Wien (öj) - Am Montag, dem 04.02. gab es einen Personalwechsel im Bereich des Innenministeriums. Einer,
der davon besonders betroffen zu sein scheint, ist Herwig Haidinger, bis dahin Chef des Bundeskriminalamtes (BKA).
Das ist ja nun nichts Besonderes, sollte man glauben. Nur: Haidinger sorgte mit detailreichen Aussagen vor dem
Parlamentarischen Innenausschuß für heftige Debatten, der sicherlich auch weitreichende Folgen für
das Land haben werden.
Grob umrissen sind folgende Themenbereiche betroffen:
Bawag-Akten: Am Landesgericht Wien wird seit Monaten über die "verschwundenen" mittlerweile 2,5
Milliarden Euro unter der Federführung der damaligen BAWAG-Spitze verhandelt. Haidinger soll, wie er sagt,
von der Ressortleitung angewiesen worden sein, über Geldflüsse von der Bawag oder vom ÖGB an die
SPÖ, welche aufgrund der Ermittlungshandlungen durch das Bundeskriminalamt hervorkämen, sofort zu berichten
und Unterlagen dazu zu übermitteln - und zwar zurerst und unmittelbar an den ÖVP-Klub im Parlament. Auch
sei er zur "Beschleunigung der Untersuchungen gegen die SPÖ" aufgefordert worden. Er sei diesen
Ansinnen aber nicht nachgekommen.
Ermittlungspannen im Entführungsfall Kampusch: Vor rund zehn Jahren wurde die Schülerin Natascha Kampusch
entführt - sie konnte sich im August 2006 aus eigener Kraft befreien. Ihr Entführer entzog sich der Justiz
kurz darauf durch Selbstmord. Haidinger ließ nun damit aufhorchen, als es sechs Wochen nach dem Verschwinden
des Mädchens anonyme, aber konkrete Hinweise auf den Entführer gegeben habe. Diesen sei zwar nachgegangen
worden, ein behauptetes Alibi habe aber zur Einstellung der Ermittlungen gegen den Verdächtigen geführt.
Nur: dieses Alibi, wie sich nun herausstellte, habe es nie gegeben, der Verdächtige habe keinerlei Zeugen
für die fragliche Zeitspanne gehabt. Haidinger habe eine neuerliche Prüfung des Falles angeregt, als
Natascha Kampusch freigekommen sei. Dies sei ihm aber vom damaligen Cobra-Chef und Kabinettsmitglied im Innenministerium
untersagt worden.
Schließlich wird dem Büro für Interne Angelegenheiten des Innenministeriums in einem Artikel des
Magazins "profil" vorgeworfen, zwei von dessen Beamten hätten im August 2006 hinter der
Schwiegermutter von Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky "hergespitzelt" mit dem Ziel, Informationen über
eventuelle Verfehlungen im Pflegebereich aufzutreiben (Anm.: dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel
hatte man vorgeworfen, seine Familie hätte Schwarzarbeiter für die Pflege beschäftigt. Entsprechende
Gerichtsurteile belegten aber die Unrichtigkeit dieser Vorwürfe).
Innenminister Günther Platter hat nun eine "Evaluierungskommission" eingesetzt, Mitglieder sind
der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Ludwig Adamovich, der ehemalige Präsident des Obersten
Gerichtshofes, Johann Rzeszut, Susanne Reindl-Krauskopf vom Institut für Strafrecht, der Leiter der Rechtssektion
im Innenministerium, Mathias Vogl, der international anerkannte Kriminalpsychologe Thomas Müller und der Polizeijurist
Rudolf Keplinger. Die dem Innenministerium angehörenden Kommissionsmitglieder würden "für ihre
Tätigkeit unabhängig und weisungsfrei" gestellt werden, versprach Innenminister Günther Platter.
Die innenpolitischen Auswirkungen sind nicht abzusehen, die "Causa Innenministerium" ist noch "zu
jung". Feststeht jedenfalls, daß die Oppositionsparteien Grüne, FPÖ und BZÖ den
Rücktritt von des Innenministers und einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuß gefordert haben.
Anfangs war die SPÖ als Koalitionspartner der ÖVP noch recht zurückhaltend, wohlwissend, welche
Auswirkungen ein derartiger Ausschuß auf die Zusammenarbeit mit der so massiv beschuldigten ÖVP haben
könnte. Doch in der ORF-Sendung "Im Zentrum" am Abend des 10.02. klang es eher so, als würde
SP-Klubobmann Josef Cap dem Drängen der Opposition nachgeben und einem Untersuchungsausschuß zustimmen.
Welche Folgen das auf die Koalition hat, ob es - wie manche meinen - zum Bruch des Abkommens und zur Neuwahl im
Herbst kommen wird, ist heute nicht abzusehen. Viel wird davon abhängen, wie sehr die ÖVP zur Aufklärung
der "Causa Innenministerium" beitragen wird. (mm) |