Wien (universität/idw) - Ein Team um die Mikrobiologen Roland Hatzenpichler,
Holger Daims und Michael Wagner von der Universität Wien konnte erstmals die Existenz eines Ammoniak oxidierenden
Mikroorganismus in einer heißen Quelle beweisen und zeigen, dass es sich dabei um ein bisher unbekanntes
so genanntes Archaeon handelt. Diese Entdeckung hat wesentliche Konsequenzen für das Verständnis der
Ökologie und Evolutionsgeschichte Ammoniak oxidierender Mikroorganismen. Die Ergebnisse wurden am 5. Februar
2008 im US-Wissenschaftsmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) publiziert.
Nur Mikroorganismen können aus der Umwandlung von Ammoniak zu Nitrit, der so genannten Ammoniakoxidation,
Energie gewinnen. Diese Reaktion ist für einen funktionierenden Stickstoffkreislauf auf der Erde von elementarer
Bedeutung. In Kläranlagen macht sich der Mensch Ammoniak oxidierende Mikroorganismen zunutze, um den über
Harnstoff ins Abwasser gelangenden Ammoniak, der toxisch für viele Wasserlebewesen ist, zu entgiften. In der
Landwirtschaft versucht man hingegen, die Aktivität dieser Mikroorganismen zu unterdrücken, da diese
die Effizienz der Düngung verringert und zur Verunreinigung des Grundwassers mit Stickstoffverbindungen wie
Nitrit und Nitrat führt.
"Der Prozess der Ammoniakoxidation und die dafür verantwortlichen Bakterien sind seit vielen Jahrzehnten
bekannt und sehr gut erforscht", erklärt Michael Wagner, der Leiter des Departments für Mikrobielle
Ökologie: "Vor wenigen Jahren kam es allerdings zu einem überraschenden wissenschaftlichen Durchbruch:
Verschiedene ForscherInnengruppen - darunter auch jene von Christa Schleper, Leiterin des Departments für
Ökogenetik an der Universität Wien, - fand heraus, dass es neben Bakterien auch Archaeen gibt, die Ammoniak
oxidieren und dass diese Archaeen in vielen Meerwasser- und Bodenproben häufiger vorkommen als die Ammoniak
oxidierenden Bakterien."
Heiße Bedingungen Diese wissenschaftliche Erkenntnis hat für die Mikrobiologie viele neue Fragen aufgeworfen:
Wie unterscheiden sich die Stoffwechselleistungen Ammoniak oxidierender Bakterien und Archaeen? Unter welchen Umweltbedingungen
setzt sich welche der beiden Mikroorganismengruppen durch? Wann ist die Fähigkeit, durch die Oxidation von
Ammoniak Energie zu gewinnen, erstmals in der Evolutionsgeschichte entstanden? Mag. Roland Hatzenpichler, DOC-
Stipendiat der Akademie der Wissenschaften am Department für Mikrobielle Ökologie, hat gemeinsam mit
Michael Wagner und Holger Daims nun erstmals die Ammoniakoxidation in einer heißen Quelle in Russland untersucht.
Ökologische Nische Die Mikrobiologen der Universität Wien identifizierten in einer Anreicherungskultur
aus dieser Quelle, die von Kooperationspartnern aus Hamburg (Eva Spieck) und Moskau (Elena Lebedeva) etabliert
wurde, mit Hilfe moderner molekularbiologischer Methoden ein neues Archaeon - Nitrososphaera gargensis - und zeigten,
dass dieses tatsächlich in der Lage ist, Ammoniak zu oxidieren. Zudem wiesen die Forscher nach, dass dieser
Organismus niedrige Ammoniakkonzentrationen bevorzugt.
Damit wurde nicht nur eine große Wissenslücke über den Stickstoffkreislauf in heißen Quellen
geschlossen, sondern das Forscherteam erhielt auch wertvolle Hinweise, dass wärmeliebende Archaeen bereits
sehr früh in der Evolutionsgeschichte die Fähigkeit zur Ammoniak-Oxidation entwickelten. Aus der ökophysiologischen
Charakterisierung von N. gargensis lässt sich zudem die Hypothese ableiten, dass Ammoniak oxidierende Archaeen
möglicherweise generell an niedrige Ammoniakkonzentrationen angepasst sind und somit eine andere ökologische
Nische besetzen als die an höhere Ammoniakkonzentrationen adaptierten Ammoniak oxidierenden Bakterien. |