Drängeln ist der Aufreger Nummer eins unter Österreichs Autofahrern   

erstellt am
29. 01. 08

Aktuelle KfV-Befragung zeigt: Es sind immer „die anderen“, die zu knapp auffahren. Der notwendige Abstand zum Vordermann wird von den meisten falsch geschätzt
Wien (kfv) - Nichts regt die Österreicher im Straßenverkehr mehr auf als zu knappes Auffahren. Das zeigen aktuelle quantitative und qualitative Befragungen des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV), die im Dezember durchgeführt wurden. 91 Prozent der Befragten fühlten sich von der Dränglerei am meisten genervt, zwei Drittel der Befragten stuften das Drängeln zusätzlich als sehr gefährlich ein. Dementsprechend emotional fielen die spontanen Beschreibungen dieser Verhaltensweise aus. „Das ist letztklassig“, „das machen nur Dumme“, „meistens sind es unreife Idioten und Egoschweine“ waren die wenig schmeichelhaften Charakterisierungen jener Autofahrer, von denen man sich genötigt und bedroht fühlt. Was das Drängeln aus Sicht der Befragten so gefährlich macht, ist vor allem der zu geringe Bremsweg und die Stresssituation, in die der Vordermann durch aggressives Auffahren gebracht wird. Es zeigte sich aber auch, dass die Schuld grundsätzlich auf die anderen geschoben wird und bei der subjektiven Einschätzung des sicheren Abstands lagen die Befragten nicht unbedingt auf der sicheren Seite.

Und wieder sind es „die anderen“
Wenn es um Selbstkritik geht, sind die österreichischen Autofahrer gnädig. 44 Prozent der Befragten beobachten die Drängelei bei anderen sehr oft, weitere 30 Prozent beobachten es „eher häufig“. Genau spiegelverkehrt war das Ergebnis, wenn sich die Befragten selbst einschätzen mussten: 43 Prozent ertappen sich (fast) nie beim Drängeln, weitere 35 Prozent waren der Meinung, dass sie eher selten zu geringen Abstand halten. Nur jeder 17. Autofahrer gab zu, eher häufig oder sehr oft zu drängeln. „Psychologen erklären dieses Phänomen damit, dass eine potenziell gefährlich eingeschätzte und negativ bewertete Verhaltensweise wie das Drängeln etwas ist, das andere aufgrund ihrer Persönlichkeitseigenschaften tun“, erklärt Dr. Othmar Thann, Direktor des KfV. „Sollte man selbst einmal den Abstand zu gering halten, schiebt man das auf äußere Faktoren wie Zeitdruck oder die eigene Bedrängnis durch den Hintermann.“ Durch diese Ursachenzuschreibung wird der eigene geringe Abstand nicht als klassisches Drängeln bezeichnet, sondern als der Situation angepasstes Verhalten. Wird das gleiche Verhalten bei anderen beobachtet, wird es sehr wohl als Drängeln klassifiziert und es werden Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Fahrers gezogen.

Wer drängelt warum?
Aus Sicht der Befragten handelt es sich bei den typischen Dränglern hauptsächlich um Männer bis etwa 50 Jahre, viele von ihnen wahrscheinlich Geschäftsleute, Vertreter und Außendienst-Mitarbeiter unter Zeitdruck. Wahrscheinlich werden diese Rückschlüsse aufgrund der „protzigen, großen, starken“ Autos gezogen, die in solchen bedrängten Situationen besonders auffallen. Charakterlich wurden Drängler als „überhebliche Menschen, Angeber, Egomanen und Machos“ umschrieben. Als Motive fürs Drängeln nannten die Befragten Stress, Zeitdruck, Imponiergehabe und Egotrips sowie die Tatsache, dass schnelle Autos und die moderne Technik eine Sicherheit vermitteln, die eigentlich nicht vorhanden ist. Auch „Schleicher“ provozieren zum Auffahren.

Soll-Abstand wird unterschätzt
Mehr als drei Viertel gaben an, selbst zumindest ab und zu ihren Abstand zum Vordermann zu überprüfen. Die Hälfte macht das nach Gefühl und Augenmaß, wobei der notwendige Abstand aber grob unterschätzt wird. Der empfohlene Mindestabstand beträgt zwei Sekunden – bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h wären das 72 Meter. Von den Befragten wurde der Soll-Abstand bei 130 km/h weit geringer eingeschätzt, nämlich auf etwa 0,75 Sekunden, was 27 Metern entspricht. Der subjektiv geschätzte IST-Abstand beträgt rund 13 Meter oder 0,36 Sekunden. „Der subjektiv geschätzte Ist-Abstand liegt damit bereits in einem Bereich, für den eine Vormerkung fällig wird“, sagt Thann. Der subjektiv empfundene Grenzwert fürs Drängeln liegt bei neun Metern (0,25 Sekunden). So gut wie alle Befragten kannten übrigens die Abstands-Messpunkte auf der Autobahn und zwei Drittel wussten auch, wie sie richtig anzuwenden sind. Dennoch verwendet nur etwa ein Drittel dieses Sicherheits-Hilfsmittel.

Vormerkdelikt: Unzureichender Sicherheitsabstand von 0,2-0,39 Sekunden
In der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist die Pflicht zum Einhalten eines Sicherheitsabstands verankert: Der Lenker muss stets so viel Abstand zu seinem Vordermann halten, dass er jederzeit anhalten kann, auch wenn das Kfz plötzlich abbremst.

Wurde mit technischen Messgeräten ein unzureichender Sicherheitsabstand von 0,2 bis 0,39 Sekunden festgestellt, gibt es eine Vormerkung im Führerscheinregister – eine Tatsache, die unter den meisten Befragten praktisch unbekannt war. Zusätzlich müssen diese Drängler mit einer Strafe von bis zu 2.180 Euro rechnen. Ein Sicherheitsabstand von weniger als 0,2 Sekunden ist ein „Entzugsdelikt“, der Führerschein wird für mindestens drei Monate entzogen.

Die Befragten wünschten sich mehr Kontrollen, drastischere Strafen und mehr Aufklärungsarbeit. Denn, so die Befragten: „Man lernt nur, wenn’s ans Geld geht und eingehalten wird nur, was auch kontrolliert und sanktioniert wird.“
 
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