Eine Vorschau des Finanzministeriums
Wien (pk) - Auf der Grundlage der Arbeitsprogramme von Kommission und Rat hat Finanzminister Wilhelm
Molterer dem Parlament kürzlich eine Vorschau über die wichtigsten finanzpolitischen Vorhaben der Europäischen
Union im Jahr 2008 übermittelt.
Oberste Leitlinie der Finanzpolitik von Kommission und Rat bildet weiterhin die 2005 neu gestartete Lissabon-Strategie
für den Übergang zu einer wissensbasierten Gesellschaft mit mehr Beschäftigung und Wohlstand, die
den Herausforderungen der Globalisierung begegnen und die Auswirkungen der Bevölkerungsalterung bewältigen
kann. Die Kommission registriert Fortschritte bei der Umsetzung der Lissabon-Strategie, aber auch sehr unterschiedlich
ausgeprägte Reform-Ambitionen der Mitgliedstaaten und ortet Handlungsbedarf auf den Arbeitsmärkten, bei
der Wettbewerbspolitik (Dienstleistungen und Energie), bei Forschung, Innovation, Bildung und Weiterbildung sowie
bei der Nachhaltigkeit öffentlicher Finanzen. Österreich habe Fortschritte erzielt (Förderung von
Forschung und Innovation, Klima- und Energiefonds, Flexicurity-Modell). Es brauche aber noch w irksamere Strategien,
um ältere Arbeitnehmer länger im Arbeitsleben zu halten, stellt die Kommission fest.
Als Schlüsseldokumente auf dem Europäischen Frühjahrsgipfel gelten im Hinblick auf die Lissabon-Strategie
der neue Dreijahreszyklus (2008-2011) zu den Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung,
der Bericht der Kommission zur Umsetzung der nationalen Reformprogramme und ihr Lissabon-Gemeinschaftsprogramm
mit den Kernzielen Förderung von Investitionen in Wissen und Innovation, Modernisierung der Arbeitsmärkte,
Förderung des Unternehmertums (vor allem in KMU), Umsetzung der Klima- und Energiestrategie sowie stärkere
Beziehungen mit den wichtigsten EU-Wirtschaftspartnern. Die slowenische Präsidentschaft will die Schwerpunkte
Wissen und Innovation, Beschäftigung und Arbeitsmärkte, Unternehmensumfeld, Energie und Klimaschutz beibehalten.
Der ECOFIN-Rat wird für den Europäischen Rat im Frühjahr ein Papier mit wirtschaftspolitischen Schlüsselthemen
vorlegen. Zehn Jahre nach Einführung der gemeinsamen Währung steht die Kommission vor der Aufgabe, die
Europäische Währungsunion strategisch zu überprüfen und allenfalls Verbesserungsvorschläge
unterbreiten. Auch der slowenische Ratsvorsitz kündigt eine Bewertung der gemeinsamen Währung und eine
Einschätzung ihrer künftigen Herausforderungen an. Schließlich wird der ECOFIN-Rat auch zu prüfen
haben, ob weitere Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Teilnahme an der gemeinsamen Währung erfüllen.
In der europäischen Klimastrategie drängt die Kommission auf die Reduktion von Treibhausgasen sowie auf
die Forcierung erneuerbarer Energien und kündigt ein Weißbuch zur Anpassung an den Klimawandel an. Besondere
Aufmerksamkeit widmet die Kommission einem umweltfreundlicheren Verkehrssektor. Der slowenische Vorsitz tritt für
eine kosteneffiziente Umsetzung der Energie- Klimastrategie ein.
Das Jahresprogramm des ECOFIN-Rates zielt unter dem Vorsitz Sloweniens im ersten Halbjahr 2008 auch auf die Sicherstellung
einer effizienten wirtschaftspolitischen Koordination, auf eine bessere Qualität in den öffentlichen
Finanzen und auf die Weiterentwicklung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen.
Die aktuellen Turbulenzen auf den Finanzmärkten veranlassen Kommission und slowenischen Ratsvorsitz, die Bemühungen
um mehr Stabilität auf den Finanzmärkten fortzusetzen. Auch BürgerInnen sowie kleinere und mittlere
Betriebe sollen vom Finanz-Binnenmarkt profitieren können. Die Präsidentschaft kündigt ein Memorandum
zur grenzüberschreitenden Aufsichtskooperation an. Mehr Transparenz, besseres Risikomanagement und bessere
Bewertungsstandards lautet ihre Devise. Der ECOFIN-Rat wird auch über die Modernisierung und Vereinfachung
der Mehrwert- und Verbrauchsbesteuerung und über den Kampf gegen den Steuerbetrug verhandeln.
Auf dem Binnenmarkt will die Kommission das Potential bei Dienstleistungen besser ausschöpfen und an einer
gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage arbeiten, die grenzüberschreitend tätigen Unternehmen
und der öffentlichen Verwaltung Vereinfachungen und Kostenersparnisse bringt.
Unter dem Stichwort "Better Regulation" sollen Rechtsvorschriften modernisiert und vereinfacht sowie
die Folgen neuer Gesetze abgeschätzt werden. 2008 sind 45 Initiativen zur Vereinfachung bestehender Rechtsvorschriften
vorgesehen.
Auf internationaler Ebene werden die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien fortgeführt.
Zudem erwartet die Kommission den Abschluss des Netzes der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit den Ländern
des westlichen Balkans, wobei dem Kosovo besondere Aufmerksamkeit gilt. In der Nachbarschaftspolitik analysiert
die Kommission Reformfortschritte in den Partnerländern. Die Bemühungen um ein WTO-Handelsabkommen und
die Verhandlungen über bilaterale Abkommen mit zahlreichen Ländern gehen auch 2008 weiter.
Stabilitäts- und Wachstumspakt
Vor der Prüfung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme bei den Tagungen des ECOFIN-Rates im Februar
und März registriert die Kommission dank guten Wachstums Verbesserungen bei den öffentlichen Haushalten.
Das Budgetdefizit der EU-27 sank von 1,6 % des BIP (2006) auf 1,1 % (2007), in der Euro-Zone von 1,5 % auf 0,8
% des BIP. Waren 2007 noch 11 Defizitverfahren anhängig, darunter gegen Deutschland und Frankreich, waren
es Anfang 2008 nur noch sechs (Italien, Portugal, Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn), wobei jene gegen Italien
und die Slowakei bald eingestellt werden dürften.
Österreich tritt für eine konsequente Umsetzung des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts,
für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und für einen Ausgabenschwerpunkt
Bildung und Soziales ein.
In seinem wirtschafts- und finanzpolitischen Schlüsselthemen-Papier für die Diskussion der Staats- und
Regierungschefs am EU-Frühjahrsgipfel, wird der ECOFIN-Rat von der Feststellung ausgehen, Lissabon-Strategie
sowie Stabilitäts- und Wachstumspakt haben mehr Wachstum, mehr Beschäftigung und geringere Defizite gebracht.
Die stabilitätsorientierte Reformpolitik soll daher konsequent fortgesetzt werden. Im Vordergrund stehen solide
öffentliche Finanzen, Stabilität auf den Finanzmärkten, Weiterentwicklung des Binnenmarktes und
die Umsetzung der Klima- und Energiestrategie.
Sollten ein oder mehrere EU-Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für den Beitritt zur Euro-Zone erfüllen,
wird der ECOFIN-Rat im Juli, nach Prüfung der Konvergenzberichte im Europäischen Rat, formelle Beschlüsse
fassen und den Eintrittskurs festlegen. Österreich bewertet die Erweiterung der Euro-Zone positiv, weil sie
die Rolle der gemeinsamen Währung im globalen Wettbewerb stärke.
Auf der EU-Agenda steht 2008 auch eine Überprüfung des 2005 beschlossenen EU-Finanzrahmens. Der Kommissionsbericht
wird Ende 2008/Anfang 2009 erwartet. Österreich will den Fokus bei den Ausgaben stärker auf die Förderung
von Wachstum und Beschäftigung, die Bewältigung des Klimawandels, Versorgungssicherheit bei Energie und
auf die Erhaltung der natürlichen Ressourcen legen. Der Ausgabenrahmen soll auch in Zukunft 1 % des BIP nicht
übersteigen, die Möglichkeit einer EU-weiten Einnahmenquelle sei zu prüfen.
Stabilere Finanzmärkte
Die aktuellen Turbulenzen auf den Finanzmärkten zeigten Schwächen der Finanzsysteme auf, insbesondere
der Marktorganisation für komplexe Finanzprodukte, heißt es in Brüssel. Schon im Oktober 2007 hat
der ECOFIN-Rat Vorschläge für mehr Transparenz, eine bessere Bewertung von Finanzprodukten, für
die Aufsicht und zur Analyse der Rating Agenturen vorgelegt. Ein erster Zwischenbericht wird für Mitte 2008
erwartet. Österreich unterstützt die vorgeschlagenen Maßnahmen, wendet sich aber gegen eine Einschränkung
nationaler Mechanismen zur Krisenprävention.
Da ein allfälliger Konkurs einer großen Bankengruppe die Stabilität der Finanzmärkte mehrerer
Mitgliedstaaten bedrohen kann, begrüßt Österreich die Vorschläge des ECOFIN-Rates zur Verbesserung
des grenzüberschreitenden Krisenmanagements. Im Frühjahr 2009 soll dazu ein EU-weiter Test stattfinden.
Österreich drängt auf Flexibilität im Krisenmanagement, um situationsspezifisch reagieren zu können.
Versicherungsaufsicht
Die Kommission hat unter dem Titel "Solvabilität II" einen Richtlinienvorschlag mit neuen Solvabilitätsanforderungen
und Aufsichtsstandards für Versicherungen vorgelegt. Eine Einigung über quantitative Eigenmittelanforderungen
und Gruppenaufsichtssysteme will nun die slowenische Präsidentschaft herbeiführen, damit die Richtlinie
2012 in Kraft treten kann. Österreich will die Besonderheiten des österreichischen Versicherungsmarktes,
das hohe Schutzniveau für Versicherte und Begünstige sowie die Anliegen und Bedürfnisse von KMU
und Kompositversicherern berücksichtigt sehen. Die Voraussetzungen für eine alleinzuständige Gruppenaufsicht
liegen für Österreich noch nicht vor, schreibt der Finanzminister.
Grenzüberschreitender Wertpapierhandel
Österreich hält rasche Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen beim grenzüberschreitenden Wertpapierhandel
für wichtig und die Strategie der Kommission, zunächst auf Selbstregulierung mit Hilfe eines Verhaltenskodex
zu setzen, für geeignet, um dieses Ziel zu erreichen. Österreich unterstützt den vorgeschlagenen
Verhaltenskodex und die damit verbundene Eigeninitiative der Industrie ebenso wie das Projekt "Target-2-Securites"
mit dem Ziel einer einheitlichen europäischen Wertpapierabwicklung.
Retail Financial Services
Österreich teilt das Ziel der Kommission, die Integration der Retail-Märkte voranzutreiben. Das diesbezügliche
Grünbuch nennt drei Ziele: breites Angebot an Qualitätsprodukten, Stärkung des Vertrauens der Konsumenten
und Integration der Retail-Märkte mit einem besseren Verbraucherschutz. Als nächsten Schritt plant die
Kommission die Vorlage eines Weißbuchs. Der Diskussion über einen optionalen EU-weiten Rechtsrahmen
("28. Regime") neben den nationalen Systemen steht Ö sterreich skeptisch gegenüber.
Investmentfonds
Österreich teilt den Grundtenor des Weißbuches zur Modernisierung der Vorschriften für Investmentfonds,
verhält sich aber in der Frage grenzüberschreitender Aufsichtssachverhalte abwartend. Ein Richtlinienvorschlag
der Kommission wird im Frühjahr 2008 erwartet. Durch Beseitigung bestehender Hindernisse sollen Kosteneinsparungen
und Spezialisierungsvorteile erzielt werden. Das Meldewesen soll vereinfacht, Grundlagen für grenzübergreifende
Fondsfusionen geschaffen, der Aufwand beim grenzübergreifenden Vertrieb verringert und die Zusammenarbeit
der Aufsicht verbessert werden.
Hypothekarkredite
Angesichts der Sub-prime Krise steht Österreich den Zielen eines Weißbuches zur Steigerung von
Effizienz und Wettbewerb auf dem EU-Hypothekarkreditmarkt positiv gegenüber. Im Mai 2008 wird eine erste Orientierungsdebatte
dazu im ECOFIN-Rat stattfinden.
Thema Mehrwertsteuer
Der slowenische Ratsvorsitz startet die Debatte über den Richtlinienvorschlag, den die Kommission 2007 zur
Änderung der Besteuerung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen vorgelegt hat. Befreiungsbestimmungen
sollen angesichts neuer Produkte präzisiert und auf ausgelagerte Dienstleistungen ausgeweitet werden, um Wettbewerbsneutralität
zwischen großen und kleinen Unternehmen herzustellen. Eine Steueroption soll Nachteile durch Entfall des
Vorsteuerabzugs vermeiden. Interne Leistungen bei grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen sollen steuerfrei
werden.
In der Diskussion über Mehrwertsteuersätze vertritt das Finanzressort die Auffassung, Ermäßigungen
würden nur wenig zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung beitragen, und steht weiteren Ausnahmen
für ermäßigte Mehrwertsteuersätze skeptisch gegenüber. Derzeit prüft die Kommission
die Anwendung ermäßigter Mehrwertsteuersätze auf lokal erbrachte Dienstleistungen, die zuständigen
Ratsarbeitsgruppen analysieren die ökonomischen Effekte.
Österreich unterstützt einen Kommissionsvorschlag zur Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie,
der auf die Besteuerung von Lieferungen und Einfuhren von Erdgas sowie auf die Befreiung wissenschaftlicher Unternehmungen
zielt und ein Recht auf Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Grundstücken enthält.
Kampf gegen von Steuerbetrug
Da Unternehmer die Umsatzsteuer zwar häufig in Rechnung stellen, diese aber oft nicht an die Finanzbehörde
abführen, arbeitet die Kommission seit November 2006 an einer koordinierten Strategie für den Kampf gegen
den Steuerbetrug und prüft Möglichkeiten zur Änderung des Mehrwertsteuersystems. In Österreich
hat sich im Bauwesen etwa die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-System) bewährt. Zudem schlägt
die Kommission konventionelle Maßnahmen vor: weitere Meldepflichten, einheitliche Rechnungslegungsvorschriften
und stärkere Verwaltungszusammenarbeit. Diese Fragen wird der ECOFIN-Rat unter slowenischer Präsidentschaft
erörtern. Sollte eine positive Entscheidung über das von Österreich favorisierte Reverse Charge
System fallen, ist in Österreich ein Pilotprojekt vorgesehen. Österreich unterstützt auch die Betrugsbekämpfung
mit konventionellen Maßnahmen.
Einheitliche Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage
Österreich unterstützt das Projekt einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage,
zu der die Kommission nach vierjähriger Vorarbeit Ende 2008 einen Richtlinienvorschlag unterbreiten wird.
Es geht um mehr Transparenz in den Besteuerungsregeln der Mitgliedstaaten sowie um geringere Kosten für Unternehmen
und Verwaltung.
Zollfragen
Positiv sieht Österreich Bemühungen um einen gesamthaften, strategischen und strukturierten Ansatz für
die künftige Rolle des Zolls auf nationaler und europäischer Ebene. Das weltweite Wachstum des Warenverkehrs
der EU bringt neue Risken für die Union, Mitgliedstaaten und BürgerInnen. Beim Kampf gegen unfairen und
illegalen Handel brauche es zugleich eine beschleunigte Zollabwicklung und verstärkte Kontrolle. Derzeit wird
ein Zeitplan zur Umsetzung von Maßnahmen erarbeitet, die die Kommission im Herbst 2007 in Lissabon vorgeschlagen
haben. Eine Mitteilung der Kommission wird für die erste Jahreshälfte 2008 erwartet.
Der ECOFIN-Rat will Reisefreigrenzen und -mengen im Zollrecht an die geplante Reiserichtlinie mit Steuerbefreiungen
im grenzüberschreitenden privaten Reiseverkehr aus Drittländern angleichen. Diesbezügliche und andere
Verordnungsänderungen hat die Kommission im Herbst 2007 vorgeschlagen. Nach Kritik Österreichs und anderer
Mitgliedstaaten am hohen Verwaltungsaufwand und mangelnder Kohärenz hat der slowenische Vorsitz einen Kompromissvorschlag
angekündigt.
Zur Anpassung des europäischen Zollrechts an die geänderten Rahmenbedingungen des internationalen Warenverkehrs
zählen neben der elektronischen Zollabfertigung auch die Einrichtung von One Stop Shops für die Zollabfertigung
- Österreich stimmt zu, sofern die Erhebungskosten fair abgegolten werden.
Österreich unterstützt auch eine Änderung der Amtshilfeverordnung in Zollangelegenheiten, die der
intensiveren Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Betrugsbekämpfung dient. |