Wien (öj) - Wie bereits vergangene Woche kurz umrissen, hat Österreich seit 05.02. einen neuen
innenpolitischen Dauerbrenner durch die Aussagen des ehemaligen Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Herwig Haidinger.
Er hat rund zwei Dutzend Vorwürfe erhoben, die - praktisch ausschließlich - die ÖVP belasten. Die
Konsequenz daraus ist nun, daß die Grünen, die FPÖ und das BZÖ vehement einen parlamentarischen
Untersuchungsausschuß fordern. Doch sind sie in dieser Forderung nicht alleine, denn Teile der SPÖ (z.B.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, Franz Voves, LH der Steiermark oder Oberösterreichs SP-Chef
Erich Haider sind ebenfalls für dessen sofortige Einsetzung. Ein anderer Teil der SPÖ (vor allem Verkehrsminister
und SP-Koalitionskoordinator Werner Faymann) plädieren dafür, dem VP- Innenminister Günther Platter
Zeit zu geben, selbst für die Aufklärung der erhobenen Vorwürfe zu sorgen. Wesentlichstes Argument
der Verfechter ist, daß "jetzt und sofort" das Parlament bzw. der Ausschuß die politische
Verantwortung aufzuklären hätte. Die ÖVP würde "nur verschleiern und verschleppen",
wäre an einem Ergebnis gar nicht interessiert. Die "Gegner" des sofortigen Ausschusses sehen in
erster Linie die Ermittlung der strafrechtlichen Relevanz und des Innenausschusses als durchaus ausreichend, die
politische Verantwortung könne dann immer noch eruiert werden, wenn die Gerichte zu einem Urteil gekommen
seien. Bis dahin sollte Ruhe bewahrt werden.
Vielfach tauchen nun - nicht zuletzt auch durch Suggestivfragen einiger Medienvertreter - Gerüchte auf, es
würde im Herbst neu gewählt werden. Herbst vor allem deshalb, weil ja im Juni Österreich (gemeinsam
mit der Schweiz) Austragungsland der Fußball-Europameisterschaft ist und ein möglicher Wahlkampf in
dieser Zeit sicher nicht opportun wäre. In den Sommermonaten Juli und August wäre dies ohnehin sinnlos,
so böte sich also, nach Einhaltung der Fristenläufe, wahrscheinlich der Oktober 2008. Ob Tirols VP-Landeshauptmann
Herwig Van Staa einverstanden wäre, ist zu bezweifeln, denn für den 5. Oktober ist die Landtagswahl in
seinem Bundesland angesetzt. Weder SPÖ noch ÖVP sprechen offen über ein neues Votum, beide liegen
in der Wählergunst - je nach Umfrageinstitut - mehr oder weniger kapp beeinander, keiner der beiden kann es
sich leisten, eine Neuwahl zu provozieren. Eine Abstrafung durch den Wähler, der nicht wählen, sondern
sehen will, daß die Regierung arbeitet, wäre wohl die Folge - was vor allem aber die Grünen, die
FPÖ und das BZÖ reizt. Wählerfrust wegen der beiden großen Parteien, so rechnet man, würde
zu Stimmenzuwachs bei den anderen führen.
Nach dem 9. März, wenn die Ergebnisse der NÖ Landtagswahl bekannt sein werden, wird die innenpolitische
Großwetterlage wahrscheinlich besser prognostizierbar. Denn: Verliert die ÖVP in Niederösterreich
- wenn auch "nur" die absolute Mehrheit "wegen der Bundes-ÖVP", wird LH Erwin Pröll
in seiner Partei sicherlich nicht schweigen und Korrekturen fordern. Gewinnt die ÖVP in Niederösterreich
so, wie sich das bis vor dem 5. Februar in Umfragen abgezeichnet hat, dann wird es wahrscheinlich beim Bundes-Koalitionspartner
SPÖ rumoren, weil man mit der ÖVP zu wenig hart ins Gericht gegangen sei.
In der ORF-Sendung "Im Zentrum" befaßte sich eine Runde mit dem Thema "Koalition". Anneliese
Rohrer von der "Presse" brachte es dort auf den Punkt: Es müßten personelle Änderungen
vorgenommen werden, damit die, die sich partout nicht vertragen, nicht mehr miteinander müßten. Dann
würde wieder Ruhe einkehren - und es könnte zu konstruktiver Arbeit zurückgekehrt werden. (mm)
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