Aktuelle KfV-Befragung zeigt: Es sind immer „die anderen“, die zu knapp auffahren. Der notwendige
Abstand zum Vordermann wird von den meisten falsch geschätzt
Wien (kfv) - Nichts regt die Österreicher im Straßenverkehr mehr auf als zu knappes Auffahren.
Das zeigen aktuelle quantitative und qualitative Befragungen des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV),
die im Dezember durchgeführt wurden. 91 Prozent der Befragten fühlten sich von der Dränglerei am
meisten genervt, zwei Drittel der Befragten stuften das Drängeln zusätzlich als sehr gefährlich
ein. Dementsprechend emotional fielen die spontanen Beschreibungen dieser Verhaltensweise aus. „Das ist letztklassig“,
„das machen nur Dumme“, „meistens sind es unreife Idioten und Egoschweine“ waren die wenig schmeichelhaften Charakterisierungen
jener Autofahrer, von denen man sich genötigt und bedroht fühlt. Was das Drängeln aus Sicht der
Befragten so gefährlich macht, ist vor allem der zu geringe Bremsweg und die Stresssituation, in die der Vordermann
durch aggressives Auffahren gebracht wird. Es zeigte sich aber auch, dass die Schuld grundsätzlich auf die
anderen geschoben wird und bei der subjektiven Einschätzung des sicheren Abstands lagen die Befragten nicht
unbedingt auf der sicheren Seite.
Und wieder sind es „die anderen“
Wenn es um Selbstkritik geht, sind die österreichischen Autofahrer gnädig. 44 Prozent der Befragten
beobachten die Drängelei bei anderen sehr oft, weitere 30 Prozent beobachten es „eher häufig“. Genau
spiegelverkehrt war das Ergebnis, wenn sich die Befragten selbst einschätzen mussten: 43 Prozent ertappen
sich (fast) nie beim Drängeln, weitere 35 Prozent waren der Meinung, dass sie eher selten zu geringen Abstand
halten. Nur jeder 17. Autofahrer gab zu, eher häufig oder sehr oft zu drängeln. „Psychologen erklären
dieses Phänomen damit, dass eine potenziell gefährlich eingeschätzte und negativ bewertete Verhaltensweise
wie das Drängeln etwas ist, das andere aufgrund ihrer Persönlichkeitseigenschaften tun“, erklärt
Dr. Othmar Thann, Direktor des KfV. „Sollte man selbst einmal den Abstand zu gering halten, schiebt man das auf
äußere Faktoren wie Zeitdruck oder die eigene Bedrängnis durch den Hintermann.“ Durch diese Ursachenzuschreibung
wird der eigene geringe Abstand nicht als klassisches Drängeln bezeichnet, sondern als der Situation angepasstes
Verhalten. Wird das gleiche Verhalten bei anderen beobachtet, wird es sehr wohl als Drängeln klassifiziert
und es werden Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Fahrers gezogen.
Wer drängelt warum?
Aus Sicht der Befragten handelt es sich bei den typischen Dränglern hauptsächlich um Männer
bis etwa 50 Jahre, viele von ihnen wahrscheinlich Geschäftsleute, Vertreter und Außendienst-Mitarbeiter
unter Zeitdruck. Wahrscheinlich werden diese Rückschlüsse aufgrund der „protzigen, großen, starken“
Autos gezogen, die in solchen bedrängten Situationen besonders auffallen. Charakterlich wurden Drängler
als „überhebliche Menschen, Angeber, Egomanen und Machos“ umschrieben. Als Motive fürs Drängeln
nannten die Befragten Stress, Zeitdruck, Imponiergehabe und Egotrips sowie die Tatsache, dass schnelle Autos und
die moderne Technik eine Sicherheit vermitteln, die eigentlich nicht vorhanden ist. Auch „Schleicher“ provozieren
zum Auffahren.
Soll-Abstand wird unterschätzt
Mehr als drei Viertel gaben an, selbst zumindest ab und zu ihren Abstand zum Vordermann zu überprüfen.
Die Hälfte macht das nach Gefühl und Augenmaß, wobei der notwendige Abstand aber grob unterschätzt
wird. Der empfohlene Mindestabstand beträgt zwei Sekunden – bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h wären
das 72 Meter. Von den Befragten wurde der Soll-Abstand bei 130 km/h weit geringer eingeschätzt, nämlich
auf etwa 0,75 Sekunden, was 27 Metern entspricht. Der subjektiv geschätzte IST-Abstand beträgt rund 13
Meter oder 0,36 Sekunden. „Der subjektiv geschätzte Ist-Abstand liegt damit bereits in einem Bereich, für
den eine Vormerkung fällig wird“, sagt Thann. Der subjektiv empfundene Grenzwert fürs Drängeln liegt
bei neun Metern (0,25 Sekunden). So gut wie alle Befragten kannten übrigens die Abstands-Messpunkte auf der
Autobahn und zwei Drittel wussten auch, wie sie richtig anzuwenden sind. Dennoch verwendet nur etwa ein Drittel
dieses Sicherheits-Hilfsmittel.
Vormerkdelikt: Unzureichender Sicherheitsabstand von 0,2-0,39 Sekunden
In der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist die Pflicht zum Einhalten eines Sicherheitsabstands verankert: Der
Lenker muss stets so viel Abstand zu seinem Vordermann halten, dass er jederzeit anhalten kann, auch wenn das Kfz
plötzlich abbremst.
Wurde mit technischen Messgeräten ein unzureichender Sicherheitsabstand von 0,2 bis 0,39 Sekunden festgestellt,
gibt es eine Vormerkung im Führerscheinregister – eine Tatsache, die unter den meisten Befragten praktisch
unbekannt war. Zusätzlich müssen diese Drängler mit einer Strafe von bis zu 2.180 Euro rechnen.
Ein Sicherheitsabstand von weniger als 0,2 Sekunden ist ein „Entzugsdelikt“, der Führerschein wird für
mindestens drei Monate entzogen.
Die Befragten wünschten sich mehr Kontrollen, drastischere Strafen und mehr Aufklärungsarbeit. Denn,
so die Befragten: „Man lernt nur, wenn’s ans Geld geht und eingehalten wird nur, was auch kontrolliert und sanktioniert
wird.“ |