Nationalrat: Verbaler Schlagabtausch bei Einwendungsdebatte   

erstellt am
30. 01. 08

Heftige Debatte um Regeln für die parlamentarische Arbeit
Wien (pk) - Ehe der Nationalrat nach der Aktuellen Stunde am 30.01. in die Tagesordnung eintrat, wurde eine Einwendungsdebatte geführt, bei der es zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch zwischen dem BZÖ und den übrigen Fraktionen kam. Grund für die Einwendungsdebatte war der Wunsch der Abgeordneten des BZÖ, den Sammelbericht des Petitionsausschusses statt unter Tagesordnungspunkt 21 (worauf sich die Klubdirektoren im Vorfeld der Präsidiale geeinigt hatten) unter Punkt 3 zu behandeln.

Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (B) griff erneut frontal die Nationalratspräsidentin an, indem er ihr vorwarf, die Live-Übertragung des ORF über die Pflegedebatte und Einwendungsdebatte untersagt zu haben. Damit betreibe sie Zensur und handle gegen die Medienfreiheit und die Oppositionsrechte. Das sei eine "Schande für das Parlament", sagte er, und daher nehme er den Ordnungsruf während der Aktuellen Stunde gern auf sich, denn er werde immer für diese Rechte kämpfen. ORF-Live-Übertragungen dürften kein Gnadenakt sein, sagte Westenthaler weiter. Der Grund für die Einwendungsdebatte sei der Wunsch des BZÖ, den Sammelbericht des Petitionsausschusses vorzureihen, weil es unverständlich sei, wichtige Anliegen der Bevölkerung, die mittels direkt demokratischer Instrumente an das Parlament herangetragen werden, am Ende einer Tagesordnung zu beraten. Die Vorgänge in der letzten Präsidiale betrachtete Westenthaler als einen "politischen Erpressungsversuch", von Klubobmann Schüssel initiiert, von Klubobmann Cap unterstützt und von Präsidentin Prammer umgesetzt. Das BZÖ sei für ein, wie er sagte, Husch-Pfusch-Verfahren bei der Ratifizierung nicht zu haben, zumindest müsste das Votum in Irland und die Volksbefragung in Kärnten abgewartet werden. Westenthaler kritisierte auch scharf die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats an dem Tag, an dem der Innenausschuss stattfindet, sowie die Praxis, Oppositionsanträge zu vertagen.

Abgeordneter Dr. CAP (S) hielt dem entgegen, dass es um Spielregeln gehe, die einzuhalten sind. Bisher habe es bei der Organisation der Abläufe im Hohen Haus immer das Konsensprinzip gegeben, und das sollte auch in Zukunft so sein. Die Abgeordneten seien verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Haus arbeitsfähig ist, das BZÖ wolle es aber dem Verfassungsausschuss unmöglich machen, zu arbeiten. Während das BZÖ dauernd in der Öffentlichkeit den Vorwurf erhebe, das Parlament arbeite nicht, versuche es nun, die anderen vier Parteien an der Arbeit zu hindern. Er versicherte Westenthaler, dass der BZÖ-Antrag auf Abhaltung einer Volksbefragung über den EU-Reformvertrag abgestimmt werden wird, zuvor müsste aber der Ausschuss tagen. Was die ORF-Übertragung der Plenarsitzung betrifft, so müssten auch hier Spielregeln gelten, über die es bis jetzt immer Konsens gegeben habe. Live-Übertragungen seien aber kein Mittel der Oppositionspolitik, um Botschaften präsentieren zu können. Die Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates werde so geregelt, dass es keine Kollisionen geben wird. Was die Einwendungsdebatte betrifft, so sei der heutigen Tagesordnung eine Einigung aller fünf Klubdirektoren vorgelegen.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) stimmte zu, dass Spielregeln eingehalten werden müssen. Das gelte aber auch für Gesetze, sagte er und übte scharfe Kritik an Bundeskanzler Gusenbauer, der ursprünglich den Nationalen Sicherheitsrat nicht einberufen wollte, obwohl dazu ein ausreichend unterstützter Antrag vorlag. Er wehrte sich auch gegen den Vorwurf, das BZÖ verhindere das Arbeiten im Parlament, und forderte dazu auf, den Wirtschaftsausschuss zur Frage, wie man die Wirtschaft ankurbeln könne, oder den Budgetausschuss zur Frage der Steuerreform einzuberufen. Scheibner sah aber keine Notwendigkeit, den Ratifizierungsprozess zum EU-Reformvertrag so rasch in Gang zu setzen, da dies einer Missachtung der Instrumente der direkten Demokratie gleichkäme. Es gehe weniger um die Inhalte als vielmehr um ein Signal dafür, dass man die Meinungsäußerung der Bevölkerung in die Entscheidung mit einbezieht, betonte er. Auch Scheibner trat für die Vorreihung der Vorlagen des Petitionsausschusses ein, da es auch hier um Instrumente der direkten Demokratie geht.

Abgeordneter Dr. SCHÜSSEL (V) wies auf die Praxis der Präsidiale hin, Fragen in ruhiger und konsensualer Form zu klären. Der Vorschlag für die Tagesordnung sowie für die Redezeiten seien von den fünf KlubdirektorInnen übereinstimmend festgelegt worden, plötzlich aber habe das BZÖ den Konsens verlassen. Mit der Einwendungsdebatte wäre eine ganze Runde von RednerInnen zur Pflege für die ORF-Diskussion weggefallen. Sein Vorschlag, mit der Sitzung früher zu beginnen, sei ebenfalls vom BZÖ abgelehnt worden. Der bisherige Konsens hinsichtlich der Einberufung von Ausschüssen sei bislang außer Streit gestanden, und auch dieser Plan sei von den fünf Klubdirektoren vorgelegt worden. Es sei daher höchst bedenklich, so Schüssel, dass das BZÖ auch diesen Konsens verlasse und zum ersten Mal versucht werde, den Beginn von Verhandlungen zu blockieren. Er unterstütze daher die Vorgangsweise des Ausschussvorsitzenden Wittmann, den Verfassungsausschuss wie geplant einzuberufen. Man wolle seriös mit den Beratungen beginnen, sagte Schüssel, und wies darauf hin, dass bereits zwei EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert haben und weitere neun Länder mit dem Ratifizierungsprozess begonnen haben. Abschließend appellierte er an Abgeordneten Westenthaler, die Spielregeln des Hauses einzuhalten, wozu auch der Respekt vor der Präsidentin zähle, bemerkte Schüssel.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) trat vehement dafür ein, die Vorlagen des Petitionsausschusses auf Punkt 3 vorzureihen, da es die Bevölkerung ohnehin nicht leicht habe, Anliegen an das Parlament heranzutragen. Daher sollte man diese wichtigen Themen zu einem frühen Zeitpunkt diskutieren. Dass die Regierungsfraktionen dies ablehnen, lasse Rückschlüsse auf ihr Demokratieverständnis zu. In dieses Bild passe auch die Weigerung, vor der Ratifizierung des EU-Vertrags die Volksbefragung in Kärnten abzuwarten. Das BZÖ betreibe keine Blockade, so Darmann, sondern poche darauf, sich Zeit für die Debatte zu nehmen. Die oberste Spielregel laute, das Recht geht vom Volk aus.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) räumte dem BZÖ-Klubobmann das Recht ein, eine Zusage der Klubdirektorin zurückzunehmen. Heikel werde die Sache aber, wenn man damit auch von der konsensualen Redeordnung während der Fernsehübertragung abgeht. Dieser Konsens bei Live-Übertragungen sei wichtig, und diesen dürfe man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Er, Van der Bellen, hätte auch durchaus einer kurzen Einwendungsdebatte zugestimmt. Es gehe jedoch nicht an, dass das BZÖ beim Verfassungsausschuss eine Blockade betreibt und anderen Abgeordneten vorschreiben will, wann man in einem Ausschuss mit der Diskussion beginnen kann. Die bisherige Praxis, Ausschüsse nur im Konsens einzuberufen, damit der Ausschussvorsitzende nicht willkürlich agiert, setze Westenthaler nun aufs Spiel. Die Blockade würde die anderen Fraktionen zwingen, schlussendlich einen Fristsetzungsantrag zu stellen, was dazu führe, dass man im Plenum ohne die vorherige Diskussion im Verfassungsausschuss abstimmt. Der Vorwurf der Husch-Pfusch-Behandlung sei lächerlich, zumal man seit vier Jahren über die Reform der EU diskutiere.

Abgeordneter Ing. HOFER (F) warf Abgeordnetem Westenthaler vor, die politische Unredlichkeit zum Prinzip zu erheben, und erinnerte daran, dass das BZÖ für den ursprünglichen Verfassungsvertrag gestimmt hat. Die FPÖ sei dafür, den Verfassungsausschuss einzuberufen, denn Demokratie funktioniere nur, wenn man über ein Thema diskutieren kann. Die FPÖ wolle keine schnelle Ratifizierung im Parlament, sie wolle aber danach eine Volksabstimmung. Er kritisierte auch, dass Klubobmann Westenthaler von der ursprünglichen Zustimmung zur Tagesordnung wieder abgegangen ist, und bemerkte dazu, es könne nicht sein, dass sich vier Fraktionen in der Geiselhaft einer Fraktion befinden. Abschließend stellte sich auch Abgeordneter Hofer hinter die Präsidentin des Nationalrats. Sie übe eine hohe Staatsfunktion aus, und ihr gebühre Respekt, sagte er. Wenn man dies nicht beachte, schade man dem Parlament selbst.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) meinte, es sei Usus, dass es Vorberatungen durch die Klubdirektoren gibt und dann ein gemeinsamer Weg vorgeschlagen wird, der unter Umständen in der Präsidiale im Konsensweg verändert werden kann. Bedenklich sei, dass eine Fraktion bereit ist, diesen Konsens aufs Spiel zu setzen und die anderen der "Undemokratie" bezichtigt. Man könne den Antrag auf Volksbefragung einbringen, man werde darüber diskutieren und abstimmen, aber die Arbeit des Ausschusses solle nicht behindert werden; die Kärntner Volksbefragung könne man nicht abwarten.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) zeigt kein Verständnis dafür, wenn als medialer Flankenschutz zur heutigen Einwendungsdebatte der BZÖ-Generalsekretär Klubobmann Schüssel als "minimalistische Reinkarnation von Dollfuß" bezeichnet. Westenthaler solle sich für das Verhalten seines Generalsekretärs entschuldigen. Sollte der Klubobmann des BZÖ nicht diesen letzten Rest von Anstand besitzen, dann sollte ein anderes BZÖ-Mitglied diese Entschuldigung übernehmen. Demokratie könne nicht bedeuten, dass die Minderheit bestimmt, was die Mehrheit zu machen habe. Eine Minderheit von 7 Abgeordneten könne nicht die Arbeit des Parlaments blockieren!

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) meinte, es sei ein Armutszeugnis für das Hohe Haus, keinen Konsens zu finden. Um im Parlament arbeitsfähig zu bleiben, brauche man Handschlagqualität. Wenn man sich nicht mehr auf das verlassen könne, was Klubdirektoren vereinbaren, sei es ein Problem. Sie mutmaßte, der Kärntner Wahlkampf werfe seine Schatten voraus. Das Parlament möge man aber mit dem Wahlkampf von Landeshauptmann Haider verschonen, Westenthaler wirke wie "ferngesteuert aus Klagenfurt".

Die Einwendungen, den Sammelbericht als Tagesordnungspunkt 3 zu verhandeln, fanden keine Mehrheit; somit blieb es bei der ausgegebenen Tagesordnung.
 
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