Die EU-Finanzpolitik im Jahr 2008   

erstellt am
22. 02. 08

Eine Vorschau des Finanzministeriums
Wien (pk) - Auf der Grundlage der Arbeitsprogramme von Kommission und Rat hat Finanzminister Wilhelm Molterer dem Parlament kürzlich eine Vorschau über die wichtigsten finanzpolitischen Vorhaben der Europäischen Union im Jahr 2008 übermittelt.

Oberste Leitlinie der Finanzpolitik von Kommission und Rat bildet weiterhin die 2005 neu gestartete Lissabon-Strategie für den Übergang zu einer wissensbasierten Gesellschaft mit mehr Beschäftigung und Wohlstand, die den Herausforderungen der Globalisierung begegnen und die Auswirkungen der Bevölkerungsalterung bewältigen kann. Die Kommission registriert Fortschritte bei der Umsetzung der Lissabon-Strategie, aber auch sehr unterschiedlich ausgeprägte Reform-Ambitionen der Mitgliedstaaten und ortet Handlungsbedarf auf den Arbeitsmärkten, bei der Wettbewerbspolitik (Dienstleistungen und Energie), bei Forschung, Innovation, Bildung und Weiterbildung sowie bei der Nachhaltigkeit öffentlicher Finanzen. Österreich habe Fortschritte erzielt (Förderung von Forschung und Innovation, Klima- und Energiefonds, Flexicurity-Modell). Es brauche aber noch w irksamere Strategien, um ältere Arbeitnehmer länger im Arbeitsleben zu halten, stellt die Kommission fest.

Als Schlüsseldokumente auf dem Europäischen Frühjahrsgipfel gelten im Hinblick auf die Lissabon-Strategie der neue Dreijahreszyklus (2008-2011) zu den Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung, der Bericht der Kommission zur Umsetzung der nationalen Reformprogramme und ihr Lissabon-Gemeinschaftsprogramm mit den Kernzielen Förderung von Investitionen in Wissen und Innovation, Modernisierung der Arbeitsmärkte, Förderung des Unternehmertums (vor allem in KMU), Umsetzung der Klima- und Energiestrategie sowie stärkere Beziehungen mit den wichtigsten EU-Wirtschaftspartnern. Die slowenische Präsidentschaft will die Schwerpunkte Wissen und Innovation, Beschäftigung und Arbeitsmärkte, Unternehmensumfeld, Energie und Klimaschutz beibehalten. Der ECOFIN-Rat wird für den Europäischen Rat im Frühjahr ein Papier mit wirtschaftspolitischen Schlüsselthemen vorlegen. Zehn Jahre nach Einführung der gemeinsamen Währung steht die Kommission vor der Aufgabe, die Europäische Währungsunion strategisch zu überprüfen und allenfalls Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Auch der slowenische Ratsvorsitz kündigt eine Bewertung der gemeinsamen Währung und eine Einschätzung ihrer künftigen Herausforderungen an. Schließlich wird der ECOFIN-Rat auch zu prüfen haben, ob weitere Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Teilnahme an der gemeinsamen Währung erfüllen.

In der europäischen Klimastrategie drängt die Kommission auf die Reduktion von Treibhausgasen sowie auf die Forcierung erneuerbarer Energien und kündigt ein Weißbuch zur Anpassung an den Klimawandel an. Besondere Aufmerksamkeit widmet die Kommission einem umweltfreundlicheren Verkehrssektor. Der slowenische Vorsitz tritt für eine kosteneffiziente Umsetzung der Energie- Klimastrategie ein.

Das Jahresprogramm des ECOFIN-Rates zielt unter dem Vorsitz Sloweniens im ersten Halbjahr 2008 auch auf die Sicherstellung einer effizienten wirtschaftspolitischen Koordination, auf eine bessere Qualität in den öffentlichen Finanzen und auf die Weiterentwicklung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen.

Die aktuellen Turbulenzen auf den Finanzmärkten veranlassen Kommission und slowenischen Ratsvorsitz, die Bemühungen um mehr Stabilität auf den Finanzmärkten fortzusetzen. Auch BürgerInnen sowie kleinere und mittlere Betriebe sollen vom Finanz-Binnenmarkt profitieren können. Die Präsidentschaft kündigt ein Memorandum zur grenzüberschreitenden Aufsichtskooperation an. Mehr Transparenz, besseres Risikomanagement und bessere Bewertungsstandards lautet ihre Devise. Der ECOFIN-Rat wird auch über die Modernisierung und Vereinfachung der Mehrwert- und Verbrauchsbesteuerung und über den Kampf gegen den Steuerbetrug verhandeln.

Auf dem Binnenmarkt will die Kommission das Potential bei Dienstleistungen besser ausschöpfen und an einer gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage arbeiten, die grenzüberschreitend tätigen Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung Vereinfachungen und Kostenersparnisse bringt.

Unter dem Stichwort "Better Regulation" sollen Rechtsvorschriften modernisiert und vereinfacht sowie die Folgen neuer Gesetze abgeschätzt werden. 2008 sind 45 Initiativen zur Vereinfachung bestehender Rechtsvorschriften vorgesehen.

Auf internationaler Ebene werden die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien fortgeführt. Zudem erwartet die Kommission den Abschluss des Netzes der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit den Ländern des westlichen Balkans, wobei dem Kosovo besondere Aufmerksamkeit gilt. In der Nachbarschaftspolitik analysiert die Kommission Reformfortschritte in den Partnerländern. Die Bemühungen um ein WTO-Handelsabkommen und die Verhandlungen über bilaterale Abkommen mit zahlreichen Ländern gehen auch 2008 weiter.

Stabilitäts- und Wachstumspakt
Vor der Prüfung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme bei den Tagungen des ECOFIN-Rates im Februar und März registriert die Kommission dank guten Wachstums Verbesserungen bei den öffentlichen Haushalten. Das Budgetdefizit der EU-27 sank von 1,6 % des BIP (2006) auf 1,1 % (2007), in der Euro-Zone von 1,5 % auf 0,8 % des BIP. Waren 2007 noch 11 Defizitverfahren anhängig, darunter gegen Deutschland und Frankreich, waren es Anfang 2008 nur noch sechs (Italien, Portugal, Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn), wobei jene gegen Italien und die Slowakei bald eingestellt werden dürften.

Österreich tritt für eine konsequente Umsetzung des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts, für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und für einen Ausgabenschwerpunkt Bildung und Soziales ein.

In seinem wirtschafts- und finanzpolitischen Schlüsselthemen-Papier für die Diskussion der Staats- und Regierungschefs am EU-Frühjahrsgipfel, wird der ECOFIN-Rat von der Feststellung ausgehen, Lissabon-Strategie sowie Stabilitäts- und Wachstumspakt haben mehr Wachstum, mehr Beschäftigung und geringere Defizite gebracht. Die stabilitätsorientierte Reformpolitik soll daher konsequent fortgesetzt werden. Im Vordergrund stehen solide öffentliche Finanzen, Stabilität auf den Finanzmärkten, Weiterentwicklung des Binnenmarktes und die Umsetzung der Klima- und Energiestrategie.

Sollten ein oder mehrere EU-Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für den Beitritt zur Euro-Zone erfüllen, wird der ECOFIN-Rat im Juli, nach Prüfung der Konvergenzberichte im Europäischen Rat, formelle Beschlüsse fassen und den Eintrittskurs festlegen. Österreich bewertet die Erweiterung der Euro-Zone positiv, weil sie die Rolle der gemeinsamen Währung im globalen Wettbewerb stärke.

Auf der EU-Agenda steht 2008 auch eine Überprüfung des 2005 beschlossenen EU-Finanzrahmens. Der Kommissionsbericht wird Ende 2008/Anfang 2009 erwartet. Österreich will den Fokus bei den Ausgaben stärker auf die Förderung von Wachstum und Beschäftigung, die Bewältigung des Klimawandels, Versorgungssicherheit bei Energie und auf die Erhaltung der natürlichen Ressourcen legen. Der Ausgabenrahmen soll auch in Zukunft 1 % des BIP nicht übersteigen, die Möglichkeit einer EU-weiten Einnahmenquelle sei zu prüfen.

Stabilere Finanzmärkte
Die aktuellen Turbulenzen auf den Finanzmärkten zeigten Schwächen der Finanzsysteme auf, insbesondere der Marktorganisation für komplexe Finanzprodukte, heißt es in Brüssel. Schon im Oktober 2007 hat der ECOFIN-Rat Vorschläge für mehr Transparenz, eine bessere Bewertung von Finanzprodukten, für die Aufsicht und zur Analyse der Rating Agenturen vorgelegt. Ein erster Zwischenbericht wird für Mitte 2008 erwartet. Österreich unterstützt die vorgeschlagenen Maßnahmen, wendet sich aber gegen eine Einschränkung nationaler Mechanismen zur Krisenprävention.

Da ein allfälliger Konkurs einer großen Bankengruppe die Stabilität der Finanzmärkte mehrerer Mitgliedstaaten bedrohen kann, begrüßt Österreich die Vorschläge des ECOFIN-Rates zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Krisenmanagements. Im Frühjahr 2009 soll dazu ein EU-weiter Test stattfinden. Österreich drängt auf Flexibilität im Krisenmanagement, um situationsspezifisch reagieren zu können.

Versicherungsaufsicht
Die Kommission hat unter dem Titel "Solvabilität II" einen Richtlinienvorschlag mit neuen Solvabilitätsanforderungen und Aufsichtsstandards für Versicherungen vorgelegt. Eine Einigung über quantitative Eigenmittelanforderungen und Gruppenaufsichtssysteme will nun die slowenische Präsidentschaft herbeiführen, damit die Richtlinie 2012 in Kraft treten kann. Österreich will die Besonderheiten des österreichischen Versicherungsmarktes, das hohe Schutzniveau für Versicherte und Begünstige sowie die Anliegen und Bedürfnisse von KMU und Kompositversicherern berücksichtigt sehen. Die Voraussetzungen für eine alleinzuständige Gruppenaufsicht liegen für Österreich noch nicht vor, schreibt der Finanzminister.

Grenzüberschreitender Wertpapierhandel
Österreich hält rasche Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen beim grenzüberschreitenden Wertpapierhandel für wichtig und die Strategie der Kommission, zunächst auf Selbstregulierung mit Hilfe eines Verhaltenskodex zu setzen, für geeignet, um dieses Ziel zu erreichen. Österreich unterstützt den vorgeschlagenen Verhaltenskodex und die damit verbundene Eigeninitiative der Industrie ebenso wie das Projekt "Target-2-Securites" mit dem Ziel einer einheitlichen europäischen Wertpapierabwicklung.

Retail Financial Services
Österreich teilt das Ziel der Kommission, die Integration der Retail-Märkte voranzutreiben. Das diesbezügliche Grünbuch nennt drei Ziele: breites Angebot an Qualitätsprodukten, Stärkung des Vertrauens der Konsumenten und Integration der Retail-Märkte mit einem besseren Verbraucherschutz. Als nächsten Schritt plant die Kommission die Vorlage eines Weißbuchs. Der Diskussion über einen optionalen EU-weiten Rechtsrahmen ("28. Regime") neben den nationalen Systemen steht Ö sterreich skeptisch gegenüber.

Investmentfonds
Österreich teilt den Grundtenor des Weißbuches zur Modernisierung der Vorschriften für Investmentfonds, verhält sich aber in der Frage grenzüberschreitender Aufsichtssachverhalte abwartend. Ein Richtlinienvorschlag der Kommission wird im Frühjahr 2008 erwartet. Durch Beseitigung bestehender Hindernisse sollen Kosteneinsparungen und Spezialisierungsvorteile erzielt werden. Das Meldewesen soll vereinfacht, Grundlagen für grenzübergreifende Fondsfusionen geschaffen, der Aufwand beim grenzübergreifenden Vertrieb verringert und die Zusammenarbeit der Aufsicht verbessert werden.

Hypothekarkredite
Angesichts der Sub-prime Krise steht Österreich den Zielen eines Weißbuches zur Steigerung von Effizienz und Wettbewerb auf dem EU-Hypothekarkreditmarkt positiv gegenüber. Im Mai 2008 wird eine erste Orientierungsdebatte dazu im ECOFIN-Rat stattfinden.

Thema Mehrwertsteuer
Der slowenische Ratsvorsitz startet die Debatte über den Richtlinienvorschlag, den die Kommission 2007 zur Änderung der Besteuerung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen vorgelegt hat. Befreiungsbestimmungen sollen angesichts neuer Produkte präzisiert und auf ausgelagerte Dienstleistungen ausgeweitet werden, um Wettbewerbsneutralität zwischen großen und kleinen Unternehmen herzustellen. Eine Steueroption soll Nachteile durch Entfall des Vorsteuerabzugs vermeiden. Interne Leistungen bei grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen sollen steuerfrei werden.

In der Diskussion über Mehrwertsteuersätze vertritt das Finanzressort die Auffassung, Ermäßigungen würden nur wenig zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung beitragen, und steht weiteren Ausnahmen für ermäßigte Mehrwertsteuersätze skeptisch gegenüber. Derzeit prüft die Kommission die Anwendung ermäßigter Mehrwertsteuersätze auf lokal erbrachte Dienstleistungen, die zuständigen Ratsarbeitsgruppen analysieren die ökonomischen Effekte.

Österreich unterstützt einen Kommissionsvorschlag zur Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, der auf die Besteuerung von Lieferungen und Einfuhren von Erdgas sowie auf die Befreiung wissenschaftlicher Unternehmungen zielt und ein Recht auf Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Grundstücken enthält.

Kampf gegen von Steuerbetrug
Da Unternehmer die Umsatzsteuer zwar häufig in Rechnung stellen, diese aber oft nicht an die Finanzbehörde abführen, arbeitet die Kommission seit November 2006 an einer koordinierten Strategie für den Kampf gegen den Steuerbetrug und prüft Möglichkeiten zur Änderung des Mehrwertsteuersystems. In Österreich hat sich im Bauwesen etwa die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-System) bewährt. Zudem schlägt die Kommission konventionelle Maßnahmen vor: weitere Meldepflichten, einheitliche Rechnungslegungsvorschriften und stärkere Verwaltungszusammenarbeit. Diese Fragen wird der ECOFIN-Rat unter slowenischer Präsidentschaft erörtern. Sollte eine positive Entscheidung über das von Österreich favorisierte Reverse Charge System fallen, ist in Österreich ein Pilotprojekt vorgesehen. Österreich unterstützt auch die Betrugsbekämpfung mit konventionellen Maßnahmen.

Einheitliche Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage

Österreich unterstützt das Projekt einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, zu der die Kommission nach vierjähriger Vorarbeit Ende 2008 einen Richtlinienvorschlag unterbreiten wird. Es geht um mehr Transparenz in den Besteuerungsregeln der Mitgliedstaaten sowie um geringere Kosten für Unternehmen und Verwaltung.

Zollfragen
Positiv sieht Österreich Bemühungen um einen gesamthaften, strategischen und strukturierten Ansatz für die künftige Rolle des Zolls auf nationaler und europäischer Ebene. Das weltweite Wachstum des Warenverkehrs der EU bringt neue Risken für die Union, Mitgliedstaaten und BürgerInnen. Beim Kampf gegen unfairen und illegalen Handel brauche es zugleich eine beschleunigte Zollabwicklung und verstärkte Kontrolle. Derzeit wird ein Zeitplan zur Umsetzung von Maßnahmen erarbeitet, die die Kommission im Herbst 2007 in Lissabon vorgeschlagen haben. Eine Mitteilung der Kommission wird für die erste Jahreshälfte 2008 erwartet.

Der ECOFIN-Rat will Reisefreigrenzen und -mengen im Zollrecht an die geplante Reiserichtlinie mit Steuerbefreiungen im grenzüberschreitenden privaten Reiseverkehr aus Drittländern angleichen. Diesbezügliche und andere Verordnungsänderungen hat die Kommission im Herbst 2007 vorgeschlagen. Nach Kritik Österreichs und anderer Mitgliedstaaten am hohen Verwaltungsaufwand und mangelnder Kohärenz hat der slowenische Vorsitz einen Kompromissvorschlag angekündigt.

Zur Anpassung des europäischen Zollrechts an die geänderten Rahmenbedingungen des internationalen Warenverkehrs zählen neben der elektronischen Zollabfertigung auch die Einrichtung von One Stop Shops für die Zollabfertigung - Österreich stimmt zu, sofern die Erhebungskosten fair abgegolten werden.

Österreich unterstützt auch eine Änderung der Amtshilfeverordnung in Zollangelegenheiten, die der intensiveren Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Betrugsbekämpfung dient.
 
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