Für den Österreichischen Städtebund trägt der vorliegende Entwurf nichts Nennenswertes
zur Lösung des Problems bei.
Wien (rk) - "Der Entwurf eines Fliegerbombenblindgängergesetzes erscheint in der vorliegenden
Form unbrauchbar und unausgereift. Das zentrale Ziel der Gefahrenabwehr hat der Gesetzgeber offensichtlich aus
den Augen verloren. Der vorliegende Entwurf trägt zur Problemlösung nichts Nennenswertes bei", erklärt
Dr. Thomas Weninger, Generalsekretär der Österreichischen Städtebundes zu dem vorliegenden Gesetzesentwurf.
Für den Salzburger Bürgermeister und Städtebund- Vizepräsidenten Heinz Schaden setzt der Gesetzesentwurf
leider die bisherige Haltung des Bundes in der Angelegenheit fort: "Zuerst ließ der Bund einen fix und
fertig verhandelten Vergleich in letzter Sekunde platzen und wollte die Sache vor Gericht abhandeln. Dann hat man
nach langem Prozess in erster Instanz verloren - und weil das Urteil wirklich profund begründet ist, greift
man jetzt zur Gesetzeskeule. Das ist rechtsstaatlich fragwürdig, widerspricht jeder Fairness im Umgang zwischen
Gebietskörperschaften, ist sachlich unannehmbar und vor allem für betroffene GrundstückseigentümerInnen
eine Zumutung. Dass das Gesetz obendrein auch noch schludrig gemacht ist, wie eine erste Expertise des Städtebunds
zeigt, passt ins Bild."
Mit dem vorliegenden Gesetzesantrag soll Punkt 9 (Innere Sicherheit, Integration) des aktuellen Regierungsübereinkommens
umgesetzt werden, der wie folgt lautet: "Ungelöst und immer wieder aktuell ist das Problem der Blindgänger
aus dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere im urbanen Bereich. Das Freilegen schafft für die Grundeigentümer
unzumutbare Problemstellungen. Notwendig ist eine Änderung der diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen."
Regelung langjährige Forderung der Kommunen
Die Regelung dieses ungelösten Problemfalles, der für die betroffenen Kommunen immer wieder unvorhergesehen
hohe Kostenfragen aufwirft, ist schon seit langem eine Forderung der kommunalen Interessensvertretungen. Einer
Reglung in dieser Form kann jedoch auf keinen Fall die Zustimmung erteilt werden. "Der vorliegende Gesetzesentwurf
hat mit dem Versuch, die Gefahrenquellen nach Möglichkeit systematisch zu beseitigen, nahezu nichts zu tun.
Der Gesetzgeber will die Suchtätigkeit weder fördern noch sonst wie unterstützen", so Weninger.
Der Entwurf sieht vor, dass bestimmte Personen "Unterstützungsmittel" in Anspruch nehmen können.
Die Kriterien sind "wirtschaftliche Existenzbedrohung" und "dringendes Wohnbedürfnis naher
Angehöriger".
Rechtssprechung stellt klar: Verpflichtung liegt beim Bund
Nicht nur der Österreichische Städtebund, auch die Rechtsprechung vertritt die Auffassung, dass
der zuständige Rechtsträger (Bund) verpflichtet ist, das dargestellte Gefahrenpotential zu beseitigen.
Repräsentativ für den Standpunkt der Rechtsprechung ist das bekannte erstinstanzliche Urteil des Landesgerichtes
Salzburg in der Angelegenheit "Fliegerbombenblindgänger".
Aufteilung der Kosten nicht nachvollziehbar
Laut Gesetzesentwurf schwebt dem Gesetzgeber eine "Drittelaufteilung" der Kosten - Bund/Länder/Kommunen
- vor. Aus dem Gesetzestext ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, warum diese "Drittel-Regelung"
zu Lasten der Kommunen zum Einsatz kommen soll. "Keine Stadt hat vor oder während des Zweiten Weltkrieges
eine Kriegserklärung gegen eine andere Stadt oder Nation ausgesprochen", stellt Weninger klar. Kompetenzrechtlich
ist die Kostenteilung ebenfalls nicht zu begründen. Weninger: "Das zeigt, dass das Konzept des Gesetzgebers
nicht nur sachlich verfehlt, sondern offensichtlich auch völlig unausgereift ist. Ein verantwortungsvoller
Gesetzgeber muss klären, inwieweit andere Gebietskörperschaften bereit sind, Regelungen zu treffen bzw.
an Lösungen mitzuwirken. Es geht jedoch nicht an, dass eine gesetzliche Regelung geschaffen wird und dann
das Prinzip Hoffnung an die Stelle sachlicher Politik tritt."
Verfassungsrechtlich (kompetenzrechtlich) wirft der Ansatz vielfältige Fragen auf. Nach der geltenden rechtlichen
Ausgangslage hat der zuständige Gesetzgeber die erforderlichen Aufwendungen zu tragen. Er kann nicht erwarten,
dass andere, nicht zuständige Rechtsträger, Teile der Aufwendungen freiwillig übernehmen.
Auch die Rückwirkung dieser Gesetzesvorlage bis zum 1. Jänner 2000 ist problematisch. So ist bereits
ein gerichtliches Verfahren (bereits in erster Instanz entschieden) zur Klärung der im Gesetz angesprochenen
Fragen anhängig. Es hat den Anschein, dass der Bund sich mit dieser Regelung seiner Verantwortung und damit
drohenden Zahlungsverpflichtung entledigen will. "Es kann doch nicht angehen, dass ein drohendes Urteil durch
ein rückwirkendes Bundesgesetz in seiner Wirkung "ausgehebelt" wird. Dies widerspricht auf jedem
Fall dem Prinzip der Gewaltentrennung von Gesetzgebung und Rechtsprechung", so Weninger abschließend.
Der Österreichische Städtebund ist die kommunale Interessenvertretung von 250 Städten und größeren
Gemeinden. |