Regionale Versorgungsnetze verbessern CO2-Bilanz weiter
Wien (bmlfuw/aiz) - Der Nachmittag der Eröffnung der Wintertagung 2008 stand ganz im Zeichen
von Biokraftstoffen, nachwachsenden Rohstoffen und dem Klimawandel. Einig zeigten sich alle Vortragenden, dass
Biokraftstoffe zur Verminderung der Treibhausgas-Emissionen beitragen können. Wie sehr, hängt von verschiedenen
Faktoren ab.
Altwälder-Schutz und Nebenprodukt-Nutzung
Beispielsweise sei der globale Schutz der natürlichen Altwälder eine der wichtigsten Bedingungen, um
eine wirklich positive Umweltbilanz zu erreichen, wie Uwe A. Schneider von der Forschungsstelle Nachhaltige Umweltentwicklung
der Universität Hamburg betonte. Bei der Bewertung von Biokraftstoffen ist es laut den Forschern auch wichtig,
Importe ersetzende Nebenprodukte, wie Eiweiß-Futtermittel bei der Bioethanol-Erzeugung, in die CO2 -Bilanzen
miteinzubeziehen. Im Falle der Bioethanol-Herstellung aus Getreide komme man so zu einer Nettoemissions-Verminderung
zwischen 50 und 60%, wie Jürgen Zeddies vom Institut für Landwirtschaftliche Betriebslehre der Universität
Hohenheim, Stuttgart, betonte. Deshalb sollte nicht darauf verzichtet werden, solange die Biomasse-Ressourcen nicht
ausschließlich im Wärmebereich untergebracht werden könnten und Biokraftstoffe der zweiten Generation
nicht zur Verfügung stünden. Laut wurde der Ruf auch nach regionalen Versorgungsnetzen, die lange Transporte
von Energieträgern aus oftmals krisengeschüttelten Regionen ersetzen, die heimische Versorgungssicherheit
erhöhen und Wertschöpfung im eigenen Land ermöglichen.
Wertschöpfung und Versorgungssicherheit in Österreich erhöhen
"Im Vergleich zu 2004 opfert heute jeder Österreicher zusätzlich 1000 Euro seiner Kaufkraft für
teuer gewordene Importenergie. Geld, das wir in Österreich haben, landet in Kasachstan oder in Saudi-Arabien,
Iran, Nigeria oder Russland. Im Zuge der Energie-Globalisierung kaufen die großen Öl-Multis mit diesem
Geld alles zusammen, was sie in die Hände kriegen. Die Abhängigkeit steigt dadurch täglich, weil
wir direkt oder indirekt die Gasleitungen und Kraftwerke aus der Hand geben und nicht mehr frei über die billigste
Versorgungsquelle entscheiden können. Besser ist Energie aus Österreich", betonte der Präsident
der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Hermann Schultes. Infolge Erdgas-Verlusten durch geringfügig
undichte Leitungen beim Importerdgas für Österreich gelange zudem 1,5-mal so viel Methan in die Luft,
wie durch alle österreichischen Kühe zusammen, so Schultes.
Nur wer handelt, wird auf Dauer ernst genommen
Der LK-Präsident erachtet es im Hinblick auf diese Fakten als grotesk, dass die heimische Landwirtschaft zum
Sündenbock abgestempelt wird, nur weil in Indonesien oder Brasilien skrupellose Rodungen zugelassen werden.
In der Realität habe der heimische Agrarsektor die Treibhausgase seit 1990 um 14% reduziert, so Schultes.
Auch Kurt Weinberger, Generaldirektor der Österreichischen Hagelversicherung, hob die positive Rolle des heimischen
Agrarsektors im Klimaschutz-Bereich hervor. "Die Landwirtschaft ist kein Klimakiller, sondern ein Klimaschützer.
Sie ist der einzige Sektor, der mehr CO2 bindet, als er erzeugt", so Weinberger, der sich in derartigen Diskussionen
"mehr Selbstbewusstsein" der Bauern wünscht. Allerdings gebe es noch immer Einsparungspotenzial.
"Nur wer handelt, wird auch auf Dauer ernst genommen", so der Generaldirektor der Hagelversicherung.
Wie Schultes betonte, habe der heimische Agrarsektor mit umweltfreundlicher Produktionsweise, Leistungssteigerung
in der Rinderwirtschaft und Energie-Alternativen bereits die richtigen Wege eingeschlagen.
Oftmals andere Situation in armen Regionen der Welt
"Aus der Perspektive der globalen Gerechtigkeit ist nichts gegen die Produktion von biogenen Treibstoffen
einzuwenden, wenn sie beispielsweise von den Bäuerinnen und Bauern im Norden und Süden regional produziert
und verwendet werden", betonte Heinz Hödl, Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Österreichischen
Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO). Auch eine begrenzte Produktion von biogenen
Treibstoffen in den Industrieländern sei zu begrüßen, soweit Flächen verwendet werden, auf
denen bisher Überschüsse produziert worden seien, deren subventionierter Export in Länder des Südens
lokale Märkte zerstört habe. In armen Ländern hingegen sei durch die Inanspruchnahme von Flächen
für die industrielle Treibstoff-Produktion oftmals eine Verstärkung bestehender negativer sozialer Entwicklungen
zu befürchten, wenn lebenswichtige Nahrungsmittel nicht mehr angebaut werden können. "Nichts spricht
jedoch gegen die Produktion von Biotreibstoffen, wenn die Rahmenbedingungen passen", so Hödl, der zudem
fordert, dass die Regeln der Welthandelsorganisation auf sozial- und umweltverträgliches Wirtschaften ausgerichtet
werden.
Hohe Umwelteffizienz durch Nutzungs-Kaskaden
Große Hoffnung setzen die Experten in Biokraftstoffe der zweiten Generation, bei denen auch Neben- und Abfallprodukte
der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft eingesetzt werden können. "Ohne die erste Generation
wird es jedoch keine zweite Generation an Biokraftstoffen geben, weil niemand ohne Markt in die Entwicklung investiert
und weil die Einbindung in die Energieverteilungsketten sowie Leistungs- und Transportsysteme erst gar nicht erfolgt",
gab jedoch Johann Marihart, Vorstandsvorsitzender der Agrana Beteilungs-AG, zu bedenken. Die Ethanol-Technologie
sei zudem auch Teil der zweiten Generation mit der sogenannten Ganzpflanzenhydrolyse. Michael Obersteiner vom International
Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), Laxenburg, rät im Hinblick auf die zweite Generation zu einer
weiteren Technologie-Entwicklung, um wettbewerbsfähige Preise zu erzielen. Zudem empfiehlt er Systeme, wie
beispielsweise Bioraffinerien, die stufenartig verschiedene Nutzungsformen von nachwachsenden Rohstoffen vorsehen
und dadurch eine höhere Umwelteffizienz, geringere Kosten, vermindertes Investitionsrisiko und kleinere Produktionseinheiten
ermöglichen.
Stoffliche Nutzung erhöht wirtschaftliche Stabilität der NaWaRo-Anbieter
In diese Richtung gehen auch die Anregungen von Michael Narodoslawsky vom Institut für Ressourcenschonende
und Nachhaltige Systeme der Technischen Universität Graz. Die stoffliche Nutzung sei zwar immer nur die "kleinere
Schwester" der Energiegewinnung, allerdings erziele sie zumeist eine höhere Wertschöpfung. Das erkläre
auch das verstärkte Interesse, nicht nur im Energiebereich einen grundlegenden Rohstoff-Wandel herbeizuführen,
sondern auch im Industriebereich mit Naturnähe zu punkten. Der Einsatz erneuerbarer Ressourcen im stofflichen
Bereich sei - insbesondere bei aufwendig verarbeiteten Produkten - oft mit einem geringeren Umwelt-Entlastungseffekt
verbunden als im Energiesektor, allerdings sei der Umstieg auch aus der Sicht der wirtschaftlichen Stabilität
der Anbieter nachwachsender Rohstoffe (NaWaRo) durchaus wünschenswert. Dies mache wiederum ein Überdenken
der althergebrachten Industriestrukturen notwendig. So sollen beispielsweise die ersten Verarbeitungsschritte dezentralisiert
in Rohstoff-Erzeugungsnähe geschehen, wie Narodoslawsky betonte. Um einen wirklich positiven Umweltnutzen
zu erzielen, müsse es zudem auch eine ökologische Energiebereitstellung für die Verarbeitung geben. |