Rostocker Pharmakologen entdecken neuen Wirkmechanismus
Rostock (idw) - Pharmakologen vom Universitätsklinikum Rostock ist es gelungen, einen neuen
Mechanismus der Antikrebswirkung von Cannabinoiden nachzuweisen. Diese Substanzen, die auch in der Cannabis-Pflanze
zu finden sind, blockieren über die Bildung eines Hemmstoffs bestimmte Enzyme, mit deren Hilfe sich Krebszellen
ungehindert im Körper ausbreiten.
Noch vor rund zwanzig Jahren wurden die als Cannabinoide bezeichneten Inhaltsstoffe der Hanfpflanze aufgrund ihrer
Rauschwirkung vor allem mit Missbrauch in Verbindung gebracht. Mit dem Nachweis von spezifischen Cannabinoid-Bindungsstellen
auf Zellen sowie der Entdeckung eines körpereigenen Cannabinoids im Menschen rückten diese Stoffe seit
Beginn der 1990er Jahre allerdings sehr stark ins Interesse der experimentellen und klinischen Forschung. Cannabinoide
kommen unter anderem bei der Behandlung von Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit einer Krebs-Chemotherapie
zum Einsatz. Darüber hinaus weisen tierexperimentelle Studien und Untersuchungen an Zellkulturen auf eine
Antikrebswirkung dieser Substanzen hin, die über Hemmung der Tumorzellteilung oder sogar eine Auslösung
des Tumorzelltods (Apoptose) vermittelt wird.
Den Rostocker Forschern Dr. Robert Ramer und Prof. Dr. Burkhard Hinz ist nun anhand eines Zellkulturmodells der
Nachweis gelungen, dass Cannabinoide auch das Eindringen (Invasion) von Tumorzellen in das umliegende Gewebe blockieren.
Mit Hilfe der Invasion können Krebszellen in das Blut- und Lymphsystem gelangen und von dort in andere Körpergewebe
eindringen, um Tochtergeschwülste (Metastasen) zu bilden. Ermöglicht wird die Tumorzellinvasion durch
bestimmte Enzyme. Die Rostocker Forscher konnten zeigen, dass Cannabinoide den genetischen Apparat von menschlichen
Gebärmutterhals- und Lungenkrebszellen dazu veranlassen, einen körpereigenen Hemmer dieser Enzyme zu
produzieren, der die Invasivität unterdrückt.
"Die Untersuchungen zur Antikrebswirkung von Cannabinoiden haben das Stadium der experimentellen Forschung
noch nicht überschritten. Die bisherigen Befunde sowie die derzeitige Auffindung einer Reihe von Cannabinoid-Vertretern
ohne "Rauschwirkung" geben jedoch begründeten Anlass zur Hoffnung, dass diese Stoffe perspektivisch
eine zusätzliche Option zur Krebstherapie darstellen könnten, die mit weniger Nebenwirkungen als die
in der herkömmlichen Chemotherapie verwendeten Medikamente auskommt", so Professor Hinz, der das Institut
für Toxikologie und Pharmakologie der Universität Rostock seit Mai 2007 leitet.
Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden in einer aktuellen Ausgabe des "Journal of the National Cancer Institute"
publiziert, der weltweit führenden Zeitschrift auf dem Gebiet der Krebsforschung: Ramer R, Hinz B. Inhibition
of cancer cell invasion by cannabinoids via increased expression of tissue inhibitor of matrix metalloproteinases-1.
J Natl Cancer Inst. 2008;100:59-69. Epub 2007 Dec 25. |