patienten erhielten rhuEPO drei Mal wöchentlich subcutan - als unter die Haut verabreicht - über
acht Wochen. Durch diese Behandlung verbesserte sich im Mittel der Frataxin-Gehalt in den weißen Blutkörperchen
von Patienten mit Friedreich Ataxie um 27 Prozent. Darüberhinaus konnten wir nachweisen, dass sich durch diese
Behandlung auch der oxidative Stress deutlich verringert", betont die Neurologin. Unerwartet verbesserte sich
laut Bösch nach nur acht Wochen Behandlung mit rhuEPO die gesamte gesundheitliche Verfassung der Patienten.
Das Innsbrucker Team ist bei der Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen international renommiert. Derzeit
wird im Zuge weiterer Studien geklärt, welcher Wirkungsmechanismus im Detail bei der Behandlung mit rhuEPO
zu einer Erhöhung von Frataxin bei Friedreich Ataxie führt.
Das Hormon Erythropoietin wird in der Niere des Menschen produziert. Neben seiner blutbildenden (erythropoetischen)
Wirkung, die für die Namensgebung ausschlaggebend war, spielt es bei zahlreichen biologischen Vorgängen
eine wichtige Rolle. Erst seit Kurzem wird Erythropoietin wegen seiner breiten neuro- und kardio-protektiven Wirkungen
in der internationalen Medizin intensiv erforscht. Ausschlaggebend für die Innsbrucker Pilotstudie war die
Beobachtung von Wiener Biochemikern, dass sich bei einer Behandlung mit rhuEPO in Zellkulturen der Gehalt an Frataxin
in weißen Blutkörperchen erhöht.
Die Friedreich Ataxie wurde erstmals 1881 vom deutschen Neurologen Nicolas Friedreich beschrieben. Sie ist eine
genetisch bedingte und fortschreitende neurologische (neurodegenerative) Erkrankung. In Europa tritt sie in einer
Häufigkeit (Inzidenz) von rund 1:50.000 auf. Allerdings ist etwa jeder 50. bis 60. gesunde Mensch Anlageträger
(heterozygot) dieser autosomal-rezessiv vererbten Erkrankung. Die Friedreich Ataxie trifft daher unterschiedslos
Frauen und Männer. Sie setzt häufig im Kindes- und Jugendalter mit Gang- und Gleichgewichtsstörungen
ein. "Betroffene" sind leider rasch auf den Rollstuhl angewiesen. Im weiteren Krankheitsverlauf kommt
es oft zu einer Herzmuskelschwäche, einer so genannten Kardiomyopathie und deren Komplikationen sind bisher
leider für einen frühen Tod der Patienten verantwortlich", betont Bösch.
Publikation: Sylvia Boesch, MD Brigitte Sturm, PhD, Sascha Herin, MD, Hans Goldenberg, PhD, Werner Poewe, MD
and Barbara Scheiber-Mojdehkar, PhD, Friedreich´s Ataxia: Clinical Pilot Trial with Recombinant Human Erythropoietin,
Nature Clinical Practice Neurology (2007) 3, 650. |